Der Unterschied zwischen "Sekten" und "Nicht-Sekten"

Von Kjell Totland

In der Diskussion ¸ber das, was als die problematischen Seiten religi–ser Sekten aufgefaþt wird, richtet sich die Aufmerksamkeit gew–hnlich darauf, auf welche Weise sich Sekten von normalen Glaubensgemeinschaften unterscheiden, aber selten darauf, welche gemeinsamen Z¸ge es geben kann. Der Autor behauptet seinerseits, daþ Sekten und Nicht-Sekten viele gemeinsame Z¸ge haben, wenn man von der Haltung des einzelnen Individuums ausgeht. Dies wird durch die Konkretisierung des Begriffes "egozentrische Haltungen" als Ph”nomen exemplifiziert, das in verschiedenen Graden bei Menschen in allen Glaubensgemeinschaften vorkommt. Der Autor beschreibt auch Beispiele von gleichartigen Z¸gen bei autorit”ren Haltungen, die sich in unserer Kultur der Kindererziehung finden, und von entsprechenden Haltungen in religi–sem Zusammenhang.

Was bedeutet der Begriff "Sekte" ?
Traditionell war es ¸blich, zwischen sektiererischen und nicht-sektiererischen Glaubensgemeinschaften zu unterscheiden, eventuell mit einer Zwischengruppe von Glaubensgemeinschaften mit sektiererischen Z¸gen. Eine ¸bliche Begr¸ndung f¸r solche Kategorisierungen ist, man habe einen Bedarf, gewisse religi–se Gruppen zu identifizieren, vor denen man meine, in unserer Kultur warnen zu m¸ssen. F¸r diese Begr¸ndung habe ich ein gewisses Verst”ndnis. Aber eine solche Einteilung zu treffen ist nicht ganz unproblematisch. Erstens setzt man voraus, daþ nur einzelne Glaubensgemeinschaften sektiererisch sind. Beckford (1975) behauptet zum Beispiel, daþ zwischen Sekten und Nicht-Sekten nur graduelle Unterschiede bestehen. Beckford empfiehlt ferner, man solle alternativ eine Anzahl von gemeinsamen Kriterien entwickeln, die man auf verschiedene religi–se Gruppen beziehen kann und die einen Ausgangspunkt f¸r Forschung und seri–se Diskussionen bilden k–nnen. Als eine Parallele dazu kann man die Entwicklung des Begriffes Psychopathie sehen: Traditionell ist es ¸blich, einzelne Menschen entweder als Psychopathen oder als Nicht-Psychopathen zu beschreiben. Und man meint, es sei richtig, ein solches Entweder / Oder aufrecht zu erhalten, weil es wichtig sei, diese Gruppe zu "entlarven" und weil es oft die gleichen Z¸ge seien, die man bei Psychopathen finde. Nach und nach wurde der Begriff Psychopath durch Soziopath ersetzt, da man meint, Menschen als Psychopathen zu bezeichnen, sei Ausdruck f¸r ein zu destruktives Menschenbild, und man solle statt dessen das Augenmerk auf das Zusammenspiel mit der Umgebung richten. Heute spricht man meist davon, daþ Personen in gr–þerem oder geringerem Maþ psychopathische Z¸ge haben k–nnen, daþ alle Menschen in der einen oder anderen Form, in gr–þerem oder geringerem Grad oder in Perioden des Lebens psychopathische Z¸ge aufweisen oder psychopathische Techniken anwenden, und daþ die Bezeichnung Psychopath nur dann gerechtfertigt sein kann, wenn diese Z¸ge und Techniken klar und deutlich sind und bestimmte Kriterien erf¸llen. In meiner weiteren Darstellung des Sektenbegriffes m–chte ich diesen auf eine Weise definieren, die dem heutigen Psychopathie-Begriff entspricht.

Eine kategorische Unterscheidung zwischen Sekten und Nicht-Sekten zu schaffen kann auch dazu ben¸tzt werden, Macht und Kontrolle in Bezug auf die eigene Rechtgl”ubigkeit zu markieren und damit zu bewirken, daþ sich Menschen voneinander distanzieren, statt aufeinander zu h–ren und voneinander zu lernen. Man hat vielleicht eine vage Empfindung, daþ die Gruppe, der man selbst angeh–rt, nicht die "volle und ganze Wahrheit" darstellt, und daþ andere "abweichende" Glaubensgemeinschaften vielleicht etwas beizutragen haben. Statt daraus die Konsequenzen zu ziehen, wird die ganze andere Glaubensgemeinschaft als Sekte mit der Absicht definiert, die eigene religi–se Identit”t zu verteidigen und zu sch¸tzen. Auf diese Weise wird die Bedrohung von seiten dieser Glaubensgemeinschaft eliminiert.

Auþerdem ist der Begriff statisch und nimmt nicht R¸cksicht (a) auf Unterschiede zwischen den einzelnen Mitgliedern: Zwei Personen k–nnen Mitglieder der selben Glaubensgemeinschaft sein, aber nur die eine hat sektiererische Haltungen. (b) auf zeitliche Unterschiede: Glaubensgemeinschaften k–nnen sich ”ndern, oder die Auffassung der Umgebung dar¸ber, was sektiererisch ist, ”ndert sich. Fr¸her war zum Beispiel der Begriff "dissidente Gruppe" negativer beladen. (c) von Land zu Land oder von Ort zu Ort, oder (d) zwischen dem, was die Organisation lehrt, was das einzelne Mitglied lehrt, was das einzelne Mitglied faktisch glaubt und was in formellen und informellen Zusammenh”ngen vermittelt wird.

Es gibt auch keine Einigkeit dar¸ber, was der Grund daf¸r sein soll, eine Glaubensgemeinschaft als Sekte zu bezeichnen: (a) Die formelle Definition geht darauf hinaus, eine Sekte sei eine Ausbrechergruppe aus einer gr–þeren etablierten Glaubensgemeinschaft (siehe z.B. Aschehoug und Gyldendal, "Das groþe norwegische Lexikon", 1989). Jedoch nicht alle Glaubensgemeinschaften, die von den meisten als Sekten empfunden werden, passen in eine solche Definition. Eine Schwierigkeit liegt auch darin, daþ das rechtgl”ubige Christentum nach dieser Definition zu Beginn eine Sekte war, da es aus dem klassischen Judentum ausbrach, indem es behauptete, die Juden h”tten miþverstanden, was Gott eigentlich wollte. (b) Die eher umgangssprachliche Definition f¸r Sekte, die etwa so lautet: Eine kleine Gruppe von Menschen, die f¸r sich selbst leben und ihre eigenen religi–sen Interessen haben. (c) Andere wieder setzen ein Gleichheitszeichen zwischen Sekten und alle, die unter den Begriff "neureligi–se Glaubensgemeinschaften" fallen. (d) Einige Autoren haben versucht, Sekten zu definieren, indem sei eine Liste mit Kennzeichen anlegten, wie z.B. Lavik (1985) und Ulland (1995). Begriffe, die sich in solchen Listen fanden, waren: Verhaltens-, Gedanken- und Gef¸hlskontrolle, Gleichmacherei, Perfektionismus, charismatische F¸hrerschaft, dichotomische Einteilung von Menschen usw. Da man hier Kriterien ben¸tzt, wird die Ann”herung sofort seri–ser. Aber es ist ein Problem, daþ man mit verschiedenen Listen arbeitet. Eine Folge davon ist, daþ man leicht auf folgende Weise "beweisen" kann, daþ eine Glaubensgemeinschaft eine Sekte sei: Zuerst nimmt man eine aktuelle Glaubensgemeinschaft aufs Korn, von der man meint, sie sei eine Sekte, dann beschreibt man die Glaubensgemeinschaft in sektiererischen Ausdr¸cken, dann weist man auf eine Kriterienliste hin, die zur Beschreibung paþt, und man hat damit "bewiesen", daþ die Glaubensgemeinschaft eine Sekte ist. Auf ebensolche Weise ist es auch nicht schwierig zu "beweisen", daþ Sekten "Gehirnw”sche" betreiben. (e) Es ist auch ¸blich zu behaupten, daþ Sekten sich dadurch auszeichnen, daþ sie mit grundlegenden und in unserer Gesellschaft allgemein anerkannten humanistischen Prinzipien brechen, z.B. mit den Menschenrechten der UNO, indem sie autorit”r, pathologisch, undemokratisch und von Ðbergriffen gepr”gt sind, oder daþ sie mit grundlegenden Prinzipien von Respekt und Gleichwertigkeit brechen (das letztere ist eine Ansicht, die auch ich selbst habe). (f) Andere wieder nehmen den Ausgangspunkt im Lehrm”þigen und setzen damit ein Gleichheitszeichen zwischen Sektentum und Irrlehre (zwei Begriffe, von denen ich glaube, daþ man sie trennen muþ). In Norwegen, wo die lutherische Lehre Staatsreligion ist, war es z.B. ¸blich, Sekten entsprechend ihrem Grad der Abweichung von der offiziellen Lehre der Kirche zu definieren, z.B. mit folgender Einteilung: (1) Die Rechtgl”ubigen, welche die lutherische Lehre akzeptieren. (2) Freigemeinden / Dissidentengemeinden, die lehrm”þig abweichen, ohne daþ man sie deshalb nicht-christlich nennen k–nnte, (3) Sekten, die sich der Grenze des Nicht-Christlichen n”hern oder sie ¸berschritten haben, und (4) Kulte, die lehrm”þig ganz aus dem Rahmen fallen und die auþerdem destruktive Elemente wie Isolation, extreme Personenverehrung. Ðbergriffe usw. enthalten. Johannesen (1991) sagte folgendes (S. 190): Das Wort (Kult) kann etwas verschieden ben¸tzt werden, aber oft unterscheidet man zwischen "Sekten", was eine Gruppe innerhalb des Rahmens der Christenheit bedeutet, und "Kulten", die auþerhalb des Rahmens der Christenheit fallen. Hoekma (1972) unterscheidet zwischen echten Sekten und falschen Sekten, indem er behauptet, daþ echte Sekten aus einer Mutterkirche ausgebrochen sind, jedoch dennoch Respekt vor ihr haben. Falsche Sekten hingegen, meint er, sind dadurch gekennzeichnet, daþ sie (1) sich selbst ¸bersch”tzen, (2) Gewicht auf Unwesentliches legen und das Wesentliche bagatellisieren, (3) ihr Augenmerk auf Perfektionismus richten, (4) aus dem historischen Christentum und seinem Bekenntnis ausbrechen, (5) eine schriftliche Autori”t ¸ber die Bibel hinaus haben, (6) die Lehre von der Rechtfertigung aus Gnade zur¸ckweisen, (7) Christus abwerten, (8) behaupten, nur Mitglieder der Organisation k–nnten gerettet werden, (9) eine ganz zentrale Rolle in "den letzten Zeiten" spielen wollen. (g) Manchmal werden auch die Ausdr¸cke "Kult" und "Sekte" synonym verwendet. Z.B. ben¸tzt Hoekma (1972) die Bezeichnung Kult f¸r die Siebenten-Tags-Adventisten, Mormonen und die Christliche Wissenschaft, was hier in Norwegen nicht ¸blich ist.

Ein Beispiel daf¸r, wozu es f¸hren kann, wenn kein Konsens dar¸ber besteht, was man unter einer Sekte versteht, sind zwei Ank¸ndigungen im Wochenblatt "Vi Menn" ("Wir M”nner"), wo die Redaktion in Nummer 31/95 behauptete, die Pfingstbewegung sei eine Sekte, um dies (nach "gewissen Reaktionen") in der Nummer 35/95 zu dementieren.

Ich selbst meine, daþ es richtig ist, Glaubensgemeinschaften und religi–se Gruppen als Sekten zu identifizieren, wenn es ganz offenbar ist, daþ sie mit grundlegenden humanistischen Prinzipien wie Respekt und Gleichwertigkeit brechen. Denn es handelt sich darum, daþ wir als Mitmenschen die Verantwortung daf¸r ¸bernehmen m¸ssen, einander auf destruktive und sch”dliche Elemente in unserer Kultur aufmerksam zu machen, wenn es solche gibt. Aber gleichzeitig m¸ssen wir zugestehen, daþ Sektierertum etwas ist, was man in allen religi–sen Zusammenh”ngen finden kann (nat¸rlich auch in nichtreligi–sen Zusammenh”ngen). Um diese Nuance hervorzuheben, schlage ich vor, den Begriff religi–se sektiererische Haltungen einzuf¸hren. Meine Definition einer religi–sen Sekte sieht dann so aus, daþ es sich um eine Glaubensgemeinschaft oder religi–se Gruppe handelt, die Haltungen aufweist, die ganz klar mit grundlegenden Prinzipien von Respekt und Gleichwertigkeit brechen. Diese Haltungen m¸ssen sowohl von seiten der Mitglieder als auch der Leitung der Glaubensgemeinschaft / Gruppe zum Ausdruck kommen. Aber in der Praxis wird es schwierig (um nicht zu sagen unm–glich) sein, eindeutig zu sagen, wann eine Nicht-Sekte zur Sekte wird oder umgekehrt. Nach meiner Meinung ist es verh”ltnism”þig normal, daþ man auf der Ebene der Individuen in einer Nicht-Sekte Personen mit Haltungen finden kann, die extremer sind als bei mehreren Personen in einer Sekte, und daþ man in Sekten Personen finden kann, die gem”þigter sind als solche in vergleichbaren Nicht-Sekten. Man kann daher den Unterschied zwischen Sekten und Nicht-Sekten gut beschreiben als "zwei Normalvariationen mit verschiedenem Durchschnitt und verschiedener Streuung und mit einer gewissen Ðberlappung".

Egozentrische Haltungen in religi–sen Zusammenh”ngen
Einen Konsens ¸ber den Begriff sektiererische Haltungen zu erlangen ist jedoch schwierig, da man den Begriff mit vielen Unterbegriffen mit unklarem und teilweise ¸berlappendem Inhalt verbinden kann. Aktuelle Begriffe k–nnen z.B. sein: Egozentrisch, autorit”r, ausschlieþend, fundamentalistisch, fanatisch, faschistisch, destruktiv, indoktrinierend, dogmatisch, absolut, totalit”r, extrem und kultisch. Aus diesen Begriffen m–chte ich egozentrische Haltungen herausarbeiten, die meiner Meinung eine Basishaltung darstellen, welche die Grundlage f¸r weitere sektiererische Haltungen bildet. In der weiteren Darstellung m–chte ich Beispiele f¸r solche Haltungen anf¸hren. Beispiele f¸r egozentrische Haltungen in religi–sen Milieus k–nnen Anzeichen daf¸r sein, wie Nicht-Sekten zu Sekten werden k–nnen, wenn die Haltungen verst”rkt werden, sich entwickeln k–nnen und eventuell auch lehrm”þig akzeptiert werden.

1. Ðberbewertung seiner eigenen Bedeutung

Man faþt sich oder die Organisation, die man repr”sentiert, als "Gottes Augenstern" auf, den Gott auf besondere Weise dazu auserw”hlt hat, darin an vorderster Front zu stehen, was Gott den Menschen zu vermitteln f¸r wichtig h”lt, und daþ Personen, die auþerhalb stehen, damit rechnen m¸ssen, ein Teil des "Problems" und nicht der "L–sung " zu sein. In Sekten kann dieses Denken zu einem Teil der offiziellen Lehre der Organisation gemacht werden, und man spricht offen dar¸ber, daþ man besser ist als andere Menschen.

2. Konkurrenz bez¸glich der Frage, wer das beste Verh”ltnis zu Gott hat

Wenn das Augenmerk darauf gerichtet wird, daþ man selbst bedeutend ist, wird es f¸r den einzelnen auch wichtig, anderen gegen¸ber hervorzuheben, was bei einem selbst darauf hinweist, daþ man ein Nahverh”ltnis zu Gott hat. Dies kann direkt oder indirekt vermittelt werden: Man kann direkt sagen: Gott hat zu mir gesprochen, Gott hat mir gezeigt, oder Gott hat sich mir geoffenbart. Oder man kann das eher indirekt sagen: In der letzten Zeit habe ich mehr die Tiefe dessen verstanden, was die Gnade beinhaltet, oder: Ich verstehe immer mehr, wie hilflos und abh”ngig ich von Gott bin. In Sekten kann dies dadurch zum Ausdruck kommen, daþ Leiter direkt sagen, sie h”tten ein besonderes Nahverh”ltnis zu Gott, oder daþ Gott ausschlieþlich durch sie spricht.

3. Augenmerk auf eigenen Erfolg

F¸r jemanden, der egozentrisch ist, paþt es schlecht, ¸ber eigene Schwachheiten zu sprechen. Man kann das Augenmerk darauf lenken, wie diszipliniert man in seinem Andachtsleben, wie getreu in seiner Bibellesung, wie eifrig in der Verk¸ndigung der frohen Botschaft man ist. Ðber "weltliche" Seiten bei einem selbst, inkonsequente Haltungen, faktische Niederlagen usw. zu sprechen paþt schlecht. In Sekten kann man dies zusammen mit einer systematischen Darstellung von "vorbildlicher Leitung" und mit einem st”ndigen Hinweis darauf finden, wie man von ihrem Beispiel lernen kann. Die Leiter k–nnen auch als vollkommen, g–ttlich usw. dargestellt werden.

4. Augenmerk auf ”uþere Kennzeichen des eigenen Wertes

Kriterien f¸r den eigenen Wert k–nnen z.B. sein (a) daþ man "geistliche Disziplin" hat (man hat ein diszipliniertes Andachtsleben, geht regelm”þig zu Versammlungen, ist ein treuer Zeuge usw.). (b) daþ man in seiner Kleidung Ausdruck f¸r eine geistliche Einstellung gibt, (c) daþ man Ausdruck daf¸r gibt, daþ man zu "den rechten" Leitern aufblickt, (d) daþ man mit der internen Sprache der Gruppe vertraut ist und die rechten Worte am rechten Ort sagt, oder (e) daþ man einen Ehepartner mit einer geistlichen Karriere hat. Gemeinsam f¸r solche Kriterien ist, daþ man die Aufmerksamkeit darauf richtet, sich anderen darzustellen, und daþ man in gr–þerem oder kleinerem Maþ seine Identit”t auf "anerkennenden R¸ckmeldungen" aufbaut. In Sekten kann sich dies z.B. zeigen durch (1) ein extremes Augenmerk, die ganze Zeit zu denken: "Ist das Ÿuþere korrekt?", "bin ich ein guter Repr”sentant f¸r Gottes Auserw”hlte?", oder "ist an mir etwas, das ausdr¸cken kann, daþ ich nicht dabei bin?", (2) umfassende oder detaillierte Konkretisierungen von korrektem Benehmen, oder (3) daþ Kriterien f¸r den Ausschluþ an Abweichungen vom "korrekten Benehmen" gekn¸pft werden.

5. Verehrung der geistlichen Leitung

Jene, die nicht damit prahlen k–nnen, daþ sie bedeutend, erfolgreich oder diszipliniert sind oder daþ sie ein Nahverh”ltnis zu Gott haben, m¸ssen sich statt dessen damit begn¸gen, zu denen aufzublicken, die einen solchen Status haben, viel dar¸ber zu reden, was diese anderen vermitteln, ihre B¸cher zu kaufen, sie zu zitieren, zu hoffen, daþ sie "sich herablassen", ihnen Aufmerksamkeit zu schenken usw. In Sekten kann man dies bei der Verehrung charismatischer Leiter sehen. Es ist auch nicht ungew–hnlich, daþ Sektenleiter eine solche Verehrung beanspruchen und daþ sie verschiedene Formen von Ðbergriffen ben¸tzen, damit die Verehrung aufrecht erhalten wird.

6. Ðberbetonung von Zielgerichtetheit und Effektivit”t

Wenn man die Gunst erhielt, Gottes heimlichen Plan geoffenbart zu bekommen, dann wird es wichtig, nicht unn–tig Zeit zu verschwenden. Alle eigenen Aktivit”ten m¸ssen bewuþt auf das ¸bergeordnete Ziel und die besondere Aufgabe gerichtet sein, die man von Gott erhalten hat. Was mit Spontaneit”t, Zuf”lligkeit, "Ferien", "Leerlauf", "Faulheit" und "Halbherzigkeit" zu tun hat, muþ niedrige Priorit”t erhalten oder ausgeschaltet werden. Wer sich nicht auf solche Bedingungen einl”þt, verl”þt die Elitegruppe und wird nur des "minderen Segens" teilhaftig. In Sekten sind die Drohungen oft dramatischer: Wer nicht bereit ist, gen¸gend programmiert und diszipliniert zu sein, kann Gefahr laufen, von Gottes Zorn, Verdammnis, Ausschluþ oder Isolation getroffen zu werden.

Eine andere Seite davon ist eine Betonung des "Geistlichen" beim Menschen auf Kosten des "ganzen Menschen". Die R¸cksichtnahme auf das Aufwachsen, auf Voraussetzungen, gef¸hlsm”þige Bed¸rfnisse, k–rperliche Bed¸rfnisse, intellektuelle Bed¸rfnisse, –konomische Bed¸rfnisse, soziale Bed¸rfnisse und andere Gegebenheiten von Personen, welche die Aufmerksamkeit vom "Ziel" ablenken k–nnten, wird vernachl”ssigt. Man erh”lt dadurch ein System, das auf kurze Sicht effektiv wirkt, aber auf lange Sicht dem Menschen psychische Probleme bereiten kann. In Sekten kann man dies daran sehen, daþ man z.B. der Familie, den Freunden, der Freizeit, der Ausbildung, der Verliebtheit entsagen muþ.

Eine dritte Seite davon ist die Furcht vor Ambivalenzen, Widerspr¸chen und Unsicherheit bei sich selbst und bei anderen. Es wird auch wenig Raum f¸r divergierende lehrm”þige Auffassungen und daf¸r, offen und "suchend" zu sein, gew”hrt. In Sekten kann man dies daran sehen, daþ die Leitung die Ansicht vermittelt, alle dienten selbstverst”ndlich Gott mit Freuden, alle h”tten das selbe Verst”ndnis davon, wie Gott denkt und was er lehrt, und daþ jene, die vielleicht f¸r etwas anderes Ausdruck geben, entweder unter "Druck gesetzt" werden, sich anzupassen, oder, falls das nichts hilft, als "Aufr¸hrer" oder "Verf¸hrer" bezeichnet werden.

7. Erfahrungen und Methoden, die bei einigen positiv gewirkt haben, werden zu Prinzipien und Gesetzen dogmatisiert, die f¸r alle gelten sollen

Dem, was einzelne erlebt haben, wird so groþe Bedeutung zugemessen, daþ man meint, was man selbst erlebt hat oder die Weise, auf die es geschah, m¸sse auch von allen anderen erlebt und durchgef¸hrt werden. Zum Beispiel kann man der Meinung sein, daþ eine religi–se Bekehrung nur auf eine einzige Weise geschehen kann. Solche Haltungen k–nnen mit einem allgemeinen Mangel an F”higkeit zu Reflexion und Nuancierung zusammenh”ngen. Es kann auch mit dem nat¸rlichen Enthusiasmus zusammenh”ngen, der auf eine Bekehrung folgt. Aber es kann auch mit dem Wunsch zusammenh”ngen, Personen hervorzuheben, welche die "richtigen" Methoden ben¸tzen, oder mit der Furcht vor Vielfalt und davor, jemand, der anders ist, k–nnte ausbrechen und Unruhe erzeugen. In Sekten k–nnen solche Haltungen durch einseitige Betonung des Weges, den der Leiter seinerzeit ging, und durch die Erwartung, daþ alle anderen ihm auf diesem Weg nachfolgen m¸ssen, kultiviert werden.

8. Elitedenken

Elitedenken kann sich in der Form zeigen, daþ man sich ¸ber andere Gl”ubige und andere Glaubensgemeinschaften erhebt. Man sieht auf die anderen mit einer gewissen "herablassenden Nachsicht", man bedauert die anderen, weil sie nicht "sehen", und bittet Gott, er m–ge ihnen in seiner Gnade dennoch vergeben und sie retten. Es kann sich auch in der Form einer Klassentrennung zwischen geistlicher "A-Mannschaft" und "B-Mannschaft" zeigen, indem man z.B. unterscheidet zwischen (a) jenen, die eine pers–nliche Berufung haben und jenen, die sie nicht haben, (b) jenen, die "J¸nger" und jenen, die nur "gew–hnliche Christen" sind, (c) jenen, die von Gott "pers–nliche Zusagen" erhalten haben und jenen, die "nur" allgemeine Zusagen erhalten haben, (d) jenen, die "geistliche" Gnadengaben erhalten haben und jenen, die nur "gew–hnliche" Gnadengaben erhalten haben, (e) jenen, die "geisterf¸llt" sind oder "ein sieghaftes Leben f¸hren" und jenen, die eine solche "Segnung" nicht erleben, und (f) jenen, die "bibeltreu" und jenen, die es nicht sind. Ich will damit nicht behaupten, alle, die in solchen Zweiteilungen denken, seien automatisch egozentrisch. Gleichwohl dreht es sich um eine Type von Theologie, die gut f¸r Personen paþt, die im Ausgangspunkt egozentrisch sind und die Bedarf f¸r eine "”uþerliche" Best”tigung ihrer Abgesondertheit und Exklusivit”t haben. In Sekten kann man ein solches Elitedenken vorfinden, wenn behauptet wird, "die anderen" w¸rden "gerade noch" gerettet, oder, extremer, wenn z.B. das Heil mit der Mitgliedschaft oder Leiterschaft verbunden wird und sie voraussetzt.

9. Verbindung von Eigenwert mit Position

In Glaubensgemeinschaften, die eine hierarchische Organisationsstruktur haben, ist es nicht un¸blich, sich selbst einen bestimmten Wert als Mensch zuzulegen, abh”ngig davon, wie hoch oben man sich im System befindet und eine wie groþe Verantwortung man hat. Dies h”ngt damit zusammen, daþ man zwischen Eigenwert und Position ein Gleichheitszeichen setzt. Hierarchische Systeme k–nnen, im Gegensatz zu "flachen" Organisationsstrukturen, wie ein Magnet auf Menschen wirken, die Bedarf an ”uþerer Best”tigung ihrer Exklusivit”t und Abgesondertheit haben. In Sekten k–nnen sich solche Zusammenh”nge z.B. durch klare Unterscheidung der "Herren-Klasse" und der "Diener-Klasse" zeigen.

10. Mangelnde F”higkeit oder mangelnder Wille, zu sehen, daþ es sich bei der Wirklichkeit und bei der eigenen Interpretation der Wirklichkeit logisch gesehen um zwei verschiedene Ph”nomene handeln muþ

In der Psychologie gibt es einen Begriff, der "ego-syntones Miþverst”ndnis" genannt wird (Watzlawick 1976). Dies kann man bei Personen finden, die nicht begreifen k–nnen, daþ es sich bei einer objektive Wirklichkeit und deren eigenem Erleben logisch gesehen um zwei verschiedene Ph”nomene handeln muþ, und die auþerdem ihrem Erleben einen ideologischen Ðberbau verleihen. Solche Auffassungen findet man in allen religi–sen Zusammenh”ngen. Manche begn¸gen sich damit, zu sagen, ich habe meine klaren Ðberzeugungen oder hier geht es nicht um Interpretation, sondern darum, sich an die klare Sprache der Schrift zu halten, wenn kontroversielle und komplizierte Lehrfragen zur Diskussion stehen. Andere gehen in einer solchen kategorischen Denkweise weiter und sehen es als ihre sonnenklare Pflicht an, den Rest der Welt dar¸ber aufzukl”ren, was sie selbst "gesehen" haben, ohne R¸cksicht darauf, ob die Welt an dieser Aufkl”rung teilhaben will oder nicht. Wormnes (1981, S. 189) behauptet, solche ego-syntonen Auffassungen k–nnten sich mit der Zeit in Milieus entwickeln, die von einseitigen Werten und Best”tigungen gepr”gt seien, da man keine Toleranz und keinen Respekt vor verschiedenen gleichwertigen Weisen entwickelt hat, die Wirklichkeit aufzufassen. In solchen Milieus wird alles, was "anders" ist, zur Bedrohung und muþ bek”mpft oder verdr”ngt werden, und verschiedene Techniken werden als Kampfmittel gegen andere ben¸tzt, um die Konsistenz und die Stabilit”t der eigenen Realit”tsauffassung zu bewahren.

11. Moralisierende Haltungen

Moralisierung ist eine Haltung, die man gegen andere Menschen (oder eine andere Gruppe) richtet, von denen man meint, sie h”tten eine "verkehrte" Handlung ausgef¸hrt (oder f¸hren sie aus oder "denken verkehrt"). Moralisierung hat vier Hauptkennzeichen: (a) Man nimmt es als gegeben an, daþ dies, was einem selbst gelingt, auch anderen gelingen kann (Das kann doch kein Problem sein, ich schaffe es ja). (b) Man nimmt es als gegeben an, daþ der andere aus egoistischen und selbstverherrlichenden Motiven handelt (Er ist nur auf die Befriedigung seiner L¸ste bedacht!), (c) man nimmt an, der andere handle aus Ðberlegung (Das tut er wissentlich und absichtlich!) und (d) man interessiert sich nicht f¸r die Voraussetzungen bei der betreffenden Person (z.B. pers–nlichkeitsm”þige oder genetische) oder f¸r andere Umst”nde rund um die Person (z.B. Milieus, in denen der Betreffende aufwuchs oder in denen er jetzt lebt), die nicht nur bewirken, daþ die Handlung weniger "verkehrt" wird, sondern die die Handlung mitunter zu einer richtigen, sinnvollen und gleichwertigen machen k–nnen. Solche Haltungen d¸rften ¸brigens auch in nicht-sektiererischen Zusammenh”ngen bekannt sein. In sektiererischen Zusammenh”ngen kann man z.B. die "auþerhalb" (oft "die Welt" genannt) als eine Gruppe darstellen, die sich in Gottlosigkeit und satanischen L¸sten w”lzt und es bewuþt unterl”þt, daran etwas zu ”ndern.

Autorit”re Haltungen

Egozentrische Haltungen sind meiner Meinung nach ein grundlegendes Kennzeichen von Sekten und die dahinterliegende Ursache f¸r den Mangel an Respekt und Gleichwertigkeit, die man in allen religi–sen Zusammenh”ngen findet, nicht zuletzt in religi–sen Sekten. Meiner Meinung nach liegt hier auch der Grund f¸r andere Haltungen, z. B. autorit”re Haltungen. Nun sind weder egozentrische noch autorit”re Haltungen etwas, was man nur in religi–sen Zusammenh”ngen findet, sondern es gibt sie ganz allgemein in unserer Kultur. Dies m–chte ich dadurch illustrieren, daþ ich einen Vergleich zwischen autorit”ren Haltungen, wie sie sich z.B. in der Kindererziehung zeigen k–nnen, und solchen in religi–sen Zusammenh”ngen aufstellen will. Es wird dabei nicht zwischen Sekten und Nicht-Sekten unterschieden. Der interessierte Leser kann sich ja selbst eine Meinung ¸ber einen solchen Unterschied bilden, er kann eventuell auch Parallelen zwischen egozentrischen Haltungen in religi–sen Zusammenh”ngen und in der Kindererziehung ziehen

1. Zielsetzung

Autorit”re Kindererziehung Autorit”re religi–se Haltungen


Der Erwachsene hat keinen Plan dar¸ber hinaus, als "Ruhe und Frieden" zu erleben. Man hat keine Pl”ne dar¸ber hinaus, als eine Tradition aufrechtzuerhalten und "die R”der in Gang zu halten".

Das Ziel ist, daþ andere zu einem aufblicken und daþ man einen "guten Ruf" hat. Das Ziel ist, Macht und Einfluþ zu haben und bewundert zu werden, sowohl von den eigenen Mitgliedern als auch von auþerhalb.

Das Ziel ist, sich durch seine Kinder selbst zu verwirklichen. Das Ziel ist, seine Berufung durch die Gemeinde zu verwirklichen.

2. Haltungen

Autorit”re Kindererziehung Autorit”re religi–se Haltungen


Der Erwachsene hat vorausbestimmt, wozu sich das Kind entwickeln soll. Die Parole ist: Komm wie du bist, aber werde wie wir. Es gibt eine allgemeine, konkrete Zielsetzung, die f¸r alle Mitglieder gelten soll.

Der Erwachsene l”þt sich von Pflichtgef¸hl, Gesetzen und Prinzipien leiten. Es wird auf "Gottes Ruf", Gottes Gesetze und formelle oder informelle Bestimmungen hingewiesen.

Der Erwachsene k¸mmert sich haupts”chlich um das Benehmen des Kindes. Das Augenmerk wird meist auf das Ÿuþerliche und Sichtbare gelegt, u.a. darauf, nach auþen hin eine guten Eindruck zu machen. Man ben¸tzt in erster Linie meþbare Kriterien, um Fortschritt und Entwicklung zu best”tigen.

Der Erwachsene ist wenig am Zusammensein mit dem Kind als an einem Wert an sich interessiert. Das Zusammensein der Leitung mit den Mitgliedern wird in erster Linie als eine strategische Handlung (Investition) betrachtet und nicht als ein Wert an sich.

Der Erwachsene ist wenig an den Gef¸hlen und Erlebnissen des Kindes interessiert. Man ist wenig daran interessiert, wie die Mitglieder eigentlich die Situation erleben, auf jeden Fall, solange sie nicht negativ reagieren.

Der Erwachsene zeigt wenig Respekt davor, das Kind in seinem eigenen Takt wachsen zu lassen. Die Leitung bestimmt das Tempo der Entwicklung. Sie wird gerne mit der Entwicklung der anderen Mitglieder koordiniert. Man soll, mit anderen Worten, im Takt wachsen.

Der Erwachsene hat Probleme damit, zu akzeptieren, daþ das Kind darin unterwegs ist, eine Aufgabe zu bew”ltigen, gutes Benehmen zu haben oder ein Ergebnis zu zeigen. Verhaltensprobleme m¸ssen ausgemerzt werden. Gehorsam muþ so rasch wie m–glich erreicht werden. Unsicherheit und Zweifel werden als etwas Negatives betrachtet. "Ordnung in den Reihen" ist wichtig. Auf groþe und kleine negative Reaktionen von Seiten der Mitglieder wird mit Strenge reagiert.

3. Methoden

Autorit”re Kindererziehung Autorit”re religi–se Haltungen


Der Erwachsene l”þt nicht zu. daþ das Kind zur Kindererziehung kritische Fragen stellt. Die Leitung hat ihre Berufung und ihre Aufgaben von Gott erhalten. Kritik daran "von unten" ist daher eine Unm–glichkeit.

Der Erwachsene spricht haupts”chlich zum Kind und nicht mit dem Kind. Es gibt wenig Dialog. Die Kommunikation geht haupts”chlich in einer Richtung, wenn es um Fragen bez¸glich Ethik und Moral geht.

Der Erwachsene ben¸tzt seine eigene formelle Position als Bezug. Erinnere dich daran, wer ich bin. So etwaswollen wir nicht im Hause haben. Die Autorit”t der Leitung, die "von oben" gegeben ist, ist ein ¸blicher Bezug, um die Motivation bei den Mitgliedern aufrecht zu erhalten.

Der Erwachsene baut mehr auf Furcht und Zwang als auf Zusammenarbeit. Furcht vor dem Zorn Gottes, Verdammnis, Ausschluþ und Isolation sind ¸bliche Motivierungsfaktoren.

Abschluþ

Wie ich es sehe, sind sowohl "egozentrische religi–se Haltungen" und "autorit”re religi–se Haltungen" Ausdruck f¸r einen Bedarf bei uns Menschen, uns selbst zu verehren, uns ¸ber andere zu erheben und ¸ber sie zu herrschen. Solche sektiererischen Haltungen k–nnen sich sowohl in religi–sen als auch in nichtreligi–sen Zusammenh”ngen zeigen. Sie k–nnen mehr oder weniger verdeckt sein. Sie k–nnen in gr–þerem oder kleinerem Maþ ein Milieu pr”gen, z.B. durch formelle und informelle Normen. Und in religi–sen Zusammenh”ngen k–nnen Haltungen in gr–þerem oder kleinerem Maþ als ein Teil der Lehre der Glaubensgemeinschaft formuliert sein.

Es war ¸blich, das Augenmerk darauf zu richten, welche Haltungen man in Sekten findet, wie diese den Mitgliedern psychische Sch”den zuf¸gen k–nnen und wie sie vorgehen, um zu verbergen, womit sie sich besch”ftigen. Aber es gab wenig Augenmerk darauf in Beziehung zu nichtsektiererischen Milieus. Das h”ngt m–glicherweise damit zusammen, daþ etliche, die sich f¸r das Sektenwesen interessieren, selbst eine "¸bliche" religi–se Zugeh–rigkeit besitzen und daþ es deshalb am sichersten ist, die Aufmerksamkeit auf die Sekten zu richten. Aber solche Haltungen gibt es ¸berall, und der Unterschied zwischen Sekten und Nicht-Sekten ist vielleicht geringer als man glaubt. Als Beispiel k–nnen wir die folgende Liste von Verbergungsman–vern anf¸hren, die man in "¸blichen" religi–sen Milieus (die meisten auch in sektiererischen Milieus) finden kann: (a) Man weist darauf hin, daþ man "der guten Gesellschaft" angeh–rt, an "der gesunden Lehre" festh”lt und einer religi–sen Mehrheit angeh–rt und sich deshalb allgemeiner Anerkennung in der Gesellschaft erfreuen kann. (b) Marktr¸cksichten nach auþen hin werden zu einem ¸bergeordneten Ziel. (c) Ehrlichkeit, Echtheit, Respekt, Offenheit und aktives Zuh–ren werden ersetzt durch Geschlossenheit, Zugeh–rigkeit, Manipulation, Positionierung und Einweg-Kommunikation. (d) In der Theorie legt man Wert darauf, ¸ber Gleichwertigkeit zu sprechen. Aber in der Praxis "genieþt" man es, im Brennpunkt zu stehen. (e) Man maskiert seine Haltungen durch die Ben¸tzung von Redefinitionen, z.B. indem man behauptet, man erwarte "nur" Vertrauen, aber in Wirklichkeit dennoch Gehorsam verlangt. (f) Man versucht, die Vergangenheit auszuschlieþen: Wir waren vielleicht fr¸her so, aber wir sind es jetzt nicht mehr. Oder: Der Leiter tat dies ja in guter Absicht. Oder: Verwirren wir nicht die jetzigen Mitarbeiter durch das, was damals geschah. (g) Quasi-Offenheit: Man ben¸tzt Zeit f¸r Er–rterung, kritische Debatten und dadurch, daþ. man formuliert, wie "offen" man ist. Aber die Beschl¸sse werden auf die gleiche Weise gefaþt wie bisher, und auf kritische Bemerkungen wird in der Praxis keine R¸cksicht genommen. (h) Man nimmt kosmetische Ÿnderungen vor, ohne die grundlegenden Haltungen und Voraussetzungen der T”tigkeit zu ”ndern. (i) Man ben¸tzt viel Zeit, darauf zu h–ren, was andere zu sagen haben, und kommentiert ihre Aussagen, sagt aber wenig dar¸ber, was man eigentlich selbst vertritt (nette Kommentare - gibt es noch andere ?). (j) Man legt das Augenmerk auf den "Kampf gegen die Sekten", denn da wird niemand den Verdacht hegen, daþ man selbst sektiererische Haltungen hat. (k) Wenn zentrale Leiter Mangel an Respekt und Gleichwertigkeit aufweisen, wird in erster Linie diese Person abgeschirmt. Ihre Handlungen werden wegerkl”rt, indem man auf "den guten Willen", Arbeitsdruck, Widerstand von auþen, Versuchungen, die andere in der Gemeinde dem Betreffenden zuf¸gen, gute Rednergabe, allgemeine Popularit”t und anders hinweist. Die Probleme m¸sse man akzeptieren und damit leben und d¸rfe mit R¸cksicht auf den guten Ruf und die Expansionsm–glichkeiten der Gemeinde nicht beginnen, "Unruhe zu stiften". Man folgt also dem Prinzip, daþ das Ziel die Mittel heiligt.

Wie solche "Verbergungsman–ver" zur Belastung f¸r ein Mitglied werden k–nnen, zus”tzlich dazu, was der Betreffende bereits an sektiererischen Haltungen vorfindet, ist ein Problemkomplex, f¸r den man sich in unserer Kultur vielleicht mehr interessieren sollte.

Es wurde einiges dar¸ber geschrieben, wie Menschen es erleben, Sekten zu verlassen (siehe z.B. Singer 1979). Diese k–nnen groþe Schwierigkeiten beim Ðbergang ins Leben auþerhalb der Sekte haben. Aber sie haben jenen gegen¸ber, die eine Nicht-Sekte verlassen, den Vorteil, daþ sie mit gr–þerem Verst”ndnis und mit Unterst¸tzung der Umgebung rechnen k–nnen - denn sie waren ja in einer Sekte! Aber jemand, der sektiererische Haltungen in einer Gemeinde erlebt hat, die zur "guten Gesellschaft" geh–rt, kann nicht ohne Weiteres mit Unterst¸tzung rechnen, wenn er die Gemeinde verl”þt. Statt dessen l”uft man Gefahr, als "schwierig" abgestempelt zu werden. Denn: Man verl”þt keine gesunde Gemeinde, auþer es muþ mit dem Betreffenden etwas nicht in Ordnung sein. Und wenn man sich nicht aktiv einer anderen Gemeinde anschlieþt, muþ man damit rechnen, als "geistlich Abgefallener" abgestempelt zu werden, ohne R¸cksicht darauf, ob man sich allgemein von der religi–sen Dimension distanziert hat oder nur ein "Daheimsitzer" geworden ist, weil man (aus dem einen oder anderen Grund) gegen¸ber organisierter religi–ser T”tigkeit skeptisch geworden ist. Solche "Abgefallene", ob sie nun ihren Hintergrund in Sekten oder Nicht-Sekten haben, sind eine Gruppe von Menschen, denen unsere Kultur und wir als Mitmenschen meiner Meinung nach mehr Respekt, Interesse und F¸rsorge widmen sollten.

Referenzen:

Aschehoug & Gyldendal (1987): Store Norske Leksikon [Groþes norwegisches Lexikon]. Gyldendal Norsk Forlag, Oslo.

Bekford J.A. (1975): The Trumpet of Prophesy. A Sociological Study of Jehovah's Witnesses. Basil Blackwell, Oxford, England.

Hoekma, A.A. (1972): The Four Major Cults. Erdemans Publishing Co. Grand Rapids, Michigan, USA.

Johannesen, G.H. (1992): "Vekkelse eller villfarelse? Trosforkynnelse alias Herlighetsteologien: Hvor herlig er den?" ["Erweckung oder Irrweg? Die Glaubensverk¸ndigung alias Herrlichkeitstheologie. Wie herrlich ist sie?"] Lunde Forlag, Oslo.

Lavik, N.J. (1985): Frelst eller forf¯rt? Om "hjernevask" og psykologisk pÂvirkning i ny- religi¯se sekter [Erl–st oder verf¸hrt? Ðber "Gehirnw”sche" und psychologische Beeinflussung in neu-religi–sen Sekten]. Gyldendal Norsk Forlag, Oslo.

Singer, M. (1979): Coming Out Of The Cults. Psychology Today, 12:72-82.

Ulland, D. (1995): Religi¯s sekterisme og mentale lidelser. [Religi–ses Sektenwesen und mentale Leiden]. Kirke og kultur. 2/1995.

Watzlawick, P. (1981): How real.is real? Random House, New York, USA.

Wormnes, B. (1981): Reformulering som terapeutisk teknikk [Reformulierung als therapeu- tische Technik]. Tidskrift for Norsk Psykologforening. Nr. 4, Vol. 18. S. 187-196.

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Der Autor Kjell Totland, geb. 1948, Cand. psychol., ist Psychologe im pastoralpsychologischen Dienst. Anschrift: BÂst¯veien 11, N-3480 Filtved, Norwegen.

Der obige Beitrag erschien im Heft 4-98 der Zeitschrift "Kirke og kultur", Universitetsforlaget, Oslo. Ðbersetzung: Friedrich Griess

Die erw”hnten Beitr”ge von N.J. Lavik und D. Ulland , sowie einige schwedische Berichte ¸ber die "Glaubensverk¸ndigung alias Herrlichkeitstheologie" sind ebenfalls in deutscher Ðbersetzung verf¸gbar.