Trouw (Amsterdam), 2.3.96:

Norwegische Brüder benützen psychischen Terror gegenüber Abgefallenen

Von unseren Berichterstattern.

ANTWERPEN. - Die in den Niederlanden ins Gerede gekommene Glaubensgemeinschaft Norwegische Brüder übt 'kolossalen psychischen Terror' auf Menschen aus, welche die Bewegung verlassen wollen oder dies bereits getan haben.

Gegen Gläubige, welche sich nach der Meinung der Leiter zu kritisch verhalten, werden Zuchtmaßnahmen getroffen. Wenn sie ihr Leben nicht bessern, werden sie ohne Angabe von Gründen aus der Gruppe 'ausgestoßen'. Die Ausgestoßenen und Ausgetretenen landen in einer großen Leere. Von den Zurückbleibenden werden sie buchstäblich in die Hölle verwiesen. Bei den Zusammenkünften werden die abtrünnigen Gläubigen für 'geistlich tot' erklärt, was soviel bedeutet wie: für die Ewigkeit verloren. "Gläubige, welche ihr ganzes Leben bei den Norwegischen Brüdern verbracht haben, haben nichts mehr", sagt Pastor Audun Erdal, Seemannsprediger im Hafen von Antwerpen. "Sie leben unter schrecklichem Druck und kommen gegen diesen Druck nicht auf. Und sie können von nirgendwo Hilfe erhalten, weil ihr ganzes (soziales) Netzwerk sich innerhalb der Gemeinschaft abspielt. So gibt es viele einsame Tragödien".

Der lutherische Prediger Erdal studierte Mitte der Achtzigerjahre an der Freien Universität von Oslo über die Norwegischen Brüder. Er rät den Menschen auf das Stärkste davon ab, sich dieser Glaubensgemeinschaft anzuschließen. Die Glaubenslehre ist ihm zufolge ungesund. So werden der eigene Wille und die Individualität des Menschen als negativ abgestempelt. Sie sollen verhindern, daß der Geist Gottes vom Gläubigen vollständig Besitz ergreift, so daß dieser sündenlos leben kann. Erdal: "Die Lehre führt zu vielen eigenartigen Persönlichkeitsmerkmalen. Zum Beispiel die unangebrachte Haltung von Untertänigkeit und Bescheidenheit".

Inzest, Kindesmißhandlung und sexueller Mißbrauch kommen ihm zufolge auch bei den Norwegischen Brüdern im Mutterland Norwegen vor. Er vermutet, daß solche Übertretungen verheimlicht werden, wie dies auch bei dem Religionslehrer von Rijssen geschah, der sich zehn Jahre lang an Knaben innerhalb der Glaubensgemeinschaft vergriffen hatte. Da die Leitung der Bruderschaft niemals Anzeige erstattete, konnte der Mann jahrelang ungehindert seine Praktiken in der christlichen Schulgemeinschaft Reggesteyn fortsetzen. Die Opfer solcher Mißbräuche in Norwegen haben Erdal zufolge 'nicht die Kraft', Anzeige zu erstatten. Die mißbrauchten Knaben im niederländischen Zweig haben ebensowenig jemals Anzeige erstattet.

Dennoch findet der Seemannsprediger nicht, daß die Sekte verboten werden müßte. Es gibt dort auch viele aufrichtige Gläubige, betont er, 'an der Basis'.

o Seite 9: In der Welt des absoluten Gehorsams blühen die Herrscher.

Übersetzung: Friedrich Griess