NEURELIGIÖSE BEWEGUNGEN UND MENTALE GESUNDHEIT

 

Kjell Totland

 

Was wissen wir als Psychologen über den Zusammenhang zwischen der Mitgliedschaft in neureligiösen Bewegungen und mentaler Gesundheit? Eine Reihe von Psychotherapeuten und Klinikern mit breiter Praxis bezüglich Mitglieder und ehemalige Mitglieder hat dies als eigenes Thema aufgegriffen (Singer, 1979; Lavik 1985; Bergman, 1992; Ulland, 1995; Hassan, 2000; Sveinall, 2000; Nylund, 2004, a). In Schweden wurde auch vor einigen Jahren ein öffentliches Gutachten erstellt (Statens Offentliga Utredningar, 1998), in dem dies eines von mehreren Themen war, die erörtert wurden. In Norwegen wurde ferner 1999 unter der Leitung von „Redd Barna“ ein eigenes Projekt in Gang gesetzt, das sich darauf bezog, was mit jungen Menschen geschieht, die isolierte Glaubensgemeinschaften verlassen (Berger, 2001; Egge, 2005), und in dem das Hauptaugenmerk unter anderem auf die Bestimmungen der Kinderkonvention über das Recht auf Gesundheit, Behandlung, Schutz vor Übergriffen und das Recht auf Gedanken-, Glaubens- und Äußerungsfreiheit gerichtet war. Das Thema wurde auch durch die so genannte Knutby-Affäre in Schweden aktuell (Clementsen, 2004; Fragell, 2004; Lundgren, 2004; Nylund, 2004, b; Stanghelle, 2004; Robèrt, 2005; Lundgren, 2006). Aber weiterhin ist dies ein Gebiet, von dem wir wenig allgemeine Kenntnisse und wenige Kenntnisse über aktuelle Behandlungsmethoden haben. Repstad (1994) behauptet, neureligiöse Bewegungen zu studieren sei wie „in einem Minenfeld“ zu arbeiten, und er schätzt die Möglichkeiten pessimistisch ein, dass empirische Studien klären werden können, was bei diesen Mythen und was Fakten sind. Larsen (1995) sagt ebenfalls, dass dies ein komplexes Forschungsgebiet ist, meint aber gleichzeitig, dass wir als Psychologen es als eine fachliche Herausforderung sehen sollten. Borgen (2003, S. 991) sagt in der Themanummer der Tidsskrift for Norsk Psykologforening (Zeitschrift für die norwegische Psychologenvereinigung) über Religionspsychologie: „Ausbrechen oder Abspringen aus autoritären und geschlossenen Sektengebilden ist ein langer und schmerzlicher Prozess. Auch die Behandlungsgesellschaft ist im Allgemeinen stammelnd bezüglich der Entwicklung von Behandlungsmethoden, um diesen Problemen zu begegnen.“ Dieser Artikel soll dazu dienen, dass Forscher und Kliniker dieses Phänomen besser verstehen und insbesondere ein besseres Verständnis für eventuelle Zusammenhänge zwischen gegenwärtiger und früherer Mitgliedschaft in neureligiösen Bewegungen und psychischer Gesundheit bekommen. Ich möchte mir hier verschiedene Methoden vornehmen, um neureligiöse Bewegungen zu definieren, sowie aktuelle Informanten und aktuelle Methoden, damit man sich Kenntnisse darüber aneignen kann, welche Möglichkeiten und Begrenzungen diese Informanten und Methoden bieten.

 

Das Studium neureligiöser Bewegungen enthüllt komplexe und herausfordernde Zusammenhänge, denen gegenüber sich als Forscher und Behandler objektiv zu verhalten intellektuell und emotionell schwierig sein kann. Die analytischer Distanz, die aller humanistischen und gesellschaftswissenschaftlichen Forschung zugrunde gelegt wird, kann die Tatsache nicht überdecken, dass persönliche Motive beim Forscher immer den Forschungsprozess beeinflussen werden können, ob dies nun die Wahl des Studienobjekts, die Annäherung an das Phänomen und nicht zuletzt die Deutung und Darstellung der fertigen Arbeit betrifft. Darin bin auch ich keine Ausnahme. Für mich selbst sehe ich es daher als wichtig und notwendig am, mir über meinen eigenen fachlichen und persönlichen Standpunkt offen und bewusst zu sein. Mein eigenes Interesse für neureligiöse Bewegungen knüpft sich so in erster Linie an eigene Erfahrungen mit solchen Bewegungen in den Siebzigerjahren, als ich Psychologiestudent war, und an einige Jahre danach. Als Fachmann wurde ich im Nachhinein auf mehrere Fragen neugierig: (1) Ist es so, dass neureligiöse Bewegungen tatsächlich mentale Schwierigkeiten hervorbringen können, und /oder ist es so, dass Menschen mit unstabiler psychischer Gesundheit eher nach solchen Milieus streben als andere? (2) Wenn solche Gruppen Menschen mentale Schwierigkeiten zufügen können, hängt dies damit zusammen, dass sie religiös sind, oder ist da eher die Rede davon, dass sie gewisse destruktive Eigenschaften haben, die man im Prinzip bei jeder Gruppe mit entsprechenden Zügen finden kann? (3) Wie kann man am besten die negativen Erfahrungen verstehen, die einzelne ehemalige Mitglieder vermitteln? (4) Wie soll man sich zur öffentlichen Debatte verhalten, die auf mehr oder weniger nuancierte Weise durch Populärliteratur und Illustrierte dargestellt wird? In der Rolle als aktives Mitglied erhielt ich außerdem die Möglichkeit, dieses Phänomen von der Innenseite aus zu erleben, und lernte die Redewendungen und das Symboluniversum kennen, das in solchen Zusammenhängen vermittelt wird. Dies ist eine Erfahrung, die den Reflexionen und Betrachtungen zugrunde liegt, mit denen ich hier beitragen möchte. Gleichzeitig sah ich mich auch genötigt, von vielem Abstand zu nehmen, was mir früher „verkündigt“ wurde. Mit einem solchen Ausgangspunkt kann es deshalb nicht ausgeschlossen werden, dass ich in der Rolle als Fachmann auch unbewusst einer verborgenen Agenda unterliege, Menschen vor gewissen Seiten neureligiöser Bewegungen zu warnen, auf die Gefahr hin, etwas von der Objektivität zu verlieren.

 

Historischer Hintergrund

                                                 

In den Fünfziger- und Sechzigerjahren ereignete sich ein Aufblühen neuer religiöser Gruppen. Im Nachhinein versuchte man das als Reaktion auf kulturelle Strömungen zu erklären, die von materiellem Wohlstand und geringerem Interesse für traditionelle religiöse Werte und Autoritäten geprägt waren. Ferner hatte man diese Erscheinung als einen Teil allgemeinerer Strömungen in der Gesellschaft angesehen, die von Pluralismus, Individualismus und Privatisierung geprägt waren. Manche schlossen sich autoritären Bewegungen mit dem Angebot klarer und eindeutiger Antworten an, während andere eine eher individualistische und erlebnisorientierte Spiritualität bevorzugten. Bekannte neureligiöse Gruppen dieser Zeit waren die Hare Krishna-Bewegung, die Transzendentale Meditation, die Scientology-Kirche, die New Age-Bewegung, die Kinder Gottes und die Jesus-Bewegung. Diese erhielten damals die Bezeichnung „neureligiöse Bewegungen“, weil neue religiöse Perspektiven lanciert wurden. Weniger strenge Grenzen zwischen verschiedenen Ländern bewirkten, dass Gruppen ein internationaleres Gepräge bekamen und sichtbarer wurden, und die Mitglieder in wesentlich größerem Maß als früher als neue Mitglieder rekrutiert wurden. Und es waren Bewegungen in dem Sinn, dass sie Menschen oft zu radikalen Änderungen des Lebensstils aufforderten und weniger institutionell geprägt waren. Später wurde auch ein umfassenderer Begriff, „alternative religiöse Glaubensgemeinschaften“ vorgeschlagen, da man zwischen den neureligiösen Bewegungen und anderen religiösen Gruppen, die wohl zwar nicht neu waren, die aber auch eine religiöse Gegenkultur darstellten, viele gleichartige Züge sah (bekannte Beispiele hier aus Norwegen sind die Smiths Freunde und die Zeugen Jehovas). In Norwegen benützt man für einzelne Gruppen auch die Bezeichnung „isolierte Glaubensgemeinschaften“.

 

In einer Periode der Siebzigerjahre konzentrieren sich sowohl Fachleute als auch die allgemeine Bevölkerung auf gewisse positive Seiten der neureligiösen Bewegungen, unter anderem weil man meinte, sie könnten eine konstruktive Alternative zu Drogensucht und Triebhaftigkeit sein (Robbins, 1988). Von einer sozialmedizinischen Perspektive aus konnte man auch darin einen Wert sehen, dass Menschen dadurch Angebote sozialer Zugehörigkeit und endgültige Antworten auf existentielle Fragen erhielten. Nach und nach erfolgte jedoch eine Wende dahingehend, dass man das Augenmerk eher auf die angenommenen destruktiven Seiten dieser Gruppen richtete, und der negativ beladene Begriff „Sekten“, der bisher nur in theologischem Zusammenhang benützt worden war, um Gruppen mit lehrmäßiger Abweichung (in Norwegen so genannte Dissenter – Abweichler von der Lehre der Kirche) zu bezeichnen, wurde nach und nach auch zur volkstümliche Bezeichnung für dieses Phänomen. In späterer Zeit wurde auch der Ausdruck Fundamentalismus benützt, um gewisse negative Seiten unter anderen neureligöser Bewegungen zu beschreiben. Fundamentalismus ist hier zu verstehen als „ein Weltbild, in dem religiöse Autorität allumfassend und absolut ist und Gegenstand weder von Diskussion noch Kritik oder Reduktion sein kann“ (Lawrence, 1995, berichtet von Brekke, 2004, S. 193). Fundamentalismus ist daher eine zeitlose Erscheinung, die nicht in erster Linie an das Neureligiöse geknüpft ist.

 

Die offizielle Bezeichnung innerhalb akademischer Kreise ist also „neureligiöse Bewegungen“. Aber diese Bezeichnung umfasst nur die neuen Bewegungen und schließt jene aus, die eher institutionalisiert sind und die auf dem Gedanken beruhen, dass eine alte Idee, Vision oder Erkenntnis neu entdeckt wird oder für die Menschen heute neu hervorsticht. Die Bezeichnung „Alternative religiöse Glaubensgemeinschaften“ kann ihrerseits zu weit greifen, da alle Glaubensgemeinschaften in einem gewissen Sinn eine religiöse Alternative darstellen. Ein gemeinsames Problem für die Begriffe „neureligiöse Bewegungen“ und „alternative religiöse Glaubensgemeinschaften“ ist jedoch, dass diese bisweilen dazu benützt werden, um eine ganze Organisation zu erwähnen, und daher für Variationen in Untergruppen der Organisation keinen Raum lassen. Zum Beispiel scheint der Abstand zwischen allgemeinen Pfingstgemeinden in Schweden und der Knutby-Gemeinde, die formal gesehen ebenfalls ein Teil der Pfingstgemeinde ist, groß zu sein. Der Begriff „isolierte Glaubensgemeinschaft“ hat den Vorteil, dass er sich zum Beispiel auch auf geschlossene Gemeinschaften beziehen kann, die sich zu nichtchristlichen Glaubensformen bekennen. Der Begriff hat jedoch eine Begrenzung in dem Sinn, dass es verschiedene Meinungen darüber geben kann, was man unter isoliert und geschlossen versteht. Isoliert und geschlossen in Bezug worauf? Geographie? Soziale Zugehörigkeit? Anderes?

 

Der Sektenbegriff

 

Der Begriff „Sekte” ist in der Umgangssprache gut etabliert und wurde teilweise auch als Fachbegriff benützt. Was man in diesen Begriff hineinlegen soll, ist jedoch höchst unklar. Hier sind einige Beispiele für verschiedene Auffassungen des Begriffs: (1) Traditionell handelt es sich um Theologie. Aber wenn man den Sektenbegriff nur vom Standpunkt der Lehre aus betrachtet, hat man es den Theologen überlassen zu definieren, was Sekten sind und was nicht. Das überdeckt auch den Umstand, dass es innerhalb der westlichen christlich inspirierten Kultur, nicht zuletzt hier in Norwegen, eine Geschichte mit einer Reihe von Uneinigkeiten darüber gibt, was man als „die gesunde Lehre“ auffassen soll und wo die Grenze zu sektiererischen Abweichungen verläuft. (2) Das Große Norwegische Lexikon (1989) besagt, es handle sich um eine Gruppe, die aus einer etablierten Glaubensgemeinschaft ausgebrochen ist. Aber viele bekannte etablierte religiöse Organisationen waren zu Beginn ebenfalls eine Ausbrechergruppe. Das gilt sowohl für den Islam als auch für das Christentum, die sich damals beide als Ausbrecher definierten, weil sie meinten, die etablierte jüdische Glaubensgemeinschafthabe nicht das richtige Verständnis des Alten Testaments und des Willens Gottes. Ein anderes Problem ist, dass nicht alle Glaubengemeinschaften, die ansonsten von der Bevölkerung als Sekten betrachtet werden, notwendigerweise Ausbrechergruppen waren. (3) Sekten wurden auch als kleine Gruppen von Menschen aufgefasst, die mit ihren eigenen seltsamen religiösen Interessen für sich selbst leben. Diese Definition schließt größere Bewegungen und Organisationen aus, aber sie schließt gleichzeitig das Klosterwesen mit ein, das ansonsten von der Bevölkerung nicht als sektiererisch aufgefasst wird. (4) Ottosson (1997) behauptet zum Beispiel, Autokratie und Fundamentalismus seien zentrale Kennzeichen von Sekten. Es ist auch üblich, auf Gruppen mit anderen Zügen hinzuweisen, die ebenfalls negativ belastet sind, zum Beispiel wenn sie von milieumäßiger, gedanklicher oder gefühlsmäßiger Kontrolle, Autokratie, Uniformierung, Perfektionismus, charismatischer Leitung, dichotomischer Einteilung von Menschen, autoritärer rhetorischer Dogmatik, Rigidität, Extremismus, Marginalität, Fundamentalismus, Kategorisierung und/oder Missionierung geprägt sind. (5) Manche verweisen auch auf Gruppen, die mit grundlegenden und allgemein akzeptierten Prinzipien in unserer Gesellschaft oder mit den Menschenrechten der Vereinten Nationen brechen, zum Beispiel mit Respekt, Freiheit und Gleichwertigkeit. Da man aber die Menschenrechtskonventionen im Zuge eines kulturrelativistischen Denkens als ein Produkt westlicher modernistischer Strömungen verstehen kann, wird eine solche Definition alle kulturellen Gegenbewegungen umfassen, die kein Teil der westlichen Kulturtradition sind. (6) Bei einzelnen Gelegenheiten haben norwegische Politiker den Begriff beim Gespräch über so genannte „Sektenschulen“ benützt, und zwar mit Hinweis auf zum Beispiel solche mit Zungenreden (Gunnestad, 2006) und „geschlossene Milieus“.

 

In den USA verläuft eine Diskussion über die Anwendbarkeit des Inhalts des Begriffs „cult“, der oft auf dieselbe Weise verwendet wird wie bei uns der Begriff „Sekte“. Langone (1999), der die International Cultic Studies Association (früher AFF - American Family Foundation) vertritt, meint, dass die Schwierigkeiten, welche Religionssoziologen in den letzten 20 Jahren mit dem Ersatz des diffusen „cult“-Begriffs durch „neureligiöse Bewegungen“ und „alternative religiöse Glaubensgemeinschaften“ hatten, andeuten, dass diese wieder zu Ehre und Wertschätzung gelangen würde, unter der Voraussetzung, dass man sich genügend Zeit nimmt, diese hinreichend zu präzisieren, aber gleichzeitig vermeidet, die Anforderungen so groß werden zu lassen, dass der Begriff seine praktische Anwendbarkeit verliert. Außerdem behauptet Langone, dass es für andere of schwierig ist zu verstehen, was man mit neureligiösen Bewegungen meint, wenn man nicht auf den Kultbegriff hinweist. Saliba (2003) meint seinerseits, dass AFF hier zu nuanciert wird, indem sie behauptet, den Ausdruck „cult“ nicht auf neutrale Weise zu verwenden, sondern hingegen das Augenmerk einseitig auf die Problemseiten lenkt.

 

Ich selbst habe früher gemeint, der Begriff „Sekte“ habe ebenso wie der Begriff „Kult“ Relevanz in fachlichem Zusammenhang (Totland, 1998), aber ich muss nun einsehen, dass dies in Wirklichkeit nicht haltbar ist. Dafür gibt es mehrere Gründe. (1) Es gibt keine objektiven Kriterien dafür, was man einer solchen Definition zugrunde legen soll, (2) Man unterstützt Vorstellungen, dass man über ein Phänomen spricht, das auf neureligiöse Bewegungen beschränkt ist und das es in anderen Gruppen, die sich auf Religion, Weltanschauung oder Politik beziehen, nicht gibt. Es sollte darauf hingewiesen werden, dass man in den letzten 2 Jahren in den USA eine wachsende Tendenz festgestellt hat, den Kultbegriff weniger auf religiöse Gruppen zu beziehen (Rudin, 2002). (3) Der Sektenbegriff ist analytisch gesehen ohne besonderen Wert. Er ist eine soziale Konstruktion, die in geringem oder keinem Maß irgendeinen genuinen Einblick in die konkreten Mechanismen ermöglicht, die der Ausübung des Glaubens der einzelnen Gemeinschaften zugrunde liegt. Wenn man die tatsächlichen Eigenschaften und die innere Dynamik aufdecken will, dann wird es ohnehin mehr empirischer Studien und einer näheren Analyse der sozialen und psychologischen Mechanismen bedürfen, welche die Menschen innerhalb und außerhalb dieser Milieus steuern. (4) Wenn man die Absicht hat, einen Dialog mit neureligiösen Bewegungen in Gang zu bringen, dann ist es nicht zweckmäßig, über sie gleichzeitig mit solch negativ geladenen Worten zu sprechen.

 

Aber auch wenn der Sektenbegriff in fachlichem Zusammenhang wenig anwendbar ist, so bleibt es doch wichtig, zwischen dem analytischen und fachlichen Verständnis des Begriffs und dem zu unterscheiden, wie dies als Teil der sozialen Wirklichkeit des Volkes existiert. Damit wird das Studium der verschiedenen Auffassungen des Volkes von „Sekten“ in Verbindung mit neureligiösen Bewegungen für sich selbst etwas, was für Forscher interessant sein sollte. Was ist der Grund dafür, dass sich diese Bezeichnung in der Bevölkerung als so lebenstüchtig erwiesen hat? Man kann leicht verstehen, dass die Bevölkerung eine einfache Methode finden möchte, ein komplexes Phänomen zu kategorisieren, indem man auf einen bereits bekannten Begriff hinweist. Aber warum an einem negativ geladenen Begriff festhalten? Eine mögliche Erklärung dafür könnte sein, dass neureligiöse Gruppen unverständlich, fremd und bedrohlich wirken können, und dass man sich dann eben dazu entschließt, die „Furcht vor dem Unbekannten“ zu handhaben, indem man ihm negative Eigenschaften zuschreibt (Kilbourne & Richardson, 1986). Dass solche Gruppen bedrohlich wirken können, kann damit zusammenhängen, dass sie eine allumfassende Wahrheitsalternative darstellen. Es kann auch damit zusammenhängen, dass ihre Existenz ein Bewusstwerden von Eigenschaften bei einem selbst hervorruft, in denen man sich möglichst nicht wieder erkennen möchte. Projektion kann dann eine Methode sein, die Aufmerksamkeit von eigenen unerwünschten Haltungen abzulenken.

 

Der Sektenbegriff ist meiner Meinung deshalb in fachlichem Zusammenhang nur soweit nützlich, als man das tatsächliche Verständnis der Akteure von dem studiert, was sie as reales soziales Phänomen auffassen, das sie als Sekte oder Sektierertum klassifizieren. Sollte man den Begriff dennoch in fachlichem Zusammenhang benützen, so ist es umso wichtiger, zu erklären, wie man den Begriff benützt.

 

Was kennzeichnet neureligiöse Bewegungen?

 

Mikaelsen (2005) behauptet ausgehend von einer soziologischen Perspektive, neureligiöse Bewegungen seien als Systeme aufzufassen, die eine spezielle Überlebensstrategie anwenden, um mit ihren Besonderheiten in einer Welt leben zu können, die sie darin nicht unterstützt. Weitere Versuche zu beschreiben, was neureligiöse Bewegungen kennzeichnet, wird jedoch immer eine Vereinfachung sein, entweder weil die Beschreibung nicht notwendigerweise für alle neureligiösen Bewegungen gilt, oder weil man Mechanismen beschreibt, die es sowohl in religiösen Gruppen als auch in nichtreligiösen Gruppen gibt.

 

Eine Art zu beschreiben, was allgemein neureligiöse Bewegungen kennzeichnet, kann es sein, den Gründer der Bewegung, den Propheten, ins Auge zu fassen. Der Ausgangspunkt ist der, dass dieser Prophet eine Art von kognitiver Dissonanz erlebt. Eine solche Dissonanz kann durch ideenmäßige Inkonsequenzen in einer religiösen Bewegung bedingt sein, zum Beispiel „wir kann man behaupten, dass Gott die Liebe ist, wenn er gleichzeitig eine Hölle erschaffen hat?“ (was der Ausgangspunkt für die Siebenten Tags Adventisten und die Zeugen Jehovas ist), oder durch ideenmäßige Inkonsequenzen in der Gesellschaft, zum Beispiel „wie kann eine Gesellschaft in moralischem Verfall trotz Normen für das Gegenteil leben?“. Einzelne Menschen erleben diese Dissonanz unbehaglicher als andere und versuchen mit ungewöhnlicher Intensität, sowohl in ihrem persönlichen Leben als auch in der sonstigen Welt eine Antwort zu finden. Das Ziel dessen ist es, bei sich selbst und in der Gesellschaft eine moralische Neuorientierung zu finden (Burrige, 1969, S. 162). Wallace (1956) benützt hier den Begriff „revitalization movements” als Synonym für neureligiöse Bewegungen und erklärt ihre Entstehung auf folgende Weise: "With a few exceptions, every religious revitalization movement with which I am acquainted has been originally conceived in one or several hallucinatory visions by a single individual. A supernatural being appears to the prophet-to-be, explains his own and his society's troubles as being entirely or partly a result of the violation of certain rules, and promises individual and social revitalization if the injunctions are followed and the rituals practiced, but personal and social catastrophe if they are not”. Foster (2007) hat auch eine eigene Erörterung darüber, was die prophetische Leiterschaft kennzeichnet. Er behaupte, dass es in dieser Gruppe nicht ungewöhnlich ist, Personen mit manisch-depressiven Zuständen zu finden, und begründet dies unter anderem ausgehend von mehreren Beispielen von Prophetengestalten mit solchen Zügen. William James nimmt dies auch auf in seinem klassischen Buch The Varieties of Religious Experience: A Study in Human Nature. Die Gruppe, die James hier „religiöse Genies“ nennt, haben ein religiöses Engagement und eine Intensität, die über das Normale hinausgehen. "Religion exists not as a dull habit, but as an acute fever." (S. 24) Und weiter: ”They have known no measure, been liable to obsessions and fixed ideas; and frequently they have fallen into trances, heard voices, seen visions, and presented all sorts of peculiarities which are ordinarily classed as pathological. Often, moreover, these pathological features in their career have helped to give them their religious authority and influence” (S. 24). Foster (2007) hat auch eine Hypothese, dass Menschen mit verschiedenen Formen von Manien in besonderem Maße fähig sind, sich selbst und andere davon zu überzeugen, dass ihre Einsicht direkt von Gott oder von entsprechenden geistigen Kräften inspiriert ist. Oder wie James es ausdrückt: "If there were such a thing as inspiration from a higher realm, it might well be that the neurotic temperament would furnish the chief condition of the requisite receptivity."

 

Wie soll man eigentlich solche Phänomene verstehen? Man kann solche „geistige Kreativität“ in Form von prophetischen Offenbarungen ausschließlich als „psychisches Problem“ der Person und als ein Problem für die Gesellschaft betrachten und sich mit Wallace einig erklären, der ihre Erlebnisse als „halluzinatorisch“ beschreibt. Man kann wie James solche Reduktionismen vermeiden und Phänomene beschreiben, ohne Stellung dazu zu nehmen, welche geistigen Realitäten dahinter liegen könnten, und behaupten, die Betreffenden hätten das Recht, das zu behaupten, woran sie glaubten. Man kann solche Prophetengestalten auch als etwas sehen, das „wohl oder übel“ immer ein Teil unserer Kultur sein würde und das mit seinen positiven Seiten der Kultur neue, erfrischende und positive Perspektiven zuführe. Eine Parallele dazu sind Untersuchungen, die darauf hindeuten, dass kreative Künstler wie Verfasser, Novellisten und Dichter einen größeren Anteil psychischer Probleme haben, und da vorzugsweise manische und depressive Zustände. Foster meint hier, wir sprächen über dasselbe Phänomen wie bei den religiösen Propheten. Und bei diesem Phänomen handelt es sich darum, dass man kreative Prozesse als Reaktion auf Stress (kognitive Dissonanz) betrachten kann, die kognitive Auflösung (Fragmentierung) mit nachfolgendem Bedarf an Reorientierung mit sich bringen. Unterwegs ist man mental gesehen aus dem Gleichgewicht, aber das „verbessert“ sich wieder, wenn man kognitive Resonanz erreicht und reorientiert ist. Wenn man dies hingegen nicht erreicht, können das Ergebnis ernstere mentale Leiden sein. Als Zusammenfassung beschreibt Foster die Prophetengestalt so (S.14): ”Even more than in other types of artistic creativity, religious creativity shows what a fine line separates insanity and social disorganization from ecstasy and the highest visionary reorganization of the individual and society. The prophet, as Kenelm Burridge suggests, is both a dangerous and a necessary person, an adventurer who puts himself at risk in order to try more fundamentally than the average person to make sense of his confusing world. As Burridge notes (s. 162): "It is not appropriate to think of a prophet as reduced in size to a schizophrene or a paranoid, someone mentally sick. In relation to those to whom he speaks a prophet is necessarily corrupted by his wider experience. He is an ‘outsider,’ an odd one, extraordinary. Nevertheless, he specifically attempts to initiate, both in himself as well as in others, a process of moral regeneration."

 

Was ist dann die Folge, wenn sich neureligiöse Bewegungen auf der Grundlage solcher Prophetengestalten bilden? Eine übliche Folge, wie ich es sehe, ist religiöses Elitedenken. Elitedenken bedeutet eine Vorstellung, dass die Gruppe, der man angehört, auf irgendeine Weise eine A-Klasse repräsentiert, die sich über andere Gruppen von Individuen erheben kann. Ein solches Elitedenken kennen wir gut aus politischen Zusammenhängen (zum Beispiel Faschismus) und von verschiedenen kulturellen Gruppen und Nationen, die sich für anderen überlegen halten. Solches Elitedenken ist in seinem Wesen antihumanistisch und respektlos, weil es die Gleichwertigkeit der Menschen leugnet. In religiösem Zusammenhang kann sich Elitedenken dadurch zeigen, dass die religiöse Gruppe meint, sie habe im Gegensatz zu anderen Gruppen eine besondere Kenntnis, Lehre, Idee, Einsicht, Vision, Kompetenz oder Offenbarung entdeckt, und sie habe aus diesem Grund das Recht, sich selbst für deren exklusiven Vertreter und Vermittler zu halten. Mit anderen Worten: „Wenn Gott uns dies geoffenbart hat (Oder: „Wenn es nur uns gelungen ist, dies zu entdecken“), dann muss dies bedeuten, dass es mit uns eine besondere Bewandtnis hat – in positivem Sinn“.

 

Solche Vorstellungen werden gerne auch legitimiert durch (1) Inkludieren oder Exkludieren einzelner sozialer Kategorien in Bezug auf die Umgebung („wir und sie“), (2) Herausforderung einer konventionellen Lehre durch den Gebrauch von rhetorischer Dogmatik und Dichotomisierung, (3) Bewegung zu den Extremen sozialer Integration entweder durch Isolation oder durch direkten Konflikt mit der etablierten Gesellschaft (Brekke, 2004), (4) Begründung des eigenen Standpunktes aus den eigenen Referenzen („Unsere Schriften zeigen, dass Gott uns nun in diesen letzten Zeiten auserwählt hat, um …..“usw.), (5) Annahme äußeren Widerstands zur eigenen Existenzberechtigung, und (6) Definition anderer Gruppen als nichtlegitim. Andere religiöse Gruppen oder allgemein andere Menschen müssen dann als unreif, minderwertig, unaufgeklärt, abweisend, abgefallen, falsch, verblendet oder teuflisch aufgefasst werden, und manche danken Gott, dass sie selbst nicht so sind wie andere Menschen/Religiöse/Christen. Ferner versteht sich die Gruppe als Vertreterin des „einzigen Gültigen“, des „Übergeordneten“ oder der „eigentlichen Wahrheit“, und die Mitgliedschaft in der Gruppe wird eine Voraussetzung dafür, an diesem „Geheimnis“ teilzunehmen. Die Folgen solcher Perspektiven für die Mitglieder können vielfältig sein: Einige, aber nicht alle, legen dies ihrer ganzen Existenz und allen ihren Entscheidungen zugrunde. Einige sehen auf diese Offenbarung und Verpflichtung mit Freude und Enthusiasmus: Sie „wissen“ etwas, was andere nicht wissen, sie sind von Gott selbst dazu auserwählt, in diesem Großen Heilsplan zentrale Akteure zu sein, und wurden „zu einem Teil der Lösung und nicht zum Problem“ in der Welt. Überdies können sie einem unbeschreiblichen Ruhm und einer ebensolchen Ehre im Jenseits entgegensehen, wenn sie sich verpflichten. Andere wieder können, auch wenn sie eine gewisse Freude über das erleben, was sie „wissen“, gleichzeitig die Verpflichtung und den Gehorsam Gott gegenüber als eine schwere Bürde erleben, die man nicht befolgen kann, und ständig eine Furcht vor der Verdammnis im Jenseits haben, wenn sie den Willen Gottes nicht (gut genug) befolgen. Einige verdrängen die eigene Fähigkeit zu Reflexion und Analyse, indem sie jede Form von Andeutung vermeiden, dass die Gruppe, der sie angehören, nicht „vollkommen“ sei. Und einige behaupten, die religiöse Wirklichkeit, die sie erlebten, könne man nicht von ihren eigenen Erlebnissen und deren Auslegung trennen, sie vertreten so genannte ego-syntone Auffassungen. Wormnes (1981, S. 188) sagt dazu: „Ego-syntone Fehlauffassungen werden oft von Klienten dazu benützt, um sich selbst und ihre Umgebung zu tyrannisieren. Manchmal erhalten sie einen ideologischen Charakter und werden dann die Richtschnur für das Leben der Person. Watzlawick (1976) geht so weit, einen solchen ideologischen Gebrauch seiner eigenen Realität als direkt gefährlich zu beschreiben. Er sagt: „It becomes more dangerous if it is coupled with the missionary zeal to enlighten the rest of the world, whether the rest of the world wishes to be enlightened or not“ (Watzlawick, 1976, S. 8).

                                               

Für Fachleute, die den Sektenbegriff benützen wollen, ist es nicht ungewöhnlich, auf religiöses Elitedenken als eine zentrale Eigenschaft hinzuweisen (Hutten, 1957; Lifton, 1961; Hoekema, 1972; Wallis, 1990; Gustavsson, 1991). Und Wilson (1990) entscheidet sich dafür, sektiererische Glaubensgemeinschaften als Gruppen zu definieren, die in einem Spannungsverhältnis zu traditioneller Religion und der übrigen Gesellschaft leben, und erwähnt Exklusivität und Monopol auf die Wahrheit als zwei von sieben zentralen Kennzeichen.

 

Es gibt auch, wie ich es sehe, einige Beispiele aus Norwegen für christentumsinspirierte Gruppen, die zunächst andere ebensolche Gruppen respektieren und die eine theologische Grundansicht vermitteln, die bewirkt, dass sie ohne Schwierigkeiten von den etablierten christlichen Organisationen akzeptiert werden, die aber gleichzeitig ein Profil haben, in dem sie ausgehend von der eigenen Einsicht oder so genannten Spitzenkompetenz in Wirklichkeit sich selbst als religiöse Elitegruppe sehen.

 

Manchmal ist es offensichtlich, dass es solche Gruppen gibt. Manche verhehlen nicht, dass sie eine religiöse Elitegruppe in der Gesellschaft darstellen, dass ihre Gemeinschaft von Gott auserwählt ist, dass die Grundlage für ihre Tätigkeit die einzigartigen Offenbarungen des Gründers sind, dass sie heiliger sind als andere religiöse Gruppierungen, dass nur sie wissen was wahr ist, dass nur sie berichten können, was Gott „eigentlich“ meint (Bakkevig, 2005), oder dass nur sie die ursprüngliche und authentische Version der Religion darstellen. Andere Male ist dies nicht ebenso offensichtlich. Es gibt zum Beispiel Glaubensgemeinschaften, die sich mit einer inkludierenden Lehre profilieren, während gleichzeitig Außenstehende behaupten, dass sie in Wirklichkeit exkludierend sind (zum Beispiel Bahá’i). Außerdem sind im Prinzip alle Gruppen ständigen Änderungsprozessen sowohl nach innen als auch nach außen unterworfen. Ein Beispiel dafür sind die so genannten Wiedertäufer, die im 16. Jahrhundert aktiv waren und die ihr Augenmerk auf Nächstenliebe, Freigebigkeit und Hilfsbereitschaft richteten, während sie versuchten, mit der Welt möglichst wenig zu tun zu haben, die aber später diametral umschlugen, mit der Großgesellschaft in Konflikt gerieten und sich selbst als Akteure im kosmischen Kampf zwischen dem Gute und dem Bösen sahen (Brekke, 2004). Es gibt auch Beispiele von Gruppen, die behaupten, sich in eine eher moderate Richtung zu bewegen. Ein Beispiel dafür ist Enevald Flåten, der Leiter des „Levende Ord“ („Lebendiges Wort“) in Bergen, der in einem Interview in Vårt Land vom 17.07.97 (S.16) berichtet, dass er bereut, andere kritisiert und behauptet zu haben, das Lebendige Wort habe die einzige Wahrheit gefunden. „Das Dümmste, das ich je getan habe, ist ganz klar, andere zu kritisieren, zu sagen ‚Wir haben es, die anderen sind nur religiös’. Das reut mich am meisten.“ Entsprechend sagt auch der Leiter des Oslo Kristne Senter (Osloer christlichen Zentrums) Åge Åleskjær in Vårt Land (03.01.06, S. 14) in einem Interview mit der Überschrift „Runder in den Ecken“: „Wir waren wohl zu Beginn in der Verkündigung viel aggressiver. Wir waren so sehr davon überzeugt von dem, was wir taten, dass wir fast sektiererisch wurden. Das erzeugte beim Zusammentreffen mit anderen Christen einige Spannungen, obwohl wir in unsere Beschlüsse einen Punkt aufgenommen hatten, dass wir gute Beziehungen zu anderen Christen haben sollten.“ Gleichzeitig stellt Vårt Land redaktionell (04.01.06 S. 2) unter der Überschrift „Bereuende Sünder?“ die Frage, wieweit diese Kursänderung eigentlich reicht. Andere Gruppen sind wieder schwerer einzuordnen, weil sie im Lauf der Zeit von dem einen zu dem anderen Standpunkt wechseln. Ein Beispiel dafür, das auf eigenen Beobachtungen beruht, ist auch das folgende: Eine religiöse Gruppe etabliert sich ausgehend von einer Person, die behauptet, eine Vision und eine Aufgabe von Gott erhalten zu haben, um anderen Menschen diese Vision nahe zu bringen und mit anderen zusammen zu arbeiten, die diese Vision vielleicht von früher her haben. Die Gruppe entdeckt dann, dass es unter Außenstehenden so viel Unwissenheit über diese Vision gibt, dass sie den Schluss ziehen, ihre Gruppe müsse von Gott speziell auserwählt sein, um diese Vision zu vermitteln, und man müsse sich ihrer Gruppe anschließen, um diese Vision zu erfassen. Mit der Zeit führt diese Einstellung jedoch zu internen Streitigkeiten. Einige entdecken, dass andere dennoch ebenfalls diese Vision haben, und werden deshalb moderater, während andere mit Glaubensgemeinschaften in Konflikt kommen, die wegen der ausschließenden Haltung der Gruppe eine Zusammenarbeit verweigern. Dies führt dazu, dass die Gruppe polarisiert und gespalten wird. Wegen der früheren Identität in der Gruppengemeinschaft oder aus anderen Gründen entwickelt sich mit der Zeit eine vollständige oder teilweise Versöhnung. Die Gruppe entscheidet sich dafür, ihre Beschlüsse auf eine einschließendere Weise zu definieren, indem sie ihre kategorischen Grundsätze abschwächt, indem sie diese Räte nennt, während einige radikale Elemente es vorziehen, sich zurückzuhalten, ohne ihr religiöses Elitedenken eigentlich aufzugeben.

 

Fachliche Perspektiven

 

Die bestehenden Gegensätze zwischen den neureligiösen Bewegungen und dem etablierteren Teil der Gesellschaft können von verschiedenen Perspektiven aus verstanden werden: In einer theologischen Perspektive ist die Rede von einem Kampf zwischen Wahrheit und Unwahrheit und dem Beachten von Subkulturen, die lehrmäßige Abweichungen vermitteln. Vom religiösen Standpunkt aus gab es daher lehrmäßige Kritik an christlich inspirierten neureligiösen Bewegungen (Anker-Goli, 1950; Hoekema, 1972; Martin, 1980). Zunehmende psychologische Kenntnisse haben auch zu stärkerer Beachtung lehrmäßiger besonderer Kennzeichen geführt, von denen man meint, sie können mentale Probleme verursachen, zum Beispiel dass die Konzentration auf den Weltuntergang zu Angst und dass Feindschaft gegenüber Nichtmitgliedern zu Einsamkeit führen kann, dass Dämonisierung paranoide und psychotische Zustände herbeiführen kann und dass die Forderung nach Unterwerfung und absolutem Gehorsam zu Ichschwäche führen kann.

 

Eine soziologisch-anthropologische Perspektive des Studiums neureligiöser Bewegungen wird ihren Ausgangspunkt darin als kulturelles Phänomen nehmen. Beckford (1985) sieht neureligiöse Bewegungen als Subgruppen, die kulturelles Kapital von klassischen religiösen, politischen und humanistischen Bewegungen zu dem Zweck beziehen, um sich Legitimität und Macht in der Gesellschaft anzueignen, und die als marginale Subkulturen zu betrachten sind, die in mehr oder minderem Maß mit der übrigen Gesellschaft in Konflikt stehen. Rothstein (2001) behauptet, neureligiöse Bewegungen unterschieden sich von anderen religiösen Bewegungen dadurch, dass sie oft Minderheitsreligionen sind, dass sie Elemente aus traditionellen Religionen herauslösen und diese in Übereinstimmung mit den eigenen Wünschen und Voraussetzungen uminterpretieren, und dass sie idealistische Ziele auf eine Weise verfolgen, die bewirkt, dass sie ohne Proportion im Verhältnis zur sozialen und politischen Wirklichkeit sind. Mikaelsen (2005) behauptet, dass solche Gruppen entstehen und sich entwickeln, zum Beispiel unter der Annahme, dass solche Gruppen strategisch errichtet werden, damit das System mit seinen besonderen Kennzeichen in einer Welt überleben kann, die diese besonderen Kennzeichen nicht unterstützt.

 

Es ist auch denkbar, dass man Eigenheiten in neureligiösen Bewegungen in jener Kultur wieder erkennen kann, zu der sie eigentlich eine Alternative sein sollten. Ein Beispiel dafür kann sein, dass man auf die narzisstischen Züge der Gegenwartskultur damit reagiert, dass man eine Alternative vorstellt, die – paradox genug – auch viel mit Personenverehrung zu tun hat. Andere aktuelle Standpunkte sind, die Entstehung solcher Gruppen als eine Form von Reaktionsbildung aus einer These-Antithese-Perspektive heraus anzusehen, wie ihre Tätigkeit durch Einbürgerung legitimiert wird, wie sich solche Gruppen verkaufen, die innere Dynamik der Gruppe, ökonomische und soziale Strukturen, Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen allgemein ein Gruppenmitglied zu werden im Vergleich zu religiösen Gruppen und insbesondere neureligiösen Gruppen, wie symbolische und nichstsymbolische Gewalt legitimiert wird, wie Meinungen konstruiert und institutionalisiert werden und sich als etablierte Normen und Traditionen darstellen, und wie Macht und Autorität entsteht, zum Beispiel wie Dominanz in solchen Gruppen legitimiert wird und wann man als Vermittler göttlicher Autorität identifiziert werden kann.

 

Wie man nichtsymbolische Gewalt legitimiert, wurde zum Beispiel von Brekke (2004) dadurch beschrieben, dass starke Erwartungen auf einen einleitenden Krieg vor den kommenden Umwälzungen der Weltordnung mit nachfolgender Ordnung und Harmonie (Milleniarismus) eine Auffassung erzeugen, dass man in einem apokalyptischen Szenario eine Rolle zu spielen hat und dass man es als seine Aufgabe betrachtet, in dem Krieg auf der richtigen Seite teilzunehmen, um den Verlauf der Ereignisse zu beschleunigen. Solche „heilige Kriege“ haben Brekke zufolge durch die Geschichte der Menschheit eine blutrote Spur hinterlassen. Ferner kann man Mechanismen studieren, die man mit dem Bedürfnis der Gruppe, ihre Besonderheiten und ihre Identität zu wahren, in Zusammenhang bringen kann, zum Beispiel in Verbindung mit dem, was an rituellem Verhalten im dem Prozess geschieht, bis man ein vollwertiges Mitglied geworden ist (Gennap, 1960; Melton & Moore, 1982).

 

Man kann auch studieren, was im Zusammenspiel zwischen der Gruppe und der Umgebung geschieht und wie dies die Gruppe beeinflusst, zum Beispiel welche Folgen es hat, wenn die Gruppe Grenzen zwischen „wir“ und „den anderen“ konstruiert, oder die Umgebung Grenzen zwischen „denen“ und „wir anderen“ konstruiert (Brekke, 2004), verschiedene Kompensierungen, die in einer Gruppe in die Tat umgesetzt werden, die zu instabil ist, um ihre Identität und Vision bewahren zu können, und daher zu verschiedene Kompensierungen Zuflucht nehmen muss. Man kann auch studieren, wie solche „Griffe“ von der Umgebung gedeutet werden. Zum Beispiel können Außenstehende zunehmende Forderungen nach Konformität, Gleichschaltung und Unterordnung als destruktive milieumäßige, gedankliche und gefühlsmäßige Kontrolle auffassen. Andere Themen können sein: Was kennzeichnet die Leiter in solchen Gruppen, und was kennzeichnet die Mitglieder. Ferner: Was kennzeichnet Personen, die sich zu solchen Bewegungen leicht rekrutieren lassen. Was kennzeichnet Personen, die sich zu solchen Bewegungen nicht leicht rekrutieren lassen? Was ist nötig, dass ein Mitglied seine Mitgliedschaft beendet? Gibt es einen Unterschied zwischen Mitgliedern oder ehemaligen Mitgliedern, die in die Gruppe hinein rekrutiert wurden, im Vergleich zu jenen, die in der Gruppe aufgewachsen sind? Und gibt es einen Unterschied zwischen Gruppen, die von Menschen geleitet werden, die von der Legitimität ihres Anliegens „heilig überzeugt“ sind, und Gruppen, die von Menschen geleitet werden, die sich dessen bewusst sind, dass die behauptete Offenbarung, die man selbst verkündet, nur eine theologische Konstruktion ist und das Ganze sich eher um eine bewusste Strategie dreht, um sich symbolische und/oder ökonomische Macht anzueignen? Das sind Themen, die auch für unsere Fachgruppe relevant sind.

 

Für die Psychologie ist es natürlich wichtig, sich auf die mentale Gesundheit zu konzentrieren. Hier sind einige Beispiele für aktuelle Probleme: (1) Gibt es bestimmte Formen psychischer Leiden, die bei Mitgliedern und ehemaligen Mitgliedern neureligiöser Bewegungen häufiger sind als sonst in der Bevölkerung? Was ist zum Beispiel mit dissoziativen Störungen? Zufolge DSM-III-R (1987) werden mentale Leiden in Verbindung mit Indoktrination durch religiöse Sekten als Beispiel für nichtspezifizierte dissoziative Leiden genannt (Ottoson 1993; 1997). (2) Gibt es einen Unterschied zwischen Mitgliedern und ehemaligen Mitgliedern, die von einer Bewegung angeworben wurden, und solchen, die „hineingeboren“ wurden? (39 Gibt es dort mehr oder weniger psychische Leiden als sonst in der Bevölkerung? (4) Was ist die Ursache dafür, dass sie psychische Leiden haben? Ist es die Selbstselektion von Personen mit Disposition für mentale Leiden, zum Beispiel von Personen mit besonderem Bedürfnis, sich unterzuordnen und sich an Autoritätspersonen zu „binden“? Ist die Rede davon, dass die Glaubensgemeinschaft durch ihr Angebot bestimmte psychische Leiden hervorruft? Und wenn ja, welche Seiten ihres Angebots können zu psychischen Leiden führen? Oder ist es so, dass bestimmte Glaubensgemeinschaften Menschen mit bestimmten mentalen Schwierigkeiten anziehen, das heißt, ist die Rede von einem „matching“ zwischen Angebot und Nachfrage? Und was bewirkt in einem solchen Fall das „matching“? Ist es so, dass jemand, der schwächere Individuen zum eigenen Vorteil ausnützen will, seine Botschaft anpasst, um jene Individuen zu treffen, die für diese Art der Beeinflussung empfänglich sind? Oder dreht es sich um etwas, das in dem Sinn einen Wert hat, dass es menschlichen Bedürfnissen entspricht, denen andere Angebote nicht entsprechen können? (5) Was bewirkt, dass Mitglieder in einzelnen Glaubensgemeinschaften sich paradoxer Weise weigern können, sie zu verlassen, oder zu diesen zurückkehren, die offenbare destruktive Züge haben, sogar wenn dies vom Mitglied selbst bestätigt wird? (6) Viele dieser Gruppen stellen nicht nur eine religiöse Alternative dar, sondern auch eine alternative Form von sozialer Zugehörigkeit, oft auch mit einer herausfordernden Haltung zur übrigen Gesellschaft. Ist es denkbar, dass es an diesen Gruppen Seiten gibt, von denen die übrige Gesellschaft etwas lernen kann? Was ist zum Beispiel mit stabilen Familienbeziehungen (Werner & Smith, 1982, besprochen in Sommerschild & Grøholt, 1989) und anderen gesundheitsfördernden Faktoren (Antonovsky, 1979)?

 

Hier kann die Psychologie mit Kenntnissen aus Objektrelationstheorie, Ich-Bildung, narzisstischen Bedürfnissen, Verteidigungsmechanismen, kognitiven Funktionen, Sozialisierungsprozessen, sozialem Zusammenspiel, Recilience-Faktoren und Salutogenese viel beizutragen haben. Aber gleichzeitig gilt: Die so genannte Kompetenz, die wir haben, ist ein Teil jener konstruierten Theorien und Kategorien, die alle auf einer westlichen individualistischen, humanistischen und demokratischen Sicht vom Menschen aufbauen. Bei der Begegnung mit Menschen aus anderen Kulturen, teils auch bei der Begegnung mit unserer eigenen Kultur, können solche Konstruktionen ihre Begrenzungen haben, zum Beispiel bezüglich der Ansicht, wie wichtig es ist, dass eine Person seine Identität auf einer kollektiven Zughörigkeit aufbaut oder nicht. Ebenso müssen wir auch Verständnis dafür aufweisen, dass Menschen, die mit unseren Augen gesehen sich in einem Zustand befinden, der von Kontrolle, Übergriffen und / oder Manipulation geprägt ist, gleichzeitig über ihren Zustand „glücklich unwissend“ sein können, und wir müssen uns selbst fragen, zu welchem Zweck und mit welchen Recht wir sie aus diesem Zustand herausbringen wollen.

 

Studien neureligiöser Bewegungen

 

Unter christlich inspirierten Gruppen wurden einige Studien durchgeführt, die sich darauf konzentrierten, ob die Mitgliedschaft oder ehemalige Mitgliedschaft in einer neureligiösen Bewegung psychisch belastend sein könnte: (1) Swartling und Swartling (1991) befragten eine Gruppe von 43 ehemaligen Mitgliedern der Bibelschule des Wort des Lebens in Uppsala. Sie fanden, dass Angst, Schuldgefühle und emotionelle Störungen üblich waren, dass fast die Hälfte psychoseähnliche Symptome hatte und dass jeder Vierte der Gruppe nach beendeter Mitgliedschaft einen Selbstmordversuch verübt hatte. (2) Fosheim und Aarnes (1993) schlossen auf Grund von Befragungen von 20 ehemaligen Mitgliedern fortschrittstheologischer Gemeinden in Norwegen und Schweden, dass die meisten von ihnen Schwierigkeiten verschiedener Art wie Depressionen, Trauer, Schlafstörungen und Konzentrationsschwierigkeiten hatten und dass die Sekten- und Kultbeeinflussung eine von mehreren möglichen Ursachen sein könnte. (3) Weishaupt und Stensland (1997) untersuchten eine Gruppe von 20 ehemaligen Mitgliedern der Zeugen Jehovas, die Fragen beantworteten, in welchem Maß sie Fehlen von Gruppenkontrolle erlebten, als sie bei den Zeugen Jehovas waren, ob sie erlebten, dass ihnen mit autoritären statt gleichgültigen Haltungen begegnet wurde, und ob sie emotionellen Stress erleben. Sie wurden auch gebeten, ihre jetzige Situation bezüglich der beiden letzten Variablen zu beurteilen. Als Kontrollgruppe verwendete man 16 Frauen mit einer anderen religiösen Zugehörigkeit, die zusätzlich gebeten wurden, den jetzigen Grad der Gruppenkontrolle zu beurteilen. Die Schlussfolgerung aus der Untersuchung war, dass die ehemaligen Mitglieder der Zeugen Jehovas über derzeit weniger autoritäre Haltungen und emotionelle Stresssymptome berichteten als zu jener Zeit, als sie Mitglied gewesen waren, und dass sie als Mitglieder stärkere Gruppenkontrolle erlebt hatten als jetzt die Kontrollgruppe. Alle Unterschiede waren statistisch interessant (p < .001). (4) Hassan (2000) berichtet über eine Studie von Yeakly, Norton, Vinzant & Done (1988), die unter Verwendung des Persönlichkeitsinterviews von Meyer-Briggs 800 Mitglieder der Boston Church of Christ (in Norwegen: „Kristi Forsamling“, Christi Versammlung) interviewte. Die Untersuchung ergab den Schluss, dass bei den Mitgliedern vor dem Beitritt größere Variationen der Persönlichkeitstypen vorhanden waren als nachher und dass sie zur Persönlichkeit des Leiters der Bewegung „konvergierten“. Gleichzeitige Interviews mit Mitgliedern anderer vergleichbarer und etablierterer Glaubensgemeinschaften (Katholische Kirche, Baptisten, Lutheraner, Methodisten und Presbyterianer) zeigten keine entsprechende Konvergenz. Hassan meint, solche Untersuchungen können darauf hinweisen, dass einzelne Glaubensgemeinschaften einen relativ starken Einfluss auf ihre Mitglieder haben können und dass dies Folgen für ihre psychische Gesundheit haben kann.

 

Studien an ehemaligen Mitgliedern ohne spezielle Rücksichtnahme auf christlich inspirierte Gruppen deuten auch darauf hin, dass diese ihre besonderen Schwierigkeiten haben können: (1) Goski (1994) nahm eine Untersuchung vor, bei der 150 vermutliche ehemalige Sektenmitglieder kontaktiert wurden, von denen 80 (53 %) antworteten und 74 bestätigten, dass sie eine religiöse Sekte verlassen hatten. Kennzeichen für diese waren: 84 % fühlten, dass sie dadurch ihre „Unschuld“ verloren hatten, dass sie geistlich vergewaltigt, benützt und betrogen worden waren, 71 % erlebten Trauer über die Zeit, die sie in der Gruppe verloren hatten, 69 % hatten den Sinn ihres Lebens verloren und 68 % hatten eine allgemeine negative Einstellung zu Religion. (2) Conway & Siegelman (1995) unternahmen einen Vergleich zwischen ehemaligen Mitgliedern und Veteranen des Vietnamkrieges. Bei 400 ehemaligen Mitgliedern aus 48 verschiedenen Sekten waren die am meisten berichteten Symptome die folgenden: Depression 75 %, Einsamkeit 68 %, Wut 68 %, Desorientierung 66 %, Gefühl von Demütigung 59 %, Schuldgefühle 59 %, nächtliche Albträume 48 %, suizidale und selbstzerstörerische Züge 35 %. (3) Langone (1990) fand in einer Untersuchung an 308 ehemaligen Mitgliedern, dass über ¾ von ihnen ihre Mitgliedschaft als schädlich oder sehr schädlich betrachteten, und sie beschrieben viele derselben Symptome wie in der Untersuchung von Conway & Siegelman. (4) Nishida & Kuroda (2003) führten eine empirische Studie an 157 ehemaligen Mitgliedern von „destructive cults“ durch und meinten folgende Hauptfaktoren zu finden: Tendenz zu Depression und Angst, geringer Selbstwert, Verlusterlebnis, Schwierigkeiten mit Freundschaft und Sozialisierung, Familienprobleme, „floating“, Furcht vor sexuellem Kontakt, gefühlsmäßige Instabilität, Tendenz zu psychosomatischen Leiden, Verdrängung der Vergangenheit, Wut gegen die Gruppe. Ferner fanden sie, dass die Tendenz zu Depression und Angst, die Tendenz zu psychosomatischen Leiden und die Verdrängung der Vergangenheit mit der Zeit schwächer wurden, nachdem sie die Gruppe verlassen und Behandlung erhalten hatten, während der geringe Selbstwert und die Wut gegen die Gruppe sich verstärkten.

 

Bei den Kliniken in den USA mit langer Erfahrung bezüglich ehemaliger Mitglieder wurde zufolge Pignotti (2000) über folgende Symptome als die häufigsten berichtet: Depression, Panikgefühle, Furcht, Phobien, Angst, nächtliche Albträume, „flashbacks“, Einsamkeit, Schuldgefühle, Schamgefühle, Trauer und Verlusterlebnisse, samt Wut und Gefühl, man sei verraten worden. Es wird dabei auf Singer 1979, Goldberg & Goldberg 1982, Hassan 1988, Goldberg 1993, Martin 1993, Tobias & Lalich 1994, Singer 1995 und Hassan 2000 verwiesen. Martin behauptet ferner, dass auch verschiedene Formen von Übergriffen häufig sind. Tobias & Lalich berichten von einer Konferenz für ehemalige Mitglieder, dass 40 % der anwesenden Frauen sich für einen Workshop entschieden, dessen Thema „Sexuelle Übergriffe gegen Frauen in Sekten“ war. Wie groß der Umfang psychischer Leiden bei ehemaligen Mitgliedern eigentlich ist, ist jedoch etwas unklar. Eine allgemeine Durchsicht aktueller Studien zeigt große Unterschiede (Sveinall, 2000). Hutchinson (1994) behauptet zum Beispiel, dass zwei Drittel der ehemaligen Mitglieder langdauernde emotionelle Probleme haben, während zum Beispiel Wright behauptet, die Medien machten die Probleme größer, als sie eigentlich sind. Galanter (1978, 1990) behauptet auch auf Grund einer Studie an Mitgliedern der Vereinigten Familie, dass jene mentalen Probleme, welche diese Mitglieder hatten, meist davon abhängig waren, wie es ihnen ging, bevor sie Mitglieder wurden, und dass Mitglied in dieser Glaubensgemeinschaft zu sein auch seine positiven Seiten habe. Es gibt auch einige Studien, die andeuten, dass ehemalige Mitglieder meditationsinspirierter Gruppen mental gesehen ein besseres Leben führen (Murphy & Donovan), während andere wieder das Gegenteil behaupten (Otis, 1985). Allgemein gibt es auch viele Zeugnisse von Menschen, die nach einer Mitgliedschaft in einer neureligiösen Bewegung behaupten, ein neues und besseres Leben erhalten zu haben.

 

Was die mentale Gesundheit der Mitglieder jener Organisationen betrifft, die Langone (1993) „cults“ nennt, so behauptet dieser mit Hinweis auf eine Reihen von Untersuchungen: (1) Die Rekrutierung hat eine Tendenz, in Perioden des Lebens statt zu finden, in denen man sich in einer Übergangsphase befindet oder auf die eine oder andere Weise unter Stress leidet . (2) Etwa 2/3 jener, die Mitglieder werden, waren vorher verhältnismäßig in Ordnung. (3) Bezüglich mentaler Gesundheit unterscheiden sich die Mitglieder nicht von der allgemeinen Bevölkerung. (4) Die Mehrzahl jener, die Mitglieder werden, treten wieder aus. (5) Ehemalige Mitglieder haben im Allgemeinen mehr mentale Probleme als die übrige Bevölkerung. Langone erörtert auch, woher es kommen mag, dass so viele Menschen, die es zunächst schwer hatten und die als Mitglied ihre psychische Gesundheit verbessern können, paradoxer Weise dennoch austreten und zusätzlich noch größere mentale Probleme bekommen? Er meint, dies hänge damit zusammen, dass viele Mitglieder eine „Pseudo-Identität“ haben, die erst dann sichtbar wird, wenn sie austreten, und dass sie als ehemalige Mitglieder es vorziehen, den Schmerz zu ertragen, statt des „Glücks“, das sie als Mitglied erlebten (”a painful truth is better than a pleasant life”).

 

Bisher waren psychologische Studien über mentale Gesundheit in Verbindung mit neureligiösen Bewegungen kein privilegierter Bereich in Norwegen – ebenso in unserem Nachbarland Schweden (Statens Offentliga Utredningar, 1998). Dafür mag es viele Gründe geben: (1) In unserer Gesellschaft gibt es eine Ideologie der Religionsfreiheit als persönliches und privates Anliegen. (2) Jene Fachgruppen (Theologen, Soziologen und Anthropologen), die bisher Mitglieder und ehemalige Mitglieder untersucht haben, haben sich mit ihrem fachlichen Hintergrund auf andere Seiten als die mentale Gesundheit konzentriert. (3) Häufiger und unkritischer Gebrauch des Begriffs mit negativ beladenem Inhalt können dazu geführt haben, dass dieser Forschungsbereich für Psychologen als wenig seriös aufgefasst wurde. (4) Die niedrige Priorität kann auch damit zusammenhängen, dass norwegische Psychologen früher wenig Interesse daran gezeigt haben, ganz allgemein religiöse Phänomene zu studieren (Larsen, 1995), ein Trend, der sich augenscheinlich nun gewandelt hat (Borgen, 2003).

 

Ein wichtiger Grund können auch, wie früher erwähnt, viele der methodischen Schwierigkeiten sein, denen Fachleute gegenüberstehen, wenn sie versuchen wollen, sich objektive Information über eventuelle Zusammenhänge zwischen neureligiösen Bewegungen und mentaler Gesundheit anzueignen. Wir werden daher näher untersuchen, auf welche Möglichkeiten und Begrenzungen jemand trifft, der sich solche Information aneignen will. Das Augenmerk wird dabei darauf gerichtet sein, welche Möglichkeiten und Begrenzungen bei der Aneignung von Information von verschiedenen Informanten und durch verschiedene Methoden es gibt.

 

Aktive Mitglieder

 

Aktive Mitglieder sind natürlich als aktuelle Informanten wichtig. Sie geben oft Ausdruck dafür, dass es ihnen mental besser geht als Nichtmitgliedern, und dass dies damit einen Zusammenhang hat, was ihre Glaubensgemeinschaft vertritt. Und da sie sich darinnen befinden, sollten auch sie es sein, die am besten sagen können, wie man das Leben in einer Glaubensgemeinschaft erlebt. Rothstein (1991) behauptet, wenn man verschiedene Gruppen verstehen wolle, dann müsse man sie von innen und von ihrer eigenen Auffassung von sich selbst verstehen. Und Jenkins (2002, S. 126) sagt es so: ”This means that an anthropologist’s ideas of "what is going on" must, at the very least, be forged in a process of dialogue with the local people whose social universe is being studied. What they think is going on must be taken seriously; it is the baseline from which we proceed”. Andreassen (1994) verweist auf eine Poliklinik im psychischen Gesundheitswesen für Kinder und Jugendliche, die aus eigener Initiative mit Vertretern der Zeugen Jehovas Kontakt aufnahm und die über nützliche und fruchtbare Informationsentwicklung berichtete. In Aalborg in Dänemark im so genannten Dialogzentrum wurden ebenfalls Versuche mit Dialogen mit Vertretern aktueller Glaubensgemeinschafen gemacht.

 

Andererseits kann ein Unterschied darin bestehen, was die Leute sagen dass sie tun und was sie tatsächlich tun. Es ist auch nicht selbstverständlich, dass Personen, die sich als Vertreter einer Gruppe darstellen, es auch tatsächlich sind. Einzelne neureligiöse Bewegungen können auch eine innere Struktur haben, die bewirkt, dass Mitglieder es nicht wagen, über ihre tatsächliche Lage zu sprechen, oder überhaupt nicht imstande sind, diese zu sehen (Weishaupt & Stensland, 1997). West (1990, S. 137) behauptet, "cults are able to operate successfully because at any given time most of their members are either not yet aware that they are being exploited, or cannot express such an awareness because of uncertainty, shame, or fear.” Viele neureligiöse Bewegungen haben auch ein missionierendes Profil. Dies kann zu einer Idyllisierung und einem Wunsch führen, sich nach außen hin als vorbildlich darzustellen. Mentale Schwierigkeiten können bagatellisiert oder verleugnet werden, weil man meint, dies könne zu Folgen bezüglich der Glaubwürdigkeit der Bewegung nach außen führen. Entsprechend können die Mitglieder auch ein Befangenheitsproblem haben, solange es in ihrem eigenen Interesse oder in jenem der Bewegung liegt, das Leben als ehemaliges Mitglied als schwieriger darzustellen, als es tatsächlich ist. Es gibt auch Beispiele dafür, dass neureligiöse Bewegungen ihre Mitglieder bitten können, nicht zu erzählen, was „drinnen eigentlich“ vor sich geht, oder in solchen Zusammenhängen es legitimieren, die Wahrheit oder Teile derselben zurückzuhalten, weile der Gruppe „als Gottes Auserwählten“ damit am besten gedient sei.

 

Man kann selbstverständlich behaupten, dass Mitglieder ein persönliches Interesse haben können, das Leben als ehemaliges Mitglied negativ darzustellen, denn sie haben Bedarf, ihre eigene Existenz zu legitimieren, und deshalb benützen sie „Schwarzmalerei“. Sie können aber auch gute Gründe haben, einen solchen Standpunkt zu vertreten. Es ist nämlich nicht so ungewöhnlich, dass ausgetretene Mitglieder zurückkommen und über ein schwieriges Leben außerhalb dieser Gemeinschaft berichten und damit eine Bestätigung dafür geben, dass jene, die sie davor warnten, die Mitgliedschaft aufzugeben, tatsächlich Recht hatten. Sveinall (2000) behauptet hier, dass Einsamkeit nach dem Austritt ein wichtiger Grund dafür sein kann, zurückzukehren.

 

Ehemalige Mitglieder

 

Bekanntlich gibt es ehemalige Mitglieder, die behaupten, sie seien in einer geschlossenen Sekte gewesen, die nach außen hin und zu Beginn fürsorglich, Vertrauen erweckend und glaubwürdig wirkte, die aber in Wirklichkeit wie eine „Eisenhand in einem Seidenhandschuh“ war. Einige ehemalige Mitglieder sehen es dann als ihre Aufgabe, diese Sekte zu entlarven (d.h. der Gruppe ihre Legitimität und ihren Einfluss zu nehmen). Es gibt von ehemaligen Mitgliedern verfasste Literatur, in der diese konkret über ihre negativen Erfahrungen berichten und kritische Kommentare zum Leben und zur Lehre der Glaubensgemeinschaft verfassen. Einige Beispiele sind hier Velten (2002), der die Smiths Freunde kritisiert, und Henriksen (2004), der die Zeugen Jehovas kritisiert. Es gibt auch Beispiel darüber, dass Personen längere Zeit hindurch zentrale Stellungen innehatten, aber dann davon Abstand nahmen, worin sie involviert waren (Franz 1983, 1991), und die versuchen, das damit zu rechtfertigen, indem sie auf eine umfassende Dokumentation hinweisen, zu der sie als ehemaliger Leiter selbst Zugang hatten. Ferner gibt es ehemalige Mitglieder zum Beispiel aus der Moon-Bewegung (Hassan, 2000) und den Zeugen Jehovas (Bergman, 1992), die dann von einem psychologischen Gesichtspunkt aus kritische Kommentare über jene Organisation verfasst haben, deren Mitglied sie einst waren. Die Glaubwürdigkeit der Aussagen ehemaliger Mitglieder wurde oft von Vertretern neureligiöser Bewegungen kritisiert (siehe zum Beispiel Furuli, Groenewald & Nedrum, 2001), denn diese würden bewusst übertreiben. Sie wurden auch von Fachleuten kritisiert (Bromley & Shupe, 1981). Die Kritik drehte sich normalerweise um Befangenheit, indem zum Beispiel behauptet wurde, die ehemaligen Mitglieder könnten persönliches Interesse haben, das Leben als Mitglied negativer darzustellen, als es tatsächlich war. Daran kann natürlich etwas Wahres sein, aber das bedeutet nicht, dass alle negativen und kritischen Aussagen ehemaliger Mitglieder irrelevant sind. Wenn außerdem ein Mitglied mit kritischen Gesichtspunkten eine Gruppe verlässt, weil es sich entschließt, trotz des internen Gruppendrucks seiner Überzeigung zu folgen, so heißt dies, dass der oder die Betreffende relativ eigenständig und überlegt handelt, sodass man zunächst einmal darauf hören sollte, was er oder sie zu berichten hat.

 

Eine Beschränkung bei der Information von ehemaligen Mitgliedern kann gegeben sein, wenn ihr selektives Gedächtnis zu einer Fälschung früherer Erlebnisse führt (Magnussen & Overskeid, 2003). Falsche Erinnerungen können außerdem ansteckend sein (Meade & Roediger, 2002). Das bedeutet, dass ehemalige Mitglieder, die viel Kontakt miteinander haben und die ihre Erinnerungen untereinander austauschen, Mythen erzeugen und entwickeln können, indem sie einander beeinflussen, sich mehr an Falsches zu erinnern, als ehemalige Mitglieder, die einen solchen Kontakt nicht haben, oder indem sie einander gegenseitig ihre Auslegungen und Visionen bestätigen. Ehemalige Mitglieder können ferner das Bedürfnis haben, Erinnerungen und Erlebnisse, die zunächst vielseitig und zusammengesetzt waren, zu vereinfachen. Manche entscheiden sich dafür, die guten alten Zeiten zu betonen, während andere auf negative Erlebnisse Gewicht legen. Das Bedürfnis für kognitive Konsonanz (Festinger, Riecken & Shachter, 1956) kann auch der Grund dafür sein, dass Erinnerungen verfälscht werden, um Übereinstimmung zwischen seinen Erinnerungen, Gefühlen, Meinungen, Auffassungen und sonstigen Kenntnissen herzustellen. Aber Erinnerungen oder deren Auslegung können auch durch „hinterher Klugsein“ verbessert werden, indem man zum Beispiel ein wachsendes Verständnis für Zusammenhänge zwischen Mitgliedschaft und persönlichen Schwierigkeiten erhält („nun beginne ich zu verstehen, wie schädlich das für mich war“) oder umgekehrt moderater und nuancierter in seinen Beurteilungen wird („aber ich hatte ja auch einige gute Erfahrungen und Erlebnisse“).

 

Dass im Namen des nachträglichen Nachdenkens viel geschehen kann, ist aus anderen ähnlichen Zusammenhängen ersichtlich. Bernt Hagtvet (2003) behauptete zum Beispiel, dass radikale Studentenpolitiker in den Siebzigerjahren in die so genannte Potemkin-Falle fielen, als sie Pol Pots Regime in Kambodscha besuchten und nicht „sahen“, was dort eigentlich vorging. Dies wurde auch von einem zentralen Vertreter dieser Gruppe (Steigan, 2003) bestätigt, der sagte: „Das verstand ich damals nicht, aber das habe nun seit 20 Jahren verstanden.“ Anders Svenneby kommentierte das so in einem Beitrag im „Dagbladet“ vom 23.07.03: „Wir können uns nicht einmal damit entschuldigen, dass wir es nicht besser wussten; die Information war vorhanden, aber wir entschlossen uns, sie als reaktionäre Verleumdung anzusehen.“

 

Beschränkungen der Information von ehemaligen Mitgliedern kann auch mit unbewussten Auslassungen (Verdrängungen) verbunden sein, oder damit, dass man sich darüber schämt, worin man involviert war, oder kurz und gut weil man es nicht schafft, es in Worte zu fassen. Man kann hier Parallelen ziehen zu der so genannten Kinderheimuntersuchung in Norwegen (Dyregrov & Helle, 2005), wo bemerkt wird (S. 691) dass „fast 80 % es nicht wagten, dem Ausschuss alles zu berichten“.

 

Das, woran ein ehemaliges Mitglied sich mit der Zeit zu „erinnern“ meint, wird nicht nur eine Frage der Erinnerung an reale Ereignisse sein, sondern auch ein Zusammenspiel zwischen eigenen Entscheidungen, Erinnerungen, Auslegung dieser, Änderungen des Brennpunktes, Änderungen der Einstellung und Beeinflussung durch andere Menschen. Dies ergibt aber keinen schwerwiegenden Grund dafür, dass wir als Psychologen allgemein Information durch ehemalige Mitglieder zurückweisen sollten. Eher sollten wir ihnen mit Respekt und einer offenen und zuhörenden Einstellung begegnen. Unsere Kenntnisse über mögliche Fehlerquellen, so wie sie hier beschrieben sind, werden uns und den Informanten hilfreich sein. Und selbst wenn die Information in manchen Fällen nicht ganz glaubwürdig sein sollte, kann sie jedenfalls einen Hinweis geben, wo jemand nachfragen sollte, der Studien übe neureligiöse Bewegungen vornehmen möchte.

 

Antisektenorganisationen

                                              

Es gibt eine Reihe von Organisationen und Einzelpersonen, die es als ihre Aufgabe sehen, über Schwierigkeiten bei neureligiösen Bewegungen aufzuklären. Hadden (2000) teilt diese in zwei Gruppen ein. Die eine Gruppe bezieht sich auf die Lehre und hat traditionell ihre Kritik gegen christlich inspirierte Gruppen wie die Zeugen Jehovas, die Mormonen und die Christliche Wissenschaft gerichtet. Die bekanntesten Organisationen in den USA sind hier Christian Research Institute, Watchman Fellowship und Spiritual Counterfeits Project. Auch wenn bei solchen Gruppen die Lehre im Mittelpunkt steht, können sie doch wertvolle Beiträge liefern, wenn es darum geht, sich Hintergrundinformation besonders darüber anzueignen, wie die Mitglieder in verschiedenen Glaubensgemeinschaften denken, und können ein tieferes Hintergrundverständnis dafür geben, wie verschiedene theologische Ansichten ihrer Praxis zugrunde liegen können.

 

Die andere Gruppe hat ihre Wurzeln im Aufblühen der neureligiösen Bewegungen in den Sechzigerjahren, mit dem Hauptaugenmerk, die Bevölkerung vor destruktiven Zügen bei diesen zu warnen, zum Beispiel vor Gehirnwäsche, und mit Deprogramming und Kidnapping der Mitglieder als Gegenmaßnahme. Die Begründung für diesen Schwerpunkt und diese Praxis war es, Parallelen zu ziehen zwischen der Beeinflussung durch neureligiöse Bewegungen und den Gehirnwäschestrategien, die Hunter (1956) zufolge in China als Teil ihres Erziehungsprogramms benützt wurden.

 

Das hat sich mit der Zeit geändert, und das Hauptaugenmerk der Antisektenorganisationen, das sich in letzter Zeit entwickelt hat, bezieht sich auf verschieden Formen und Grade sozialer Beeinflussung, von denen man meint, dass diese Gruppen sie benützen, um ihre Mitglieder zu manipulieren. Man spricht von Techniken, von denen man meint, man könne sie in allen Zusammenhängen finden, in denen Personen oder Gruppen es als ihre Aufgabe sehen, zu beeinflussen, die aber hier auf intensivere Art ausgeführt werden (Clark, Langone, Schecter & Daly, 1981; Zimbardo, 1997; Hassan, 2000). Eine Vertreterin dieser Ansicht ist Margaret Singer mit ihrer Theorie der ”Systematic Manipulation of Social and Psychological Influence”, die auf klinischer Praxis beruht, aber bisher nicht empirisch bestätigt wurde. In den USA ist vielleicht die früher erwähnte AFF (jetzt ICSA) die bekannteste Organisation, während es in Europa eine entsprechende Organisation gibt: Fédération Européene des Centres de Recherche et d’Information sur le Sectarisme (Fecris). Auch solche Organisationen können relevantes Hintergrundwissen liefern, wenn man nur darauf aufmerksam ist, dass dort die angenommenen destruktiven Seiten im Mittelpunkt des Interesses stehen.

 

Es hat sich auch gezeigt, dass innerhalb der Gruppe der Aussteiger aus neureligiösen Bewegungen sich eine spezielle Kultur entwickelt hat, in der sie vieles vom alten Denken in einem neuen Zusammenhang weiterschleppen: Sie haben eine Glaubensgemeinschaft mit einem charismatischen Leiter, einem gemeinsamen Ziel, einer gemeinsamen Drohung und einem gemeinsamen Kodex verlassen und stattdessen eine Antisektenorganisation nach denselben Grundsätzen gebildet. Nun sind es die Glaubensgemeinschaft und alle anderen, die bei deren Bekämpfung nicht mitmachen wollen, die zum Feind werden (Malka, 1997; Saliba, 2003). Der Wert der Information von solchen Gruppen ist wohl weniger relevant, gleichzeitig wie ihre Existenz an sich interessant ist und es wichtig ist, darauf aufmerksam zu sein.

 

Behandler

 

Kraft ihrer eigenen Professionalität und besonders der der Fähigkeit zu Reflexion und Metakognition haben Psychologen und andere professionelle Behandler in sich Potentiale, um einem Klienten helfen zu können, sich ein tieferes Verständnis seiner eigenen Situation anzueignen, als sie der Betreffende von vornherein hat. Ferner haben sie Möglichkeiten, etwas über die Art der Schwierigkeiten und über die Ursachen für den einzelnen zu sagen. Sie haben auch gute Gründe, auf ehemalige Mitglieder zu hören, wenn sie in ihrer Praxis mehrere Menschen derselben örtlichen Gemeinde treffen, die unabhängig voneinander über ähnliche Erfahrungen berichten. Ein konkretes Beispiel dafür gibt es aus Asker, wo ein Oberarzt vom Krankenhaus Blakstad, Asbjørn Korsvoll, durch die Lokalzeitung vor einer religiösen Gemeinde warnt. Unter der Überschrift „Warne vor einer Gemeinde“ (Budstikka, 19.09.05) schreibt er unter anderem: „Die Probleme beginnen, wenn sie austreten. Wenn sie in einer solchen Gemeinde dabei waren, mit dem, das fast den Charakter einer Gehirnwäsche hat, dann beginnt man, die Auffassung von sich selbst und seiner Identität zu verlieren. Und dann gibt es keine Betreuung durch die Sekte in einer schwierigen Übergangsphase. Ganz im Gegenteil. Sie werden völlig ausgestoßen.” Der Hintergrund für diese Kritik war der Hinweis eines ehemaligen Patienten, der ihn von der Schweigepflicht entband, und Hinweise von einigen anderen Patienten mit ähnlichen Erfahrungen. Dieselbe Zeitung bezieht sich auch am Tag darauf, unter der Überschrift „Es ist leicht, die Macht in Gemeinden zu missbrauchen“, auf eine psychiatrische Krankenpflegerin, Brith Dybing (Budstikka, 20.09.05), die entsprechende Kritik gegen dieselbe Gemeinde richtet. Und sie verweist dabei nicht nur auf ihre eigene klinische Praxis, sondern auch auf angeeignete Kenntnisse über einen der zentralen Leiter der Gemeinde, über die organisatorische Zugehörigkeit der Gemeinde und wie die Gemeinde sich im Lauf der Zeit entwickelt hatte. Ohne zu dieser konkreten Angelegenheit Stellung zu nehmen, meine ich, dass es allgemein das Recht und auch die Pflicht des Behandlers sein müsste, die allgemeine Bevölkerung und andere Behandler über negative Seiten einzelner Glaubensgemeinschaften aufzuklären, wenn dies von einer vorbeugenden mentalhygienischen Perspektive aus verantwortet werden kann. Für uns Psychologen gibt es vielleicht einen Weg, ein solches eventuelles Recht und eine Pflicht rein juristisch und in Beziehung zu unseren fachethischen Richtlinien zu klären.

 

Aber die Behandler haben auch ihre Beschränkungen. Bei Treffen mit Mitgliedern und ehemaligen Mitgliedern sind der Ausgangspunkt normalerweise mentale Beschwerden. Diese Gruppe ist daher wenig repräsentativ dafür, etwas über den Umfang der mentalen Leiden zu sagen. Den Behandlern können auch nötige Kenntnisse über aktuelle Glaubensgemeinschaften fehlen oder sie können falsche oder fehlleitende Kenntnisse haben. Sie wissen vielleicht nicht, was verschiedene Glaubensgemeinschaften vertreten, denn sie hatten keine Gelegenheit, sich damit zu befassen oder weil sie sich aus Prinzip dafür entscheiden, dies sein zu lassen, zum Beispiel um bei ihrem Zusammentreffen mit dem Klienten nicht voreingenommen zu sein. Es können ihnen Kenntnisse darüber fehlen, was geschieht, wenn zum Beispiel aktive Mitglieder die Glaubensgemeinschaft idyllisieren und ehemalige Mitglieder sie anschwärzen. Es können ihnen auch Kenntnisse darüber fehlen, was geschieht, wenn eine Person beim Zusammentreffen mit einer totalitären Glaubensgemeinschaft innerhalb relativ kurzer Zeit offensichtlich eine ganz andere Person wird. Ein Beispiel dafür ist übrigens das so genannte Stockholmsyndrom (Ottoson, 1997). Einige Behandler entscheiden sich dafür, den Einfluss der Glaubensgemeinschaft zu bagatellisieren und suchen eher anderswo eine Erklärung für die raschen Änderungen, indem sie zum Beispiel annehmen, das „Potenzial für diese Änderungen sei wohl die ganze Zeit über da gewesen“ (Singer, 1979; Bergmann, 1992). Zimbardo & Ebbeson (1970) und Hassan (2000) meinen hier, dass professionelle Behandler in den USA leicht einen grundlegenden Zuordnungsfehler begehen, indem sie denken, dass die Erklärung für menschliches Verhalten vorzugsweise in den eigenen Dispositionen des Menschen und nicht in der Umgebung liegt. Andererseits behauptet Saliba (2000), dass einige Bücher (wie zum Beispiel das Buch von Conway & Siegelmann, 1995) viele Behandler in den USA dazu inspiriert haben, die Bekehrung zu neuen Religionen als etwas zu sehen, das schnell und unter Druck von außen geschieht, und dass deshalb die Erlebnisse vor der Mitgliedschaft und nicht zuletzt die tatsächliche Fähigkeit der Person, selbständige Entscheidungen zu treffen, unterschätzt werden. Wichtig ist es hier wohl, Offenheit für mehrere Perspektiven gleichzeitig zu zeigen, zum Beispiel dafür, dass sowohl genetische Dispositionen als auch andere Voraussetzungen bei der Person, Erlebnisse aus der Zeit vor der Mitgliedschaft und Beeinflussung / Manipulation von Seiten der Glaubensgemeinschaft in verschiedenen Kombinationen der Grund für solche raschen Änderungen in Verbindung mit einer Mitgliedschaft sein können. Den Behandlern können auch Kenntnisse darüber fehlen, was bewirkt, dass einzelne Menschen für Rekrutierung anfälliger sind als andere. Hassan (2000) meint, dass Personen, die besonders beeinflussbar sind, folgende Kennzeichen aufweisen: (1) sie interessieren sich für magische oder vorausbestimmte Ereignisse, (2) sie sind wegen eigener Unsicherheit bestrebt, anderen Menschen Gefallen zu erweisen, (3) sie haben ein schwaches Selbstbewusstsein, (4) sie sind neugierig auf Hypnose und Techniken der Bewusstseinsveränderung, (5) sie haben Schwierigkeiten bezüglich Alkohol oder narkotisierenden Stoffen, (7) sie haben ungelöste sexuelle Probleme, oder (8) sie haben ungelöste traumatische Erlebnisse. Hassan meint, es sei auch wichtig, zwischen verschiedenen Motiven für die Mitgliedschaft unterscheiden zu können. Er unterscheidet zwischen solchen, die in erster Linie intellektuelle Antworten suchen, die gefühlsmäßige Erlebnisse suchen, die eine Aufgabe ausführen wollen oder die zu allererst Gottes Nähe erleben wollen. Die Behandler können auch zu wenige Kenntnisse über reaktive Züge haben, die man gewöhnlich bei ehemaligen Mitgliedern findet (Singer, 1979), mit der Folge, dass man falsche Schlüsse über ursächliche Zusammenhänge ziehen kann. Ein Beispiel dafür ist das „floating“ – bei dem ehemalige Mitglieder zeitweise zwischen verschiedenen Wirklichkeitszuständen „schwimmen“ können, bis sie bei einem neuen Wirklichkeitsverständnis „landen“ – ein Phänomen, über das Hassan (1988) und Singer (1995) berichten und das nach Hutchinson (1994) manchmal von Therapeuten als Zeichen von Psychose gedeutet wird. Mitglieder können es auch unterlassen, darüber zu informieren oder zu sprechen, wie ihr Leben als Mitglied verlief, was die Glaubensgemeinschaft vertritt oder was ihr eigentliches Motiv für die Mitgliedschaft ist. Dies kann mit dem Unwillen zusammenhängen, Aussagen zu tätigen, welche ihre Glaubensgemeinschaft in einem negativen Licht erscheinen lässt. Es kann sich auch um einen Unwillen handeln, etwas zu vermitteln, von dem sie glauben, dass ein außenstehender Behandler es ohnehin nicht verstehen oder als lächerlich erleben würde. Ein Grundmotiv für die Mitgliedschaft kann zum Beispiel das folgende sein: „Einmal werde ich vor Gottes Gericht stehen und darüber beurteilt werden, was ich mit den Offenbarungen gemacht habe, die er mir durch die Organisation gegeben hat. Wenn es sich dann zeigt, dass ich der Organisation nicht gehorsam war, dann werde ich in der Hölle landen“. Für ehemalige Mitglieder kann die Situation ungekehrt sein, zum Beispiel dass der Behandler ohne relevante Kenntnisse die negative Ansicht des ehemaligen Mitglieds akzeptiert und dem Klienten nicht hilft, andere mögliche Ursachen für dessen mentalen Probleme zu finden und dadurch die Organisation „freizusprechen“.

 

Außer fehlenden oder beschränkten Kenntnissen können die eigenen Stereotypien und unbearbeiteten Gedanken und Gefühle des Behandlers bezüglich Glaubensfragen ebenfalls störend auf die Möglichkeiten einwirken, objektiv und nüchtern über die religiösen Erlebnisse anderer zu denken (Bergersen, 1995). Überhaupt wird hier die eigene Positionierung und der eigene Standpunkt wichtig, persönlich, fachlich, religiös, kulturell, kurz gesagt alles, was man sich als relevant vorstellen kann. Zum Beispiel behauptet Ulland (1995), dass verschiedene theoretische Standpunkte eine von mehreren Erklärungen dafür sein können, dass Fachleute so verschiedene Auffassungen bezüglich schädlicher Beeinflussung bei Sektenmitgliedschaft haben können; dass zum Beispiel einige meinen, neureligiöse Bewegungen schafften durch ihre Tätigkeit eine neue Form mentalen Leidens (Delgado, 1977), während andere im Beitritt zu einer Sekte ein bewusstes und notwendiges Losreißen von den Eltern und einen gesunden Seitensprung in der psychologischen Entwicklung sehen (Levine, 1984). Es kann auch verschiedene Auffassungen über das Phänomen religiöses Elitedenken (wie ich es definiert habe), zum Beispiel dass alle, die so denken, grundsätzlich im Sinne eines „Realitätsverlusts“ für psychotisch gehalten werden müssen (oder psychotische Züge haben), oder ob man hier vorsichtiger sein sollte, da man als Psychologe eigentlich nichts darüber sagen kann, was es eventuell an „religiösen Realitäten“ geben könnte. Man kann ferner der Feldblindheit (Malterud, 2003) ausgesetzt sein, wenn man nur nach Information sucht, welche die eigenen etablierten Auffassungen bestätigt. Damit entgehen einem Kenntnisse, die neues Wissen vermitteln können. Andersen (1994) meint, dass Personen, die im öffentlichen Hilfsapparat arbeiten, hier besonders herausgefordert sind, Mitgliedern und ehemaligen Mitgliedern auf vorurteilsfreie Weise zu begegnen, um zu verhindern, dass man negative kulturell übertragene Haltungen in eine therapeutische Beziehung hinein nimmt. Solche Situationen können zum Beispiel entstehen, wenn ein Therapeut bei der Begegnung mit einem „tief religiösen“ Mitglied grundsätzlich gewisse Seiten des Klienten problematisiert. Es kann sich zum Beispiel darum handeln, dass die Klient allgemein damit beschäftigt ist, „die Welt für Gott zu gewinnen“, dass die Bibel buchstäblich ausgelegt wird, dass man möchte, dass die religiöse Perspektive den ganzen Alltag steuert, dass man sich freiwillig einem Ehegatten, einem charismatischen Leiter oder einer detaillierten Sammlung von Lebensregeln unterordnet, dass man eher eine Identität durch die Zugehörigkeit zu einer Gruppe sucht, als seine eigene Identität zu definieren (Hjertnes, Lindstrøm & Sam, 2005), dass man es anderen überlässt, zu bestimmen, wie die Welt aussieht, dass man freiwillig im Zölibat leben möchte, dass man besondere „geistliche Erlebnisse“ hat (zum Beispiel Zungenreden) oder behauptet, Gott beantworte seine Gebete oder spreche zu einem. Dass die Behandler verschiedene Auffassungen darüber haben können, wo die Grenze bezüglich der Beurteilung von Mitgliedern neureligiöser Bewegungen als psychotisch verläuft, kann man am folgenden Beispiel zeigen: In Verbindung mit der so genannten Knutby-Affäre bestimmte die schwedische Sozialverwaltung sechs Sachverständige, die beurteilen sollten, ob Sara Svenssons Handlungen [1] als psychotisch zu betrachten seien oder nicht. Fünf der Sachverständigen bejahten dies, währen der sechste (Göran Källberg) eine andere Meinung hatte: Gemäß ihm hatte wohl ihr Glaube ernste Folgen, aber das war nicht gleich bedeutend mit Psychose. Er behauptete ganz im Gegenteil, ihre Handlungen seien bewusst und geplant gewesen, von einem innigen Wunsch aus, den Kontakt mit Gott nicht zu verlieren, und ein solcher „leidenschaftlicher Glaube“ könne auf viele Weise mit Verliebtsein verglichen werden. „Beide verlangen ein starkes Engagement, das einen dazu bringen kann, drastische Dinge zu tun“ (Kindbom, 2005).

 

Zinnbauer & Parament (2000, S. 167) behaupten: ”Those counsellors who intend to work with religious and spiritual clients should acquire training, experience, and information about different religious and spiritual traditions and beliefs”. Und sowohl die American Psychological Association als auch die American Counseling Association empfehlen in ihren ethischen Richtlinien, dass Behandler, die mit religiösen Patienten arbeiten, das nötige Training, die Erfahrung und Information bekommen sollen, um die religiösen Erlebnisse ihrer Klienten zu verstehen, was Saliba (2003) bezüglich neureligiöser Bewegungen für besonders wichtig hält (dies sollte auch bezüglich der ethischen Richtlinien des Norwegischen Psychologenverbandes überdacht werden). Aber wirkliche Kompetenz bedeutet nicht nur die Aneignung von soviel wie möglich hoffentlich objektiven Kenntnissen über konkrete Glaubensgemeinschaften. Mindestens ebenso wichtig ist, dass man den methodischen Zugang versteht, den man selbst benützen muss, um die Mechanismen entlarven zu können, die die Motive und Intentionen der Menschen steuern, um (1) solche Bewegungen zu errichten, zu organisieren und zu kontrollieren, (2) an solchen Gemeinschaften teilzunehmen, und (3) sich organisierten Meinungssystemen zu unterwerfen, bei denen erwartet wird, dass man seine eigene intellektuelle und emotionelle Autonomie aufgibt.

 

Empirische Studien

 

Eine Methode, um die Fehlerquellen zu vermeiden, die mit der Information durch Mitglieder, ehemalige Mitglieder und Behandler verbunden sind, kann es sein, sich objektive Information ausgehend von empirischen Studien von Gruppen anzueignen, zum Beispiel durch die Benützung von Fragebogen und psychologischen Gruppentests. Solche empirische Studien haben sowohl Vor- als auch Nachteile (Langone, 1993). Die Vorteile sind, dass allen Personen mit den selben Messinstrumenten begegnet wird, sie sind leichter zu verwalten, sie erlauben den Zugang zu quantifizierbaren Daten und die Daten können zu etwaigen standardisierten Normen in Bezug gesetzt werden. Die Nachteile sind, dass die Fragebogen und Gruppentests oft retrospektiv (und daher für falsche Erinnerungen anfällig) sind, dass es sich um Eigenberichte handelt, was bedeutet, dass die Antworten psychologische Variable widerspiegeln können, die ungenaue Antworten mit sich bringen, dass sie keine subtilen Informationen wie zum Beispiel ambivalente Antworten auffangen, und dass man nicht mit Sicherheit wissen kann, ob man tatsächlich das misst, was man messen will.

 

Empirische Studien können die Grundlage für objektive Beurteilungen bilden und die Möglichkeit eröffnen, zu klären, was Mythen und was Realitäten sind. Und die Schwierigkeit, die mit Verallgemeinerung verbunden ist, kann durch die Benützung von Metastudien vermindert werden. Aber eine Beschränkung bezüglich neureligiöser Bewegungen besteht darin, dass Unklarheit darüber besteht, wie das Phänomen definiert werden soll, und eine Verallgemeinerung wird schwierig, solange es kein objektives Kategorisierungssystem für die verschiedenen Gruppen gibt. Langone (1993) sieht in dieser Unklarheit eine Parallele damit, als man damals Forschung bezüglich mentaler Leiden betrieb, aber kein Diagnosehandbuch hatte, auf das man sich beziehen konnte. Die klassische Diskussion über quantitative versus qualitative Methoden hat übrigens nach und nach ihre Rolle ausgespielt, und es gibt heute bedeutende Einigkeit darüber, dass beide Zugangsmethoden wertvolle Information liefern können (Malterud, 2003; Olweus, 2005).

 

Bezüglich neureligiöser Bewegungen hat es sich auch gezeigt, dass diese wenig bereit waren, zwecks empirischer Studien zusammenzuarbeiten. Zwei Ausnahmen davon sind eine Studie über die Zeugen Jehovas, ausgeführt von Beckford (1985), und die früher erwähnte Untersuchung von Yeakly et al (1998). Die Untersuchung von Beckford war zunächst eine soziologische Studie, enthält aber dennoch viel wertvolle Information für die Psychologie, indem sie unter anderem erörtert, was bewirkt, dass man Mitglied in einer solchen Organisation wird, und was die Kultur kennzeichnet, in welche die Mitglieder eingeladen werden (zum Beispiel dass die glaubensmäßigen Grundsätze in großem Maß von Vernunft, Logik und Überlegung geprägt sind). Beckvold hatte übrigens selbst eine offene und positive Zusammenarbeit mit der Organisation, er bekam die Erlaubnis, selbst Stichproben vorzunehmen und die Anzahl der Mitglieder, die er untersuchte, war relativ groß (180 Personen). Untersuchungen, die von eigenen Vertretern dieser Organisation durchgeführt wurden, sind selbstverständlich eine Alternative (Furuli et al., 2001), aber das setzt voraus, dass man tatsächlich auf eine repräsentative und zufällige Auswahl zurückgreifen kann.

 

Ehemalige Mitglieder zu studieren ist auch keine einfache Angelegenheit. Wenn man Interessierte bittet, sich zu melden, kann man riskieren, eine Überrepräsentation ehemaliger Mitglieder mit mentalen Leiden zu erhalten. Gruppen ehemaliger Mitglieder neureligiöser Bewegungen sind außerdem nicht besonders groß (Langone, 1993). Hier ein kleines Rechenstück: Wenn wir sagen, dass in Norwegen 5 Millionen Menschen leben und 5000 davon ehemalige Mitglieder einer konkreten Bewegung sind, dann bedeutet das, dass nur jeder tausendste Mensch ein ehemaliges Mitglied ist. Wenn man also eine repräsentative Auswahl von 50 Personen haben möchte, dann müsste man zunächst Kontakt mit 50000 Menschen aufnehmen! Eine mögliche Lösung kann darin bestehen, dass man sich an größere nationale Survey-Untersuchungen anhängt, die sich eine Bevölkerungsauswahl von 10000 oder mehr vornimmt, und sich mit einer Zusatzfrage einkauft. Eine Alternative kann auch sein, Zugang zu einer repräsentativen Auswahl von Mitgliedern in einer geographisch lokalisierten Gruppe zu bekommen. Andererseits muss man dann darauf aufmerksam sein, dass es in ein und derselben Bewegung große Verschiedenheiten geben kann. Eine andere Lösung sind internationale Survey-Untersuchungen, da viele neureligiöse Bewegungen sowohl in nationalen wie in internationalen Netzwerken integriert sind (Wilson, 1900; Rudine, 2002). Aber ungeachtet ob man von „ausgewählten Gruppen“, Freiwilligen, lokalen Gruppen oder Survey-Untersuchungen ausgeht, kann man riskieren, eine Weigerung zu erfahren oder zu wenig Information zu bekommen, weil der Informant seine derzeitige oder frühere Mitgliedschaft abstreitet oder bagatellisiert (Langone, 1993).

 

Interviews

 

Eine Beschränkung bei den empirischen Studien ist, dass man das Ganze von außen her betrachtet und sich nur auf einige Parameter konzentriert, was wenig Garantie dafür gewährleistet, dass man ein ganzheitliches Verständnis für solche „fremden“ Subkulturen gewinnt. Eine Alternative dazu ist, die Akteure direkt zu treffen und sich verschiedener Formen individueller und gruppenbezogener Interviews zu bedienen, zum Beispiel strukturierter Interviews, qualitativer Tiefeninterviews, narrativer und anonymisierter Beantwortungen (Kvale, 2001). Man hat hier auch die Möglichkeit, die Vorteile der empirischen Studien zu bewahren, wenn man ausschließlich standardisierte Checklisten und strukturierte Interviews benützt. Gleichzeitig kann auch der direkte Kontakt wertvolle subjektive Zusatzinformationen vermitteln. Bei Interviews werden allgemeine Grundsätze wie eigene Offenheit und Objektivität, das Vermeiden von Fragen, die den Leuten die Antwort in den Mnd legen, Diskretion und Abwiegen von ethischen Dilemmas wichtig sein. Gute Kenntnisse über das Interviewthema sind ebenso wichtig, denn diese können die Grundlage für sinnvolle Gespräche und die Fähigkeit bilden, zu sehen, welche Themen weiter verfolgt werden sollen. In diesem Zusammenhang sollte man sich auch besonders dessen bewusst sein, was der Grund ist, dass man eine Hypothese vor einer anderen abklären möchte, ob man voreingenommen ist oder ob man beim Interview eine versteckte Absicht hat, zum Beispiel ein verborgenes Motiv, den Informanten auf „bessere Gedanken“ zu bringen. In Bezug auf das Interviewobjekt sollte man besonders darauf aufmerksam sein, dass der / die Betreffende instruiert worden sein kann, Außenstehende mit Skepsis oder Feindschaft zu betrachten, dass solche Interviewer ein Teil des Systems sind, von dem sich die Gruppe ursprünglich distanziert hat, oder dass das Interviewobjekt fürchtet, als Denunziant betrachtet zu werden. Den eigenen theoretischen Standpunkt und die Thematisierung zu erklären, und wie es gedacht ist, die Daten zu präsentieren, ist daher besonders wichtig. Es werden auch besondere ethische Dilemmas entstehen, wenn eine Frageformulierung, die an sich objektiv gemeint ist, vom Interviewobjekt als fremd und drohend aufgefasst werden kann. Die Verwendung von Fokusgruppen (Malterud, 2003) ist besonders aktuell, wenn wir etwas über Erfahrungen, Haltungen oder Ansichten in einem Milieu lernen wollen, in dem viele Menschen gemeinsam handeln. Es ist zeitmäßig eine rationelle Art, sich qualitative Daten anzueignen und die Möglichkeit zu eröffnen, dass die verschiedenen Mitglieder die Meinungen der anderen und ihre eigenen Meinungen vertiefen und klären können. Für neureligiöse Bewegungen mit starken internen Forderungen nach konformem Denken wird eine solche Methode jedoch eine Beschränkung darin haben, nicht leicht zu erfahren, was der einzelne eigentlich meint.

 

Interviewer sollten auch darauf aufmerksam sein, dass unbewusste gefühlsmäßige Reaktionen zwischen Interviewer und Informant entstehen können, ausgehend davon, wie diese einander erleben. Ein Beispiel dafür ist, dass man es unbewusst unterlässt, eine Gedankenreihe zu verfolgen, weil sie auf einen selbst bedrohlich wirkt. Hunt (1989) behaupte ferner, dass Phänomene wie Übertragung und Gegenübertragung in Bezug auf Feldarbeit ebenfalls relevant sind. Übertragung kann dazu führen, dass die Reaktion des Informanten durch frühere Erfahrungen geprägt ist, zum Beispiel negative Erfahrungen mit Autoritätspersonen, während Gegenübertragung dazu führen kann, dass der Interviewer die Weigerung des Informanten, ihm Informationen zu geben, als „Widerstand“ mit dem Hintergrund in eigenen früheren Erfahrungen mit „solchen Informanten“ interpretiert.

 

Bei Interviews ehemaliger Mitglieder sollte man bei der Begegnung mit traumatisierten Menschen aus einem traumatisierten Milieu ebenfalls behutsam sein. Bei der Kinderheimuntersuchung in Norwegen bemerken Dyregrov & Helle, dass „die Reaktivierung alter Erinnerungen die größte Gefahr bei der Durchführung solcher Untersuchungen darstellt“ (S. 690). Dies sagt etwas über die Wichtigkeit dessen aus, dass Interviewer bei solchen Interviews die nötige Kompetenz haben und dass man die ganze Zeit über ethische Abwägungen mit Rücksicht darauf vornehmen muss, wie weit man sich zu einem anderen Menschen mit seiner Verletzlichkeit und seinen eventuellen Traumata hinbewegen darf. Da Interview auch eine Art von Kommunikation ist, sollte man auch auf verschiedene Faktoren aufmerksam sein, die zu einem Kommunikationszusammenbruch führen können, wie zum Beispiel: Ist es mir gelungen, das heraus zu bekommen, worauf ich hinaus war? Ist es dem Informanten / der Informantin gelungen, das herauszubekommen, was er / sie eigentlich meint? Benützen wir dieselben Wörter, aber mit verschiedenem Begriffsinhalt? Was vermittelt der Informant nonverbal? Gebe ich selbst nonverbale Signale, die eine gute Kommunikation verhindern? Was kennzeichnet den Kontakt in Verbindung mit dem Interview? Usw.

 

Es ist auch denkbar, dass der Informant sich in der Gruppe unterdrückt fühlt und dann einen Interviewer trifft, der von der Gruppenleitung genehmigt wurde und daher als ein Vertreter dieser aufgefasst werden kann. Das Ergebnis kann sein, dass der Betreffende sich nicht öffnen und bezüglich seiner Schwierigkeiten eher untertreiben möchte.

 

Beobachtung

 

Eine Methode, sich Mitgliedern anzunähern, die involvierender ist als empirische Studien und Interviews, ist das Hineingehen als Beobachter. Durch Beobachtung von Gruppen, so genannte Feldstudien, kann man verschiedene Feldrollen wählen, die mit dem Grad der persönlichen Involvierung variieren (Hammersley & Atkinson, 1996). Das eine Extrem wäre es, ein teilnehmender Beobachter zu sein (Andersen, 1993), bei dem das Ziel ist, das, was man beobachten will, „von innen her“ zu verstehen. Dies gibt die Möglichkeit, zu registrieren, was gesagt und was in der Praxis getan wird und ob es ein Missverhältnis zwischen diesen beiden gibt, alles zusammen Information, die für einen Forscher von Interesse sein kann. Bei der teilnehmenden Beobachtung muss man zwei Fallgruben umgehen. Die eine Fallgrube droht, wenn man der Gruppe mit einer kritischen Haltung begegnet, in der man das, was man beobachtet, von eigenen Stereotypien und Voraussetzungen aus interpretiert. Die andere Fallgrube droht, wenn man der Gruppe mit Naivität begegnet oder sich unterwegs von dem, was man sieht, imponieren und blenden lässt und damit nicht jene Seiten sieht, die den Mitgliedern Schwierigkeiten bereiten oder zumindest das Potenzial dafür enthalten. Versuche, die Mitglieder von innen her zu verstehen, können auch illusorisch werden, wenn die Mitglieder der Gruppe sich aus dem einen oder anderen Grund gefangen fühlen. Das folgende von Patton (1990, S. 208) bezogene Beispiel verdeutlicht das:

 

Inmate: What are you here for, man? Evaluator: I’m here for a while to find out what it’s like to be in prison. Inmate: What do you mean –”to find out what it is like”? Evaluator: I’m here so that I can experience prison from the inside instead of just studying what it’s like from out here. Inmate: You got to be jerkin’ me off, man. Experience from the inside…? Shit, man, you can go home when you decide you’ve had enough, can’t you? Evaluator: Yeah. Inmate: Then you ain’t never gonna know what it’s like from the inside.

 

Wäre es dann eine Lösung, zuerst ein aktives Mitglied zu werden? Kaum. Wenn man sich persönlich als aktives Mitglied anschließt, mit allem was dies an Zughörigkeit, Gemeinschaft, Abhängigkeit usw. mit sich bringt, dann gibt man gleichzeitig die notwendige Distanz und die Möglichkeit auf, eine objektive wissenschaftliche Einstellung aufrecht zu erhalten. Und als Forscher wird man ohnehin an einer Gesellschaft nie 100 %-ig so wie die gewöhnlichen Mitglieder teilnehmen können (zum Beispiel bezüglich Abhängigkeit): Aber eine mögliche Lösung dieses Dilemmas könnte eine Feldrolle sein, bei der man an der fachlichen Identität und Distanz festhält und gleichzeitig an den Aktivitäten der Gruppe teilnimmt, ein aktiver Gesprächspartner wird und eine Rolle findet, die bezüglich der besonderen Züge und Voraussetzungen der Gruppe relevant ist (Ringnes, 1997; Thagaard, 2003). Dadurch wird die Möglichkeit gegeben, sich eine Vertrauensbasis zu schaffen und auf diese Weise Zugang zu Informationen und Einsichten in Situationen zu erhalten, zu denen man als Forscher sonst nicht die Möglichkeit hat. Hier hat wahrscheinlich die Psychologie viel von der Anthropologie zu lernen, in der man 100 Jahre hindurch mit ausführlichem Gebrauch von teilnehmender Beobachtung als Methode ein Verständnis für analytische Distanz und emotionelle und intellektuelle Nähe zu dem Phänomen entwickelt hat, das man studiert.

 

Ein anderes Dilemma bei Gruppenbeobachtung ist die Frage der Offenheit. Volle Offenheit bezüglich der eigenen Absichten und Motive kann bei der Begegnung mit Gruppen, denen darin liegt, nach außen hin einen guten Eindruck zu machen, die Gruppe dahingehend beeinflussen, dass sie nichtauthentische Information vermittelt (Douglas, 1976). Andererseits ist es ethisch bedenklich, seine Motive zu verbergen (Shils, 1959). Versteckte Beobachtung kann außerdem für die Informanten schädlich sein, als Rollenspiel und Verrat erlebt werden und damit die zukünftige Zusammenarbeit erschweren (Thagaard, 2003). Versteckte Beobachtung wird daher von der American Sociological Association (Lipson, 1994) als Bruch fachethischer Richtlinien betrachtet. Thagaard (2003, S. 72) sagt jedoch: „Eine alternative Perspektive – die weit weniger verbreitet ist – betont, dass versteckte Beobachtung in bestimmten Situationen gerechtfertigt werden kann, um wichtige Kenntnisse zu erhalten“. Thagaard (2003, S. 73) zufolge behauptet Repstad (1997), versteckte Beobachtung könne daher beim Studium von Elitegruppen legitimiert werden, wenn diese sich dagegen abschirmen, studiert zu werden, und die Untersuchung des Forschers als störend für ihre eigene Tätigkeit auffassen können. In diesem Zusammenhang könnte man dies als eine relevante Methode bezüglich Gruppen betrachten, die bewusst einen guten Eindruck nach außen hin vermitteln wollen, die kontrollieren wollen, welche Art von Information nach außen dringt oder die wissen, dass etwas von ihrer Tätigkeit von dem aus, was sie „menschliche Gesetze“ nennen, nicht ganz verantwortet werden kann. Gleichzeitig auferlegt es dem Beobachter eine hohe moralische Verantwortung, solche Information nicht auf eine Weise zu gebrauchen, die den Informanten zu Schaden gereichen kann, indem er sich auf Diskretion und Anonymisierung bei der Präsentation der Daten konzentriert.

 

Publikationen

 

Eine andere Weise, sich relevante Kenntnisse über neureligiöse Bewegungen anzueignen, kann das Lesen deren eigener Publikationen sein, in einem Versuch, sie aus ihren eigenen Voraussetzungen heraus und ihrem Symboluniversum zu verstehen. Es gibt jedoch große Unterschiede zwischen verschiedenen Bewegungen bezüglich der Zugänglichmachung ihrer eigenen Publikationen für Außenstehende. Einige ziehen mündliche Weitergabe und interne Publikationen vor und informieren nicht die Außenwelt, während andere großes Gewicht darauf legen, nach außen hin zu vermitteln, was sie vertreten. Ein Bespiel für Letztere sind die Zeugen Jehovas. Um ein besseres Verständnis dafür zu erhalten, was diese Glaubensgemeinschaft vertritt und worüber sie in ihren tatsächlichen Zusammenhängen schreiben, entschloss ich mich, sämtliche Veröffentlichungen des „Wachtturm“ und von “Erwachet!“ aus den Jahren 1997 bis 2000 zu lesen. Beim Lesen solcher Veröffentlichungen muss man besonders auf die Gefahr achten, von der eigenen Voreingenommenheit gefangen zu werden, wenn man früher „Schreckliteratur“ gelesen hat. Man sollte auch darauf aufmerksam sein, dass die Weise, wie es dargestellt wird, Mitglied zu sein, nicht notwendigerweise Ausdruck dessen sein muss, wie es den Mitgliedern tatsächlich geht, sondern es kann sich auch darum handeln, wie die Leitung wünscht oder glaubt, dass es den Mitgliedern gehen soll. Ferner sollte man darauf aufmerksam sein, dass verschiedene Gruppen Leben und Lehre mit der Zeit auf eine Weise ändern können, die Folgen für das Verständnis aktueller mentaler Schwierigkeiten bei Mitgliedern und ehemaligen Mitgliedern haben kann. Außerdem können mentale Schwierigkeiten bei einem Mitglied oder ehemaligem Mitglied ebenso auf frühere Lehren wie auf gegenwärtige Lehren bezogen sein:

 

Man kann sich auch Information über konkrete neureligiöse Bewegungen dadurch aneignen, dass man liest, was andere Außenstehende über diese meinen. Man muss dann versuchen abzuklären, ob das, was man liest, ein Ausdruck dafür ist, was die Mitglieder / die Organisation über sich selbst meinen, was Außenstehende über die Mitglieder / die Organisation meinen oder was ein Forscher meint, und allgemein was Meinungen und was Tatsachen sind. Ein Teil dieser Literatur hat übrigens eine kritische Einstellung. Ein aktuelles Beispiel ist die Glaubensbewegung, die in den letzten 20 Jahren einen großen Zuwachs verzeichnete und der mit Kritik in englisch sprechenden Ländern (Hunt, 1987; Masters, 1988; Hanegraff 1993; Hill, Fenwick, Forbes & Noakes, 1997), in Schweden (Reichmann, 1990; Swartling & Swartling, 1993) und in Norwegen (Wilting, 2003) begegnet wurde. Bezüglich des Lebens hat sich die Kritik besonders gegen autoritäre Leitungsstrukturen, Dämonisierung, Hervorrufen emotioneller Reaktionen mit psychotischem Einschlag, Bagatellisierung seelischer Bedürfnisse, psychische Manipulation und mentale Übergriffe sowie Feindschaft gegen andere religiöse Gruppen gerichtet. Bezüglich der Lehre war die Kritik besonders gegen die fehlende Theozentrizität und ihre Ansicht über Gnadengaben, Offenbarungen, Salbungen und Apostelämter gerichtet. Kritik war auf beiden Ebenen auch auf die „ungesunde Theologie“ gerichtet, wie es zum Beispiel Lundgren (2006, S. 51) in ihrer Beschreibung der Theologie der Gemeinde in Knutby tut: „Auch Knutbys theologische Wurzeln sind hier zu finden, in einer Art Kreuzung zwischen traditioneller Pfingstbewegung und neucharismatischer Glaubensbewegung. Der Mensch wird als Schlachtfeld für den kosmischen Kampf zwischen Gott und Satan angesehen, und ist an sich ein leerer Behälter, den man mit Kraft von außen füllen muss – mit Gutem oder Bösem. Dieses magische Wirklichkeitsverständnis sieht von den eigenen Ressourcen und Fähigkeiten des Menschen ab – zu Veränderung, Liebe und politischem Handeln. Nur wer richtig gefüllt wird – in Knutby ist die Braut der Inbegriff davon – vermeidet es, als von Dämonen gefüllt abgestempelt zu werden.“

 

Gleichgültig welche Methoden und Informanten man benützt, die wichtigste Frage ist, ob es einem gelingt, die dahinter liegenden Mechanismen zu sehen, die entscheidend dafür sind zu verstehen, warum solche Gruppen entstehen und sich entwickeln und warum sich Menschen ihnen anschließen. Man sollte auch darauf aufmerksam sein, dass eine kulturelle Ausdrucksform grundsätzlich nur ein Wirkmittel ist und dass dieses nicht notwendigerweise etwas über den Inhalt und die Intentionen aussagt, die dahinter liegen. Dass manche systematische Beeinflussungsmethoden benützen, kann aber muss nicht bedeuten, dass sie bewusst Manipulation anwenden oder aus einer verborgenen Absicht heraus handeln. Hier findet man viele Menschen, die von ihren Ideen so begeistert sind, dass sie, vielleicht ohne ganz die Reichweite dessen zu verstehen, was sie tun, durch ihre legitimierte Macht tun was sie können, um neue Mitglieder für ihre Organisation zu rekrutieren, wenn nötig aus dem Prinzip heraus, dass der Zweck die Mittel heiligt, da sie ja für eine gute Sache arbeiten. Der Weg zur Hölle ist jedoch wie so oft mit guten Vorsätzen gepflastert, und edle Motive sind ein schlechter Trost für Menschen, denen als Folge des unkritischen Eifers des Leiters mentale Schwierigkeiten zugefügt werden.

 

Triangulierung und Beachtung verschiedener Perspektiven

 

In den USA geht die Debatte weiter, zum Beispiel über die Frage, in welchem Maß man über neureligiöse Bewegungen allgemein sagen kann, dass sie auf ihre Mitglieder einen negativen Einfluss haben, und über Versuche, zu Kompromissen im Verständnis dieser Frage zu finden (Zablocki & Robbins, 2001; Langone, 2005). Solche Gegensätze hängen wohl damit zusammen, dass verschiedene Interessensgruppen und Fachgruppen zunächst verschiedene Schwerpunkte in ihre Sicht bezüglich neureligiöser Bewegungen haben. Einige konzentrieren sich auf die theologischen Seiten, andere auf die kulturellen und sozialen Seiten, wieder andere auf die mentalen Seiten, manche darauf, was diese Bewegungen uns lehren können, und manche auf die angenommenen destruktiven und problemschaffenden Seiten. Einseitige Perspektiven sind jedenfalls wenig fruchtbar. Ein weiterer Weg für die Psychologie und für andere Fachgruppen kann dabei die so genannte Triangulierung sein (Patton, 1990; Malterud 2003; Thagaard, 2003), die bedeutet, dass man ausgehend von verschiedenen Quellen, Methoden und fachlichen Perspektiven sich zu einer gemeinsamen Betrachtungsweise durchringt und dass man durch gegenseitige Bestätigung oder Widerlegung die Gültigkeit von verschiedenen vorläufigen Schlussfolgerungen stärkt oder schwächt. Ein Beispiel dafür könnte sein, wenn eine Gruppe von Psychologen auf Grund bestimmter gemeinsamer Erfahrungen aus der klinischen Praxis eine Hypothese aufstellt, dass zwischen dem, was eine konkrete Glaubensgemeinschaft vertritt, und mentalen Problemen bei ihren Mitgliedern und / der ehemaligen Mitgliedern ein Zusammenhang bestehen kann. Diese Hypothese kann dann weiterhin gestärkt oder abgeschwächt werden, indem man analysiert, was die Glaubensgemeinschaft vertritt, dies in theologischen, psychologischen, soziologischen und anthropologischen Ausdrücken beschreibt, verschiedene Erwartungen bei der Glaubensgemeinschaft analysiert, wie diese in ihren Schriften und aus den Worten der Vertreter der Glaubensgemeinschaft zum Ausdruck kommen, sich Information von Mitgliedern und ehemaligen Mitgliedern aneignet, und/oder empirische Studien mit der Beachtung der Art und Zahl der mentalen Schwierigkeiten bei Mitgliedern und ehemaligen Mitgliedern der Glaubensgemeinschaft durchführt. Wenn alle oder die meisten solchen Informationen in eine bestimmte Richtung weisen, dann könnten diese eine gesammelte Bestätigung einer eventuellen Schlussfolgerung ergeben, die dann zu nützlichen Korrektiven in der klinischen Praxis sowie in sonstigen akademischen oder sozialfachlichen Disziplinen führen könnte.

 

Ein Beispiel für Triangulierung ist die früher erwähnte Gemeinde in Asker, wo ein Oberarzt und ein psychiatrischer Krankenpfleger mit teils gleichen und teils verschiedenen Ausgangspunkten ihre Schlussfolgerungen gegenseitig unterstützten. Triangulierung kann auch weiter greifen, indem verschiedene Fachgruppen, Vertreter aktueller Gruppen und einzelne Mitglieder / ehemalige Mitglieder mit verschiedenen fachlichen, theoretischen und persönlichen Standpunkten zusammenarbeiten, zum Beispiel bei Konferenzen, Workshops, Debatten und Konsensdiskussionen. Ein Beispiel eines Versuchs einer Triangulierung in Norwegen war eine querfachliche Konferenz, die Redd Barna (das Go On Projekt) am 12.11.02 in Oslo veranstaltete [2]. Hier konnten sowohl Fachleute als auch Vertreter aktueller Glaubensgemeinschaften zu Wort kommen und ihre Ansichten darlegen.

 

Ein anderes Beispiel sind Fachseminare, in denen Forscher, Psychologen, Theologen und andere aktuelle Fachgruppen die Zeit benützen, um ihre Erfahrungen und Gedanken miteinander zu teilen, wie das seit 1997 im Institut für Seelsorge praktiziert wurde. Solche querfachliche Zusammenarbeit wird auch von Saliba (2003, S. VII) empfohlen, der sagt: “…. examining the new religions from different academic perspectives is a necessary preliminary step for understanding their presence in our age and for drafting an effective response to their influence”. Ein konkretes Beispiel, das die Wichtigkeit einer solchen querfachlichen Zusammenarbeit zeigt, ist das folgende: Theologen mit ihren Kenntnissen können Hypothesen über Lehrsätze aufstellen, von denen man annehmen kann, dass die pathologisierend sind, aber sie haben beschränkte Kenntnisse über Psychopathologie. Psychologen haben ihrerseits beschränkte Kenntnisse über solche Lehrsätze, haben aber viel Kompetenz darüber, was pathologisch sein kann. Gemeinsam können diese Fachgruppen vielleicht genaue Beurteilungen der Zusammenhänge zwischen Theologie und Psychopathologie ausarbeiten. Ein anderes Beispiel ist der verschiedene Fokus bei Soziologen und Psychologen. Repstad (1994) behauptet hier, dass Soziologen eine Tendenz haben können, sich mit den Mitgliedern zu überidentifizieren und autoritäre Züge zu missachten, und dass Psychologen eine Tendenz haben können, die Mitglieder zu pathologisieren. Vielleicht ist es auch so, wie Bromley, Hadden & Hammond (1987) zufolge Repstad (1994) behaupten, dass Psychologen in größerem Maß als Soziologen die Persönlichkeit als permanenten stabilen Faktor sehen und dass Soziologen daher weniger überrascht sind, wenn man rasche Änderungen von Einstellungen als Ergebnis von Rollenänderungen und Zusammenhängen beobachtet.

 

Der Weg zu Meinungen ist oft kurz, während der Weg zum Verständnis bedeutend länger sein kann. Sich die richtigen Kenntnisse über dieses Phänomen anzueignen erfordert Zeit, Offenheit, Zusammenarbeit und Bewusstsein der eigenen Position, sowohl fachlich als auch persönlich, samt dem Willen, sich korrigieren zu lassen und dasselbe Phänomen aus verschiedenen Perspektiven sehen zu können. Eine Parallele dazu ist die Kritik, die von der Norwegischen Botschaft in Deutschland durch Kulturattaché John Meyer erhoben wurde, der behauptet, das Projekt „Die weißen Busse“ gebe norwegischen Jugendlichen einen falschen Eindruck von Deutschland, da sich dieses Projekt nur auf eine kleine, destruktive und nur historisch relevante Seite der deutschen Gesellschaft bezieht (NRK Netzzeitung 11.06.05). Der springende Punkt ist also der, dass man durch ein solches Projekt unnötige Vorurteile gegen eine ganze Nation erzeugen kann. Es ist aber auch wichtig, dass norwegische Jugendliche, die ein oberflächliches Verhältnis zu unserer europäischen Geschichte haben, auch auf deren destruktive Seiten aufmerksam gemacht werden.

 

Bezüglich neureligiöser Bewegungen sollten Psychologen und andere Fachleute (Soziologen, Anthropologen, Philosophen, Politwissenschaftler, Ärzte, Pädagogen, Juristen, Theologen, Sozialarbeiter, usw.) versuchen, dieses Phänomen von innen und von außen her zu verstehen, eine Perspektive sowohl für das Pathologische als auch für das Heilsfördernde entwickeln, gegen eigene Voreingenommenheit und Feldblindheit zu arbeiten, Demut gegenüber dem Fremden und Unbekannten zu zeigen, Fähigkeiten zu entwickeln, um Perspektiven für verschiedene Ursachenzusammenhänge zu haben, und durch Triangulierung oder andere Formen von querfachlicher Zusammenarbeit sich neue und relevante Kenntnisse anzueignen. Solche Kenntnisse können sich zum Beispiel darauf beziehen, verschiedene soziale Mechanismen besser zu verstehen, die mit Politik, Organisation, Wissenserwerb, Ökonomie, Kultur und Theologie zu tun haben und die man innerhalb solcher Gruppen finden kann, und herauszufinden, wie sich solche Mechanismen zur mentalen Seite der involvierten Akteure beziehen. Es kann sich auch um die Frage handeln, welchen Nutzwert dieses Phänomen für unsere Kultur ganz allgemein hat oder nicht hat. Man kann auch von der Moralethik ausgehen und zum Beispiel darüber diskutieren, ob solche religiösen Elitegruppen durch ihre „Offenbarungen“ unserer Kultur etwas Positives in Form von neuen und konstruktiven Weisen der Wirklichkeitsauffassung zuführen oder ob solche Gruppen mit etwas Negativem dazu beitragen, weil sie ihr Meinungsmonopol als eine Strategie benützen, um durch ihre angenommene einzigartige Kenntnis Macht zu legitimieren. Man kann auch moralphilosophische Dilemmas diskutieren, wie zum Bespiel ob man das Recht oder sogar die Pflicht hat, die Menschen vor (bestimmten) neureligiösen Bewegungen zu warnen oder zu versuchen, sie zu überreden, diese zu verlassen (Hassan, 2000), und allgemeiner, ob es richtig sei, innerhalb der Rahmen derselben ethischen Grundsätze zu operieren, die zu befolgen man selbst andere kritisiert (z.B. bei Kriegshandlungen, bei denen man Menschen mit Gewalt unterdrückt, um das Menschenrecht auf Freiheit zu bewahren, oder tötet, um eigene Mitglieder vor Gewalt zu schützen). Wenn man das Augenmerk bei neureligiösen Bewegungen auf körperliche Gesundheit richtet, dann ist solche querfachliche Triangulierung für unsere eigene Fachgruppe ohnehin ebenso nützlich wie für andere Fachgruppen und könnte für konstruktive Rückmeldungen an unsere eigene Kultur beitragen, zum Beispiel indem man allgemeinen negativen Haltungen entgegentritt, wie sie durch Vorurteile, Mythen und Stereotypien zum Ausdruck kommen, oder umgekehrt durch die Schaffung eines stärkeren Bewusstseins für problemerzeugende Phänomene.

 

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Anmerkung: Für nicht deutschsprachige Referenzen sind, falls, bekannt, Übersetzungen angegeben. Für die übrigen skandinavischsprachigen Referenzen sind die deutschen Übersetzungen der Titel in eckiger Klammer angeführt.

 

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Quelle: http://home.online.no/~kjtotlan/religionspsykologi/bevegelser.htm

 

Kjell Totland Psykologtjenester

kjtotlan@online.no

 



[1] Sara Svensson hatte unter dem Einfluss des Pastors Helge Fossmo dessen Frau erschossen und einen Nachbarn schwer verletzt.

[2] Siehe http://griess.st1.at/go-on/