Aus "St. Olav", katholische Zeitschrift für Religion und Kultur, Nr. 3/98:
Baby Johannessen: Die Hierarchie und die Laien (2):
Dokument aus Rom stößt auf Widerstand
Im Herbst 1997 sandte die Kurie ein Dokument aus - eine Instruktion mit praktischen Verhaltensregeln - über die Aufgaben der Laien und der Priester in der Kirche. In einer Zeit empfindlichen Priestermangels in der römisch-katholischen Kirche legt die Instruktion dar, daß bestimmte kirchliche Aufgabe, welche die Laien in den Gemeinden und Diözesen derzeit erfüllen, ihnen entzogen und den geweihten Priestern, in erster Linie den Pfarrern, überlassen werden sollten.
In der Einleitung zu dieser Instruktion wird in warmen Worten über die aktive Teilnahme der Laien am kirchlichen Leben und deren Bedeutung für die Mission der Kirche in der Welt von heute gesprochen. Es ist die Rede vom "Volk Gottes", mit Hinweis auf die Heilige Schrift, das 2. Vatikanische Konzil und die Bischofsynoden - samt einige Schriften von Papst Johannes Paul II über die Laien. Darauf wird die Bedeutung des geweihten Priesters betont. Ohne Priester kann eine Gemeinde sich nicht "Kirche" nennen, heißt es. Damit wird der Priester als "unersetzlich" bezeichnet.
Die Instruktion korrigiert das Kirchenrecht
In der Instruktion wird ständig auf das Kirchenrecht, den Codex Iuris Canonici, verwiesen. Dem Kirchenrechtsexperten Peter Krämer zufolge ist jedoch die Instruktion kein kirchenrechtliches Dokument, wie es das Kirchenrecht ist. Die Instruktion enthält kein neues Gesetz für die Kirche. Die Instruktion muß sich dem Kirchenrecht unterordnen. Sie kann, wie sie es tut, keine strengeren Beschränkungen für die Teilnahme der Laien an kirchlichen Diensten errichten als das Kirchenrecht selbst. Krämer hegt auch Zweifel, ob die Instruktion über lokalen Gesetzen und Verordnungen in den Diözesen stehen kann, wenn sie z.B. den Aufbau von Verantwortung / Leitung in Verbindung mit Pfarrgemeinderäten und gewählten Organen auf Diözesanebene betrifft.
Ein näherer Vergleich zwischen der Instruktion und den Paragraphen im Kirchenrecht, auf welche hingewiesen wird, zeigt, daß Professor Krämer Recht hat: Die Instruktion versucht, einzuschränken, indem sie die Paragraphen, die sie betrifft, in einer gewünschten Richtung interpretiert.
Die Aufgaben der Laien
Im Abschnitt der Instruktion über die praktische Durchführung der Zusammenarbeit zwischen Priesterschaft und Laien wird in der Einleitung präzisiert, daß alles, was Laien im kirchlichen Zusammenhang tun, ihnen von den leitenden Organen der Kirche auferlegt werden soll: dem Bischof, dem Pfarrer, in einigen speziellen Fällen zentralkirchlichen Organen in Rom, je nach dem Umfang des Auftrages. Solche Dienste sollen "vorübergehend" sein und von Katholiken ausgeführt werden, die "wegen untadeligen Wandels und eines frommen Lebens" allgemeinen Respekt genießen. Es steht dort nichts von der Kompetenz der Laien für die Aufgaben!
Soweit es liturgische Handlungen betrifft, sagt das Kirchenrecht (Canon 230 ß 3) ausdrücklich, daß, wo kein geweihter Priester erreichbar ist, Laien Wortgottesdienste halten, liturgisches Gebet leiten, Taufen spenden und die Kommunion austeilen können. Diese Laien sind dabei vom Bischof für diese Dienste eingesetzt. Die Instruktion geht hier über das Kirchenrecht hinaus, wenn sie besagt, daß solche Vollmachten nicht an Laien als eine ständige Beauftragung erteilt werden können. Das Kirchenrecht setzt keine zeitliche Beschränkung. Ähnliche Vorschriften in der Instruktion betreffen die Predigt. Während eines Wortgottesdienstes können Laien mit Erlaubnis des Bischofs predigen, aber da dürfen sie in ihrer "Predigt" nicht die Heilige Schrift auslegen.
Eine Auflage in der Instruktion betrifft den Pfarrgemeinderat. Der Pfarrer soll der Vorsitzende sein, denn er ist "am kompetentesten". Findet man am Ort keinen Priester, so kann man pensionierte Priester benützen. Der Bischof muß nicht dem Wunsch des Priesters nach Rücktritt mit dem 75. Lebensjahr nachkommen, heißt es in der Instruktion.
Der Einsatz der Laien ist notwendig
Professor Jan Kerkhofs SJ zeigt im Buch "Europe without priests?" (siehe St. Olav Nr. 1/2 98) mit statistischen Belegen, daß die Diözesen in Europa ganz einfach ohne den Einsatz der Laien nicht bestehen könnten. Man möchte wohl weiterhin einen Bischofsitz, aber sehr viele Gemeinden müßten ohne den Einsatz der Laien von der kirchlichen Landkarte gestrichen werden. In Deutschland (dem ehemaligen Westdeutschland) und Frankreich hat man Schulungskurse für Laien eingerichtet, damit diese verschiedene Dienste in der Diözese und in den Gemeinden übernehmen können. Was man dabei diskutierte, war nicht die Frage, ob man Laien in kirchlichen Diensten einsetzen sollte oder nicht, sondern ob sie den Dienst mit oder ohne Bezahlung ausführen sollten. An den meisten Orten - auch in anderen Ländern als den erwähnten - gibt es sowohl ehrenamtlichen als auch bezahlten Einsatz der Laien. Dies hängt von der Aufgabe ab und von der speziellen Kompetenz, die in bestimmten Fällen benötigt wird.
Soweit es Leitung, Zusammenarbeit und Demokratie (Mitbestimmungsrecht) betrifft, wie wir es von weltlichen Gemeinschaften kennen, meint Jan Kerkhofs, daß Kenntnisse darüber in der Priesterausbildung gelehrt werden müßten. Wenn dies nicht geschieht, werden sich große Teile der Priesterschaft ausgebootet fühlen, wenn sie Laien treffen, für die dies in ihrem Gesellschafts- und Berufsleben eine Selbstverständlichkeit ist.
Bischöfe reagierten gegen die Instruktion
Viele der europäischen Bischöfe (und auch sonst in der Welt, u.a. in Nord- und Südamerika) reagierten rasch auf die Instruktion aus Rom. Ein gemeinsamer Nenner der bischöflichen Reaktionen war: Das legen wir ad acta. Die englischen Bischöfe sagten, daß sie das überhaupt nichts anginge. Die französischen Bischöfe fragten sich, wie man an eine Priesterschaft appellieren, die bald kaum mehr sichtbar sei, und die Laien beseiteschieben konnte. Die deutschen Bischöfe schüttelten die Köpfe über das in dem Dokument enthaltene Mißtrauen gegen die Laien und wollten wissen, ob Rom die Mitwirkung der Laien nur dort wünsche, wo der Priestermangel so offensichtlich sei, daß man nicht daran vorbeikommen könne.
Von seiten mehrerer Bischöfe wurde Rom vorgeworfen, die Laien von kirchlichen Diensten in den Gemeinden wegschieben zu wollen, ohne gleichzeitig zu sagen, wie man in der gegebenen Situation mehr geweihte Priester herbeischaffen sollte. Der Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz, Karl Lehmann, sagte, wenn Rom nun meinte, man müsse hier und dort notwendige Korrekturen vornehmen, so dürfte dies nicht zu einer totalen Kursänderung führen.
Eine starke Reaktion kam von Bischof Reinhold Stecher in Innsbruck (siehe an anderer Stelle in dieser Nummer von St. Olav).
In Skandinavien leisten die Laien weiterhin ihren Einsatz
Bischof Hubertus Brandenburg in Stockholm hat öffentlich beklagt, daß die Instruktion aus Rom hauptsächlich den Unterschied zwischen dem Auftrag der Laien und dem der Priester betont. Er sagt, in Schweden würden die Katholiken wie bisher ihre Aufgaben erfüllen: Bischöfe, Priester, Diakone, Ordensleute und Laien mit verschiedenen Aufgaben und verschiedener Verantwortung; alle im Dienst des Herrn in Kirche, Gesellschaft, Familie und Beruf. Das Apostolat der Laien wurde präzisiert.
Ein kurzes Telefongespräch mit Bischof Gerhard Schwenzer vom Katholischen Bistum Oslo zeigt, daß er der gleichen Auffassung ist wie Bischof Brandenburg in Stockholm. Im Katholischen Bistum Oslo wird die kirchliche Arbeit wie bisher mit Hilfe kompetenter Laien weitergeführt. Bischof Schwenzer legt großen Wert auf das Engagement der Laien und wünscht nicht, das dieses mindere Bedeutung erhält. Soweit Bischof Schwenzer nach dem Lesen des Dokumentes verstehen konnte, nahm Rom zu etwas Stellung, was man für Mißbrauch oder Fehlverhalten hält. Der Bischof konnte nicht sehen, daß das Katholische Bistum Oslo davon betroffen wäre. Das Dokument konnte man daher ad acta legen!
Übersetzung: Friedrich Griess