Das geheime dänische Imperium von Humana im Gerede
Lumpen als Goldmine
Von Han Gommeren
Kleidersammeln für die Dritte Welt. Dies sieht wie ein edles Werk aus. Doch kam die ursprünglich dänische Humana und das damit verbundene Tvind schon seit Jahren ins Gerede. Es ist die Frage, ob all die Millionen, die an gebrauchten Kleidern verdient werden, wirklich den armen Mitmenschen zugute kommen, wie Humana behauptet. Oder verschwinden sie größtenteils in einem weltweiten Netz von Stiftungen, Schulen, Betrieben, Plantagen und Postkastenfirmen des Tvind-Imperiums?
'Sie verschenken die Kleider, glaube ich', sagt Frau H. Lentink, nur Schritte entfernt vom weißen Humana - Kleidercontainer am Heerzerweg in Eindhoven. Die Stratumserin liefert hier regelmäßig alte Kleider ab. Erstaunt blickt sie auf, als sie hört,. daß Humana die Kleider in eigenen Läden in den Niederlanden verkauft und durch kommerzielle Schwesterbetriebe größtenteils nach Osteuropa und Afrika exportiert. Für einen guten Zweck, sagt Humana. Anders als es die einfachen Container vermuten lassen, ist der Handel mit Secondhand-Textilien ein Millionengeschäft. Zum Beispiel stehen in Eindhoven mindestens vierzig Humanacontainer und darin verschwanden im Jahr 2000 758.000 Kilo gebrauchte Kleider. ..... Insgesamt gibt Humana an, in den Niederlanden jährlich etwa zehn Millionen Kilogramm (niederländischer Marktpreis Euro 0.45 per Kilogramm) zu sammeln. Humana sammelt Kleider in elf europäischen Ländern, aber auch in den Vereinigten Staaten. Die weltweit agierende Humana hat ihren Ursprung in Dänemark. 1970 gründete dort eine Gesellschaft von Hippies unter der Leitung des Lehrers Amdi Petersen im dänischen Dörfchen Tvind eine alternative Schule, 'um die Welt zu retten'. Die Tvind-Bewegung bekam schnell Anhänger, die Anzahl der Schulen wuchs dementsprechend. Dies geschah dank der dänischen Gesetzgebung mit viel Unterstützungsgeldern. 1997 rief Tvind die Development Aid for People to People (DAPP), oder in Afrika Humana, ins Leben. Die Tvindschulen bildeten die DAPP-Studenten zu Entwicklungshelfern aus. Mitte der Achtzigerjahre stürzte sich Tvind durch Humana auf den lukrativen Markt des Kleidersammelns. Mit dem Zweck, so sagt Humana, Entwicklungsprojekte zu finanzieren.
Millionärsinsel
Inzwischen, mehr als vierzig Jahre nach der Entstehung von Tvind, bewohnt der Gründer Amdi Petersen ein Penthouse im Wert von 7,9 Millionen Euro auf einer Millionärsinsel bei Miami. Der charismatische Tvind-Boss verschwand 1979 spurlos, aber Journalisten der dänischen Zeitung Jyllands-Posten spürten im Vorjahr seinen Aufenthaltsort auf. Petersen verschwand nicht grundlos. Die dänischen Behörden vermuten, daß Tvind hunderte Millionen Kronen an Subventionen häufig für andere Zwecke als Unterricht ausgegeben hat. 1996 wurden daher die Subventionszahlungen an einige Dutzend Schulen eingestellt. Die Subventionen bilden die Basis des heutigen Tvind-Reichtums. 'Die Subventionen sind im Tvind-Netzwerk verschwunden', sagte der damalige Unterrichtsminister Ole Vig Jensen. Die hunderte Millionen bilden einen Teil der Milliarden, die dem ehemaligen Tvind-Spitzenmann Henning Bjørnlund zufolge in dem Imperium von Schulen, Stiftungen, Betrieben und Baumplantagen zirkulieren. Er kaufte, sagt er, alle Baumplantagen für Tvind - unter dem Vorwand der Entwicklungsarbeit. 'Bei allen Ankäufen war der Ausgangspunkt, daß sie gewinnbringend sein mußten. Auf den Plantagen findet keine Entwicklungsarbeit statt, das ist pures Geschäft', bekannte Bjørnlund 1995. Das Herz von Tvind bildet die sogenannte Lehrergruppe, welche die Schulen und Betriebe von Tvind und die Entwicklungsprojekte von Humana leitet. Wer der Lehrergruppe beitritt, liefert all seinen persönlichen Besitz ab. Jeder Lehrer zahlt seinen Gehalt in einen gemeinsamen Topf ein im Austausch gegen Kost, Quartier und ein wenig Taschengeld. Geld und Zeit sind bei Tvind gemeinsamer Besitz. Die Studenten für die Tvind-Schulen werden durch Humana weltweit geworben, auch in den Niederlanden. Die Entwicklungshelfer in spe müssen arbeiten, um ihr Studium zu verdienen: Karten verkaufen, arbeiten in Humana-Geschäften, Kleidersortierzentralen und Tvind-Betrieben. In Groningen riet im Vorjahr der Studentenbund den Studenten, einen Aufruf durch Humana-Poster in der Stadt ('You are needed in Africa') zu ignorieren. Sowohl der Unterricht als auch das Entwicklungswerk von Tvind/Humana sind seit Jahren der Kritik ausgesetzt. Die Europäische Union stellte 1987 fest, daß auf den Tvind-Plantagen, die offiziell als Entwicklungsprojekte gelten, zwischen Tvind und der Bevölkerung ein Verhältnis wie zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer besteht. Von einer Partnerschaft war keine Rede. Die EU betrachtet außerdem die Entwicklungshelfer von Humana als 'im allgemeinen nicht qualifiziert':
Eindhoven
Ex-Freiwillige beklagen sich in der Presse regelmäßig über 'geistigen Terror', der auf sie ausgeübt wurde. Sie berichten auch, daß sie an den Tvindschulen zwar putzen mußten, aber kaum einen Unterricht bekamen. Solche Erfahrungen machte auch eine nun in Eindhoven wohnende 20-jährige Slowakin. Sie sollte nach einer Humana-Ankündigung eine Ausbildung bei Tvind zur Entwicklungshelferin im norwegischen Hornsjø absolvieren. Nach der Ausbildung von sechs Monaten mußte sie arbeiten, um die Studiengebühren - ungefähr 3400 Euro - zurückzuzahlen, und tausende Euros für den Aufenthalt. 'Von der Ausbildung gab es überhaupt nichts', berichtet die Slowakin. Vor ihr liegt eine Ansichtskarte und darauf ein Hotel in Hornsjø (bei Lillehammer). 'Wir mußten von morgens bis abends im Skihotel von Tvind arbeiten. Als ich wegen Ermüdung zuletzt eine Epilepsieanfall bekam, schrie mich ein Lehrer an, ich solle arbeiten. Ich hatte Todesangst. Im Laufe der Zeit kam ich mit einigen anderen zur Schlußfolgerung, daß nichts von dem verwirklicht wurde, was man uns vorgespiegelt hatte. Humana benützt Menschen für den eigenen Gewinn und mißbraucht den jugendlichen Idealismus.' Dank einer hilfsbereiten Eindhovenerin, die sie via Internet kennenlernte, konnte sie flüchten. Humana wirbelt quer durch Europa Staub auf. In Frankreich verboten die Richter Humana nach Problemen mit dem Fiskus. Schwedische Untersuchungen zu Beginn der Neunzigerjahre zeigten, daß nur zwei Prozent des Ertrags an die Dritte Welt flossen. In Großbritannien wurde Humana 1988 durch die Charity Commission aufgehoben, weil Charity-Geld in Simbabwe verschwand. 'Alle dänischen Vorstandsmitglieder wurden aus dem Vorstand entfernt und durch Briten ersetzt. Es wurde eine neue Organisation errichtet, Traid Ltd.', sagt der englische Journalist Michael Durham, der eine Website über Tvind (http://www.tvindalert.org.uk) errichtet hat. Eines der auf die Straße gesetzten Vorstandsmitglieder war Jytte Nielsen. Die Dänin ist nun allgemeine Direktorin von Humana Niederlande, Vize-Vorsitzende von Humana Österreich und spielt eine bedeutende Rolle in der europäischen Humana-Organisation. Vorsitzender Jesper Wohlert von der Stiftung Humana Hergebruik, einer der beiden Stiftungen, aus denen Humana Niederlande noch besteht, war Direktor des 1988 aufgehobenen britischen Tvind-Betriebes All Europe Satellite Television Ltd.. Dort verschwanden damals viele Zehntausende Pfund der britischen Humana. Die Frage ist nun: Wie steht es mit Humana Niederlande? Direktor R. van Baaren sagt, es sei sicher, daß der Ertrag der Kleidersammlung in den Niederlanden für Hilfe in Afrika verwendet wird. 'Der Rechnungsprüfer bestätigt, daß das Geld bei unserer Schwesternorganisation DAPP in Afrika ankommt.' Kontrolle über die Verwendung des Geldes findet nicht statt. Das niederländische Äquivalent der britischen Charity Commission, das Centraal Bureau Fondsenwerving, hat mangels gesetzlicher Befugnis und Geldes keine Möglichkeit, in Afrika Kontrollen bei DAPP/Humana durchzuführen, sagt die stellvertretende Direktorin L. van Beth. 'Natürlich wissen wir, daß in Europa jahrelang um Humana krumme Dinge geschahen. Aber auf dem Papier klappt hier alles.'
Kommerziell
Humana ist trotzdem äußerst kommerziell eingestellt. Es verkaufte, ebenso wie ihre europäischen Schwesternorganisationen, Millionen, wenn nicht Dutzende Millionen Kilogramm Kleidung durch den in Amsterdam errichteten Tvind-Betrieb Textile Transformation EC Trading BV. Bis EC Trading im Jahr 2000 in Konkurs ging und z.B. den größten niederländische Kleidersortierbetrieb, die De Boer Groep, mit einer unbezahlten Rechnung von eineinhalb Millionen Gulden sitzen ließ. Von Humana Niederlande verschwanden eine halbe Million Gulden (226.980 Euro) durch den Konkurs, Geld, das auf jeden Fall nicht der Dritten Welt zugute kam. Jedoch macht Humana Niederlande nun Geschäfte mit dem ersten Direktor von EC Trading, dem Dänen Flemming Gustafsson. EC Trading ging durch vier Nichtbezahler in Konkurs, Postkastenfirmen im Steuerparadies Jersey. Diese werden, ebenso wie EC Trading, von dänisch/skandinavischen Direktoren geleitet, in diesem Fall nahezu immer dieselben drei. Und sie werden, ebenso wie die meisten Vorstandsmitglieder von Humana Niederlande, zur Lehrergruppe gerechnet. PvdA-Kammermitglied P. van Heemst, der 1996 Humana in Frage stellte, ist in seiner Reaktion kurz aber kräftig: 'Ich raten den Gemeinden, die Zusammenarbeit mit Humana zu beenden. Tvind/Humana ist eine Geldmaschine unter der Tarnung als Hilfe für die Dritte Welt.' Die Gemeinde Zaanstadt hat - bisher bekannt als erste niederländische Gemeinde - beschlossen, die Kleidercontainer zu verbannen. Zur Empörung der Humana, die von einer 'mittelalterlichen Hexenjagd" spricht. Der Eindhovener Gesetzeshüter von Milieu und Finanzen, A. Scherf, sieht keinen Anlaß, sich auf die Beziehung zu Humana zu besinnen. Eine wiederholtes Ansuchen um ein Gespräch läßt er unbeantwortet. Die vierzig Kleidercontainer bleiben, soweit es ihn betrifft, einfach stehen.