Stavanger Aftenblad, Mittwoch 21/10-92,

Seite 4 : Reportage.

Kaplan warnt vor Smiths Freunden

Kaplan Audun Erdal aus Madla warnt die Leute vor den Smiths Freunden. Dennoch zählt er die "Freunde" zu den christlichen Sekten - am äußersten Rande. Er meint, daß die letzte Entwicklung mit der Spaltung bei den Smiths Freunden darauf hindeutet, daß der endgültige Zusammenbruch bald bevorsteht. Die Leiter nehmen nun Zuflucht zu stärkeren Mitteln, um dies zu verhindern.

Von Eldri Espedal Storhaug

Audun Erdal ist einer der wenigen im Lande, die über die Smiths Freunde geforscht und geschrieben haben. Er schrieb eine Spezialabhandlung über die "Freunde" zu seiner theologischen Amtsprüfung. Etwas davon wurde 1987 in der Zeitschrift für Theologie und Kirche veröffentlicht.

Heute ist Erdal Kaplan an der Domkirche in Kristiansand, er wuchs jedoch auf Madla auf. In der Schule und in der Nachbarschaft traf er auf die Smiths Freunde. Seine Neugierde wurde geweckt und führte später zu aktiven Studien bei den Versammlungen der Smiths Freunde, bei ihnen daheim und in ihrem Schrifttum.

- Eine spezielle Gesellschaft

- Die Smiths Freunde sind eine unglaublich spezielle Gesellschaft, die ganz am Rande dessen liegt, was man christlich nennt. Wenn ich vor ihnen warne, so ist dies vor allem auf Grund der psychischen Probleme und der zerrissenen Familien, die ich aus der Nähe gesehen habe. Es dreht sich um eine sehr geschlossene Gesellschaft mit starken leitenden Persönlichkeiten. Es ist offenbarer Machtmißbrauch, wenn die Leiter völligen Gehorsam verlangen. Weil die "Freunde" gewohnt sind, den Leitern zu vertrauen, bedarf es sehr grober Verstöße, bevor jemand eine Frage zu stellen wagt. Solche Gedanken werden dann leicht als ungöttlich abgeschmettert. Wenn sie selbst sagen: "Selig sind die Jugendlichen, die ihre Familie mit gebrochenem Eigenwillen verlassen", dann wissen wir, daß die Leiter es leicht haben, diese Jugendlichen zu formen. Die ganze Zeit wird der Glaubensgehorsam verkündet, und dieser wird mit dem Gehorsam gegenüber den Leitern verbunden.

- Das hört sich ja gefährlich an ?

- Ich selbst assoziiere das mit den alten sowjetischen Führern, so wie diese danach strebten, das Volk zusammenzuhalten.

- Aber die meisten Leute haben den Eindruck, daß die Smiths Freunde ungewöhnlich fromme Menschen sind ?

- Sie legen großen Wert darauf, fromm zu sein, und viele sind nette Menschen. Aber ich habe auch viele seltsame Persönlichkeiten und frustrierte Menschen sowohl unter denen gesehen, die bei den Smiths Freunden sind, als auch bei denen, die ausgetreten waren. Hinter der prächtigen Fassade von Frömmigkeit, Fleiß und Genügsamkeit verbirgt sich vieles. Wenn so wenige aus den großen Kinderscharen austreten, ist die Ursache dafür die, daß diese ein so beschütztes Leben gelebt haben, von der übrigen Gesellschaft fast abgesondert. Dadurch wird es ungewöhnlich schwierig, auszutreten. Da verliert man meist den Kontakt mit allen Verwandten und Freunden, sagt Erdal.

Die großen Kinderscharen haben dazu geführt, daß die Smiths Freunde seit ihrer Gründung in Norwegen um die Jahrhundertwende auf etwa 10.000 angewachsen sind. Unglaublicherweise hat die Gesellschaft der Freunde sich auf 50 Länder ausgebreitet, auch so ferne Länder wie den Irak, Nicaragua und afrikanische Staaten. In Österreich haben die Smiths Freunde wegen ihrer Besonderheit große Aufmerksamkeit in den Medien erregt. Es gab Prozesse, weil Eltern - erfolglos - versucht hatten, ihre Kinder zu kidnappen, nachdem sie der Sekte beigetreten waren.

- Der Leitung der Smiths Freunde gelang es bisher, die kleinen Aufstände niederzuhalten. Aber nun fangen die Leute an, die Smiths Freunde haufenweise zu verlassen, und das veranlaßt mich zu glauben, daß das noch anwachsen wird. Vieles von dem, was jetzt geschieht, ist so arg, daß die Leute es wagen, Fragen zu stellen, deutet Erdal an.

- Wie ordnest du die Smiths Freunde theologisch ein ?

- Sie sind extremer als die Pfingstbewegung und können mit niemandem gut zusammenarbeiten. Aber es ist klar, daß Lutheraner darauf reagieren, wenn die Leiter der Smiths Freunde sagen, sie hätten seit der Zeit vor dem Krieg nicht mehr gesündigt. Die Ermahnungen des Paulus werden ständig wiederholt, aber auf die Evangelien legt man wenig Wert. Sie bestehen darauf, abgesondert von der übrigen Gesellschaft ein heiliges Leben zu führen, sagt Kaplan Audun Erdal.