Zehn Charakterzüge einer Sekte

Präsentiert von Dag Hareide bei der Konferenz von Redd Barna am 12. November 2001 in Oslo zum Thema "Im guten Glauben - Erfahrungskonferenz bezüglich des Aufwachsens von Kindern in isolierten Glaubensgemeinschaften".

Eine Sekte, schreibt der Autor ist eine Minderheit in der Gesellschaft, aber sie kann sich dazu entwickeln, die ganze Gesellschaft zu dominieren, und wird dann anders genannt.

1. Die Sekte ist die Wahrheit. Die Einsicht, die von der Sektenleitung verwaltet wird, ist heilig oder erhaben, oft in Form einer Offenbarung.

2. Das Wissen der Sekte ist hierarchisch und esoterisch. Anfänger erhalten nicht Zugang zu jeder Kenntnis und Information. Die Kenntnisse sind verborgen und unter der Kontrolle der Leitung und so aufgebaut, daß man sich dafür eine Zeit hindurch durch Gehorsam verdient gemacht haben muß.

3. Die Sekte entwickelt eine eigene Sprache, die zu einem geschlossenen Universum wird. Die Sprache bezieht sich auf sich selbst in einem geschlossenen logischem Kreis. Sie wirkt gedankenstoppend und es ist schwierig, ihr zu widerstehen. Sie ist oft mythisch und nicht rational.

4. Mitglieder ändern nach dem Eintritt ihre Identität. Sie bekommen gerne neue Namen oder Rufnamen. Die alte Identität wird schikaniert. Die alten Verbindungen bezüglich Ökonomie, Familie, Arbeit und Freundschaft werden radikal geändert.

5. Die Sekte übernimmt die soziale Kontrolle. Die Forderung nach Reinheit bedeutet, daß Zeit, Geld, Zugang zu anderer Information und die Grundlage für Beschlüsse von der Organisation der Sekte kontrolliert werden müssen.

6. Der Sektenleiter hat die Macht. Es gibt normalerweise einen Leiter und die Organisation ist wie eine Pyramide um ihn herum aufgebaut.

7. Die Sekte hat starke und einfache Feindbilder. Der äußere Feind und das Böse sind außerhalb der Sekte, die Guten sind innerhalb. Diejenigen außerhalb der Sekte haben oder bekommen eine minderwertige Existenz (landen in der Hölle o. dgl.)

8. Die Sekte hält einen inneren Feind am Leben. Das Böse ist auch innerhalb in Form von Fehlern und Sünden, die von Sektenmitgliedern begangen werden. Das ist gut, sofern man die Fehler bekennt. Es entsteht eine Kultur des Bekenntnisses. Wer nicht teilnehmen will, wird ausgeschlossen.

9. Der Zweck heiligt die Mittel. Religiöse und philosophische Moralsysteme haben in der Regel allgemeingültige Gebot wie: de goldene Regel, nicht stehlen, nicht lügen, usw. Diese gelten für alle Menschen. In einer Sekte wird es leicht so sein, daß die eine Moral für die Menschen außerhalb gilt und eine andere für die innerhalb.

10. Die Sekte zu verlassen wird mit Sanktionen versehen. Die Sanktionen sind oft ein "Hinausfrieren" und das Abbrechen der sozialen Kontakte.

Quelle: "I god tro ñ erfaringskonferanse om barns oppvekst i isolerte trossamfunn, Munch-museet i Oslo, 12. November 2001", herausgegeben von Redd Barna.
Übersetzung: Friedrich Griess