Aftenposten, Donnerstag, 17. Dezember 1992 - Seite 13
Hintergrund - Kultur
Massenaustritte aus den Smiths Freunden
Thema: Eine Frei-Gemeinde wird gespalten
Kurt-Johnny Olsen / Jon Petter Evensen (Foto)
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Gut 90 Jahre sind vergangen, seit der Marineoffizier Johan Oskar Smith aus Fredrikstad zum ersten Mal mit Freunden zusammenkam, "an Abenden und zu Gott betete und in den Schriften las". Aus Smith's zartem Anfang entstanden mehrere Gemeinden in Südnorwegen - zuerst in Oslo und Drøbak; später unter anderem in Bergen, Molde, Ålesund, Maløy, Stavanger, Horten, Sandefjord, Tønsberg und Tromsø.
Darüber, wie viele Smiths Freunde es später nach und nach wurden, hat niemand eine Übersicht. Denn die Gemeinde hat keine Organisation oder Mitgliedsbücher.
- Wir halten uns an die Schrift, sagt Bernt Stadven, einer der fünf Leiter.
- In der Bibel steht klar, daß wir nicht mit Tinte und Feder eingeschrieben sind, deshalb haben wir keine Mitgliederlisten. Wir bauen auf die Gemeinschaft des Geistes.
Es wird jedoch angenommen, daß die Mitgliederzahl in Norwegen bei etwa 8000 lag, bevor die Unruhe sich vor etwa drei Jahren auszubreiten begann.
Im Stillen breiteten sich die Smiths Freunde über die Grenzen Norwegens hin aus. Gemeinden wurden in einer großen Zahl von Ländern in allen Weltteilen errichtet. In Stockholm, Großbritannien, USA, Österreich und Norddeutschland erleben die Versammlungen in diesen Tagen Spaltungen. Gemeindeleiter werden ausgestoßen und "Freunde" verlassen die Gemeinden.
Sieg über die Sünde
Was war es, das Johan Oskar Smith in anderen Gemeinden um die Jahrhundertwende nicht fand ? Was war die Grundlage für das, was später den Namen "Smiths Freunde" bekommen sollte ? Besonders für den Gedanken vom "Sieg über die Sünde" war es schwierig, in anderen Gemeinden Gehör zu finden.
Die Smiths Freunde betrachten ihre Lehre als die einzig richtige. Gottes Wort und der Glaubensgehorsam sind die wichtigste Richtschnur für die Mitglieder.
Die Smiths Freunde behaupten, daß Jesus an der sündigen Natur des gefallenen Menschen teilhatte. Jesus hatte "Sünde im Fleisch", er hatte einen Eigenwillen, der überwunden werden mußte. Aber Jesus beging nie eine Sünde - er war rein in Gedanken, Worten und Werken.
Sündigen bezieht sich auf das Bewußte. Wie Jesus über die Sünde siegte, so sollen auch die Menschen über sie siegen. Die Smiths Freunde stellen sich mit ihrer Lehre von Jesu Sünde im Fleisch außerhalb des normalen christlichen Glaubens, behaupten die Lutheraner.
Lebenslanger Kampf
- Wir müssen über jede bewußte Sünde den Sieg erringen, bevor wir den Weg durch das Fleisch und hinein ins Heiligtum gehen können, erklärt Stadven.
- Selbst wenn wir mit aller bewußter Sünde fertiggeworden sind, haben wir ein Fleisch, in dem nichts Gutes wohnt. Wir stehen mit anderen Worten in einem lebenslangen Kampf. Wir werden zu Ungeduld, Zorn, Aufbrausen, Neid und Ehrsucht versucht. Das muß bekämpft werden. Wir müssen dem in der Kraft des Geistes widerstehen. Es handelt sich um ein fortschreitendes Leben.
Es ist nicht die Lehre, welche zu akzeptieren die Aussteiger und Ausgestoßenen Probleme haben. Die Probleme entstehen dann, wenn es sich um die beinharte Behandlung der Leiter durch die Smith/Bratlie-Familie einschließlich der Verwaltung von Geld und Besitz dreht. Dies hat zu internen Spannungen, großen Erschütterungen und umfassenden Spaltungen in einer Reihe von Gemeinden ringsum im ganzen Land - und im Ausland - geführt.
Sammlung für einen Leiter
Durch viele Jahre hindurch wurde gesagt und geschrieben, daß es wichtig sei, das Wirtschaftliche in Ordnung zu halten. Unter anderem wurde sehr betont, daß Leute, die einen Konkurs hinter sich hätten, nicht geistliche Leiter bleiben oder als solche gewählt werden könnten.
Die Firma des charismatischen Kåre J. Smith ging vor eineinhalb Jahren in technischen Konkurs. Er sitzt weiterhin in der Leitung der Gemeinde, und das ist einer der Gründe für die Spaltung. Diejenigen, welche Fragen stellen, werden ausgestoßen. Olaf Bekkevold, früherer "Kronprinz" in der Gemeinde von Oslo, ist ein Beispiel dafür.
Es wurden Geldsammlungen für Kare J. Smith vorgenommen, um seine wirtschaftlichen Probleme zu lösen. Dagegen reagiert man auch kräftig. Smith selbst war bisher nicht zu einem Kommentar zu den Streitigkeiten bereit.
Interne Erweckung
Um die Unruhe zu kompensieren, hat die Leitung eine interne Erweckung in der Gemeinde gestartet. Die Jungen sind die Zielgruppe. Hier legt man unter anderem Gewicht darauf und betont Jesu Wort vom "Haß gegen Mutter und Vater" (um ihm zu folgen) auf solche Weise, daß zwischen den Generationen in kinderreichen Familien, die früher von starkem Zusammenhalt geprägt waren, viel böses Blut geschaffen wurde.
Die Leiter haben alle Macht, ihr Wort ist das Gesetz der "Freunde". In der Verkündigung wird auf die Worte "Gehorcht euren Wegbegleitern" besonderes Gewicht gelegt. Leute, die mit der Gemeinde gebrochen haben, zögern nicht, festzustellen, daß hier Gehirnwäsche betrieben wird.
Kraftvolle Versammlungen
Der Gesang und die Verkündigung sind kraftvoll bei den Versammlungen der Smiths Freunde. Während des Gebetes wird oft eine Lautstärke benützt, die an unfaßbare Schreie grenzt. Kaum in irgend einer anderen christlichen Gemeinde in Norwegen sind die Kontraste stärker und die Lautstärken höher, besonders beim Zeugnisgeben und beim freien Gebet.
Die Smiths Freunde haben bei ihren Versammlungen keine feste Liturgie. Vier Elemente stehen im Mittelpunkt: Gesang, Predigt, freies Zeugnisgeben und Gebet, oft mit Zungenreden.
Im Saal sitzen die Männer vorne, die Frauen, mit Kopftuch, zuhinterst. Nach den Eröffnungsliedern wendet sich die Versammlung zum Ausgang und kniet auf den Stühlen nieder. Einige Ältere wenden sich an Unseren Herrn mit ehrerbietiger und weinerlicher Stimme. Einzelne Jugendliche erheben die Hände und schreien so extrem laut, daß es zeitweise unmöglich ist, die Worte zu verstehen.
Nach der Predigt ist wiederum Platz für freies Zeugnisgeben. Plötzlich erheben sich einige Jugendliche und stürmen nach vor zum Podium. 50 - 100 Zeugnisse / freie Gebete sind nicht ungewöhnlich, deshalb dauern die Versammlungen oft zumindest einige Stunden.
(Bildtext:) Charismatisch: Während des freien Gebetes bei den "Smiths Freunden" kann es lebhaft zugehen. Zungenreden sind ein wichtiges Element. Die Lautstärke beim Zeugnisgeben, beim Gesang und bei der Verkündigung ist hoch. Bernt Stadven (unten) behauptet, seine Gemeinde sei der einzige richtige Weg zur Erlösung: - Die anderen müssen sich bekehren.
- Reinigungsprozeß und "Abschälen "
Die einzige Möglichkeit, die Ruhe in den Reihen wieder herzustellen, ist, daß sich die Unruhestifter bekehren, stellt Bernt Stadven (61) fest, einer der fünf Leiter bei den Smiths Freunden. Im Zivilberuf ist er Baudirektor in der Gemeinde Ski außerhalb von Oslo.
Obwohl die Bewegung offenbar sowohl im In- als auch im Ausland größere Spaltungen als je zuvor erlebt, geruht Stadven die Geschehnisse ein "Abschälen" zu nennen:
- Es hat niemals eine Ausstoßung stattgefunden. Ich kenne keine einzige.
Schwierig
Konfrontiert mit einem Ausstoßungsbrief für einen Gemeindevorsteher mit dreißig Dienstjahren, den er selbst und zwei andere Leiter heuer am 7. Februar unterschrieben haben, sagt er:
- Der Betreffende zog sich selbst zurück. Der Brief wurde später geschickt, und unser Beschluß hat seine Gründe.
Stadven will die Gründe nicht nennen. Gleichwohl schließt der Brief mit folgendem Bescheid: "Mit anderen Worten bis Du JETZT ausgestoßen"".
Die Smiths Freunde erleben zur Zeit Spaltung in vielen Gemeinden - insgesamt haben 1000 Norweger die Gemeinde verlassen. Auch in Stockholm, Großbritannien, USA, Österreich und Norddeutschland gibt es Spaltungen.
- Wie willst du das erklären, was da geschieht ?
- Das ist keine Spaltung, eher ein Abschälen. Es gibt einzelne, die verschwunden sind, nichts anderes. Die sind von selbst gegangen, und es ist schwierig, den Grund zu erklären.
- In Trondheim hat eine ganze Versammlung "gepaßt" ?
- Ja, ich weiß nicht, wie das geht. Dort sieht es schwierig aus, antwortet Bernt Stadven.
"Reinigung"
- Viele "Freunde" haben schriftlichen Bescheid erhalten, daß sie vom Versammlungsort Brunstad ausgeschlossen sind. Wie erklärst du das ?
- Sie haben sich selbst ausgeschlossen, indem sie gegen uns arbeiten. Es dreht sich um einen Reinigungsprozeß in der Gemeinde.
- Einer der zentralen Leiter hatte eine Firma, der im vergangenen Jahr "technischer Konkurs" erklärt wurde. Es wird behauptet, daß dies früher für den Betreffenden Folgen bezüglich seiner Möglichkeit gehabt hätte, weiterhin Leiter in der Gemeinde zu sein. Habt ihr eure Meinung auf diesem Gebiet geändert ?
- Das, was behauptet wird, sind kurz und gut Lügen. Er ist nicht im "technischen Konkurs".
Keine Bedeutung
- In einem Brief vom 4. Juli vergangenen Jahres, der sich im Besitz von Aftenposten befindet, stellt ein Höchstgerichtsanwalt gegenüber den Gläubigern der Firma fest, daß "es ganz klar ist, daß die Gesellschaft vom technischen Standpunkt aus im Konkurs ist". Du bestreitest mit anderen Worten die Informationen, die vom eigenen Anwalt des Betreffenden gegeben werden ?
- Das sollte nicht zutreffen. Nein, ich möchte mich nicht über Einzelheiten der Angelegenheit aussprechen. Das ist eine Sache für sich, und die hat keine Bedeutung, antwortet Stadven ungerührt.
Nichts Falsches
- Wurden Geldsammlungen für eine Privatperson durchgeführt, die aus dem einen oder anderen Grund in wirtschaftliche Probleme gekommen war ?
- Den verschiedenen Gemeinden steht es frei, dies zu tun. Daß man sich um einander sorgt, ist wohl nichts Falsches. Es steht ja in der Schrift: "Tue Gutes, und am meisten dem Volk des eigenen Glaubens". Geldsammlungen für Privatpersonen waren nicht gewöhnliche Praxis, aber ich weiß, das dies in speziellen Situationen geschah.
- Es wird auch Kritik gegen den starken Einfluß der Smith-Familie erhoben - sowohl in Hinblick auf den Versammlungsort Brunstad als auch auf die Reisekasse, das Hauptorgan "Verborgene Schätze" und die Muttergemeinde Oslo. Wäre es nicht ein Vorteil gewesen, die Verantwortung auch auf andere Personen aufzuteilen ?
- Ich bin mit niemandem der anderen verwandt.
- Nein, aber du bist eingeheiratet.
- Soll man dafür bestraft werden, weil man in die Smith-Familie eingeheiratet hat ? Keinem gehört etwas, alles ist gemeinsam. Wir haben keine Wahl in der Gemeinde. Wir Leiter mit der geistlichen Autorität beschließen, wer zum Beispiel der Leitung des Versammlungsortes Brunstad angehören soll. Bei demokratischen Wahlen wäre es unmöglich zu wissen, was in der Zukunft auf uns zukommt, schließt Stadven.
Das sind die Smiths Freunde:
Übersetzung: Friedrich Griess