Smiths Freunde - ideologische Änderungen

von Alf Gjøsund

Am 17. Mai 1998 waren es hundert Jahre, seitdem Johan Oskar Smith, der Gründer der Glaubensgemeinschaft "Die christliche Gemeinde" (im folgenden "Smiths Freunde" genannt), seine religiöse Bekehrung erlebte. Der Tag wurde als Geburtstag der Glaubensgemeinschaft am Versammlungsort Brunstad in Vestfold gefeiert. Außer den Lokalzeitungen brachten auch Aftenposten und Vårt Land umfassende Berichte über das Jubiläum, was zeigt, daß die Bewegung nicht mehr als eine unbedeutende Kuriosität, sondern als eine anerkannte Glaubensgemeinschaft des Landes betrachtet wird - jedenfalls im soziologischen Sinn.

Wie viele Gründer von Konfessionen war auch J. O. Smith eine streitbare Person, was auch die von ihm gegründete Bewegung geprägt hat. Das Verhältnis der Smiths Freunde zu ihrer religiösen Umgebung war den größten Teil der Zeit von ideologischen Turbulenzen bestimmt. Innerhalb der Glaubensgemeinschaft herrschte dennoch überwiegend Ruhe und Stabilität. Die wichtigste Ursache dafür waren wohl starke, alleinbestimmende Leiter, deren Position niemals wirklich herausgefordert wurde. Ein andere Ursache ist die, daß die drei Männer, die einander als Leiter bis etwa 1990 ablösten, alle Mitarbeiter in der ersten Zeit der Gemeinde waren, einander kannten und mit kleinen Unterschieden das Gleiche vertraten. In dieser Periode erfolgten daher bei den Smiths Freunde auch keine nennenswerten ideologischen Änderungen.

Neue Leiter

Zu Ende der Achtzigerjahre war Sigurd Bratlie, der die Smiths Freunde seit 1976 geleitet hatte, alt und gebrechlich geworden. Sein Gedächtnis und seine Formulierungsfähigkeit versagten, wovon seine Predigten in immer größerem Maße geprägt waren. Es war an der Zeit, einen neuen Leiter zu finden. Soll man den Gerüchten trauen, so war Sigurd Bratlie durchaus nicht sicher, wer ihm nachfolgen sollte; Favorit soll zuerst der amtierende Vorsteher der Gemeinde in Oslo, Olaf Bekkevold, gewesen sein. Später stieg ein anderer Leiter, der relativ junge und weitaus charismatischere Kåre Johan Smith, zu den Kandidaten für die Weltleiterschaft auf. Das Problem war jedoch, daß der Letztgenannte nicht Bratlies eigenen deutlich ausgesprochenen (und vielleicht übertriebenen) Anforderungen bezüglich persönlicher / moralischer Integrität für Leiter entsprach. Als bekannt wurde, daß Bratlie seine eigenen Kriterien für Leiter beiseite geschoben und Kåre J. Smith erwählt hatte, gab es Krach. Die Mitglieder teilten sich mehr oder weniger deutlich in zwei Gruppen, die mit Bratlies Wahl einverstanden bzw. nicht einverstanden waren. Die Einwände gegen Kåre J. Smiths galten, wie erwähnt, Zweifeln über seine moralische Integrität, aber viele meinten auch, er habe die Absicht, den ideologischen Kurs der Smiths Freunde zu verändern. Olaf Bekkevold, der an der Spitze der Opposition stand, wurde kritisiert, "gesetzlich" - im Sinne von traditionalistisch - zu sein, und gleichzeitig "religiös" in dem Sinn, daß er nicht in ausreichendem Maß mit einer Verkündigung aufräumte, der das "Kreuz" fehlte - in der Terminologie der Smiths Freunde ein Ausdruck für die tägliche Selbstverleugnung. Nach aufreibenden Tumulten in den Gemeinden brachen Olaf Bekkevold und fast 600 weitere Mitglieder in den Jahren 1991-92 aus den Smiths Freunden aus.

In welchem Grad die Kritik an Olaf Bekkevold wirklich zutraf, wollen wir hier aus verschiedenen Gründen nicht mutmaßen. Sicher ist jedoch, daß ihm, als er die Smiths Freunde verließ und eigene Versammlungen abzuhalten begann, sowohl "Traditionalisten" als auch Menschen folgten, die gegen die Auslegung der Smiths Freunde von Kreuz und Selbstverleugnung opponierten. Die Ausbrechergruppen sind seitdem zerstritten und gespalten und ihre Auflösung ist in vollem Gang.

Was die Smiths Freunde betrifft, sollte es sich zeigen, daß die Kritiker von Kåre Smith bezüglich des ideologischen Kurswechsels teilweise Recht behielten. Heute werden die Mitglieder der Smiths Freunde wahrscheinlich einig darüber sein, daß die Bewegung nicht mehr die ist, die sie einmal war. Worin dieser Kurswechseln besteht, wollen wir im Folgenden näher betrachten.

Änderung in Lebensstil und Ethik

Bei den Smiths Freunden herrschte bis zum letzten Leiterwechsel Stillstand in Bezug auf Lebensstil und Ethik. Man hatte strenge und detaillierte, teils ungeschriebene, Regeln darüber, was sich für einen Christen geziemte. Von diesen Regeln kann man erwähnen: Ablehnung von Prävention, Fernsehen/Video/Kino, Alkohol, weltliche und evangelisch-christliche Musik. Man hielt sich außerdem an die Kleidung und Frisur aus christlichen Milieus der Zwischenkriegszeit, mit Rock und aufgestecktem Haar für die Frauen und sehr kurzem Haar und nüchternen Kleiderfarben für die Männer. Besonders der Nachfolger von J.O. Smith als Leiter, der charismatische und besonders tüchtige Prediger und Rhetoriker Elias Aslaksen, legte auf solche Regeln Wert.

Mit dem jetzigen Leiter, Kåre J. Smith, sind diese Regeln jedoch mehr und mehr verschwunden. Kåre J. Smith ist von Freiheit in "äußeren Dingen" eingenommen. Weitaus die meisten Mitglieder der Smiths Freunde haben heute Fernsehen und Video. Alkohol in mäßigen Mengen ist voll akzeptiert. Man hat größere Freiheit, Umgangsfreunde außerhalb der Bewegung zu wählen. Die Aufweichung ist auch bezüglich Kleidung und Frisur in vollem Gang. Viele werden außerdem meinen, es sei nicht mehr so wichtig, viele Kinder zu haben.

1998 räumte Kåre J. Smith auf bisher deutlichste Weise mit den vielen geschriebenen und ungeschriebenen Regeln über den Lebensstil auf. In einem längeren Artikel in der Märznummer des wichtigsten schriftlichen Organs der Smiths Freunde, den "Verborgenen Schätzen", schritt er zum Frontalangriff auf jene, die bestimmte Regeln verteidigten, u.a. was Fernsehen / Radio und Kindererziehung betraf. "Donnerwetter! Auf den Abfallhaufen mit den Zuchtmeistern! Pfui und pfui! Man liebt nicht das Leben in Gott, man muß Form und Anstand haben, man soll etwas haben, was für die Menschen leuchtet, und drinnen ist weder Liebe noch Güte, sondern Totengebein!"

Als Alternative für die Lebensstilregeln legt Kåre J. Smith Wert auf die inneren Werte: den Sieg über die Sünde (einen Begriff, dessen Bedeutung er nun teilweise umdefiniert hat), Güte und Milde.

Was vielleicht überrascht, ist die scharfe Ausdrucksweise von Kåre J. Smith gegen jene, die bezüglich Lebensstilfragen traditionelle Auffassungen haben. Hier gibt es keine Demut und kein Verständnis dafür, daß es schwierig sein kann, die Auffassung über Lebensstilfragen, welche traditionell im Mittelpunkt der Bewegung stand, über Nacht zu ändern. Es gibt auch keine ehrliche selbstkritische Abrechnung mit früheren Auffassungen. Statt dessen werden die Feinde der Smiths Freunde - die Ausbrecher von 1991 - für die Gebote und Regeln verantwortlich gemacht: "Wir haben keine solchen Spezialisten unter uns, die auf andere Menschen Druck ausgeübt haben. Heute sind sie alle miteinander außerhalb der Gemeinde, mit ihrer 'feinen Lehre'".

Smith hat darin Recht, daß mehrerer hundert "Traditionalisten" in den Jahren 1991-92 die Bewegung verließen, aber man kann sich fragen, warum es dann notwendig ist, in einer internen Zeitschrift sechs Jahre später so scharfes Geschütz zu verwenden. Wahrscheinlich ist es ihm klar, daß die meisten "Traditionalisten" noch immer in ihrer Mitte sind. Mehreren internen Quellen zufolge kann man über eine Generationenkluft bei den Smiths Freunden sprechen, bei der die meisten Älteren über die Entwicklung besorgt sind, soweit es ethische Vorstellungen und Lebensstil betrifft.

Viele werden es für positiv halten, daß sich die Smiths Freunde von den detailliertesten Regeln befreien. Wir sollten jedoch nicht aus den Augen verlieren, daß dies eine "gesteuerte Freiheit" ist. Niemand hat die Freiheit, die alten Ansichten zu behalten, das beweist der Gebrauch starker Worte bei den Smiths Freunden zur Gänze. Eine Regel wartet jedoch noch immer darauf, verändert zu werden - die Regel, daß die Meinungen der Leiter für die Mitglieder absolut verpflichtend sind. Erst im März 1997 schrieb ein anderer zentraler Leiter der Glaubensgemeinschaft, Sverre Riksfjord, das Folgende auf bestem Platz in den "Verborgenen Schätzen": "..... durch seine Führer sprach Gott zu Israel. Deshalb war Ungehorsam gegen sie das selbe wie Ungehorsam gegen Gott. Nun hat Gott Diener und Wegbegleiter in der Gemeinde eingesetzt. 'Folgt euren Wegbegleitern und richtet euch nach ihnen' Hebr 13, 17. Will man nicht auf die Wegbegleiter hören, die man sieht, wie steht es dann mit dem Gehorsam gegenüber dem, den man nicht sieht? [.....] Der Vater zieht zum Sohn hin, und dort kommen wir unter die Bearbeitung, die nötig ist, um uns zu Gott zu führen. Das Erste, was dazu benötigt wird, ist, an den zu glauben, den Gott in der Gemeinde eingesetzt hat, also der Glaubensgehorsam."

Zentralgesteuerte Gemeinden

Die Gemeinde der Smiths Freunde in Hamar wurde 1991 in zwei etwa gleich große Teile gespalten. Diese Gemeinde hatte zwei Versammlungslokale, eines davon gemeinsam mit anderen Smiths-Freunde-Gruppen in Hedmark. Nach der Spaltung hatte jede Partei ihr eigenes Lokal. Diese und andere Erfahrungen führten dazu, daß die Smiths Freunde einen Bedarf sahen, die Gemeinden in eine strammere Organisation zusammenzuschließen.

Nun sind die Vorschriften der Smiths Freunde der Öffentlichkeit nicht zugänglich. Die folgende Information beruht auf einer Dokumentation, die theoretisch geändert worden sein könnte, aber von unabhängigen Quellen bestätigt wurde. Folgendes sind die Hauptzüge:

Die zentrale Leitung der Smiths Freunde - vier Personen - sitzen in der Leitung des Versammlungsortes Brunstad, im folgenden "zentrale Leitung" genannt. Wenn ein Leitungsmitglied ausscheidet, wird ein neues gewählt - aber nicht von einer Generalversammlung oder etwas Ähnlichem, sondern von den restlichen Leitungsmitgliedern.

Die örtlichen Gemeinden sind auf folgende Weise mit der "zentralen Leitung" verbunden: Ein Mitglied in der Leitung der örtlichen Gemeinde wird von der "zentralen Leitung" ernannt. Alle Beschlüsse müssen einstimmig gefaßt werden - bei Uneinigkeit wird der eventuelle Beschluß von der "zentralen Leitung" gefaßt. Wenn also ein Leitungsmitglied (z.B. der Vertreter der "zentralen Leitung") andere Mitglieder der Leitung für ungeeignet ansieht, beschließt die "zentrale Leitung", die Betreffenden auszuwechseln. Der Vorsteher der Gemeinde ist den Regeln zufolge jene Person, welche die "zentrale Leitung" gutheißen kann.

Diese Organisation hat mit anderen Worten die aufsehenerweckende Folge, daß eine kleine, sich selbst erneuernde "zentrale Leitung" bei den Smiths Freunden die absolute Kontroll- und Beschlußbehörde auch für die örtlichen Gemeinden der Glaubensgemeinschaft darstellt. Trotzdem erklären die Smiths Freunde auf ihren offiziellen Internetseiten, daß darüber hinaus, daß die leitenden Brüder mit Verantwortung in den örtlichen Gemeinden einmal im Jahr zusammenkommen, "es keine größere zentrale Organisation oder Verwaltung gibt [.....] Was die Verantwortung für die örtlichen und eventuellen anderen Besitztümer betrifft, über welche eine örtliche Gemeinde verfügt, so ist es die örtliche Leitung, die sich darum kümmert. [.....] Unsere Vorsteher werden nach biblischem Vorbild ernannt."

Mitgliederregister und staatliche Unterstützung

1996 unternahm die Leitung der Smiths Freunde einen neuen Schritt weg von früherer Lehre und Praxis. Sie errichteten ein Register der Mitglieder und suchten zentral um öffentliche Unterstützung für die Organisation an. Dies war etwas, was sämtliche frühere Leiter strikt abgelehnt hatten. Trotz umfassender Dokumentation darüber sagte die Leitung der Smiths Freunde zu Vårt Land und Tønsbergs Blad, die Smiths Freunde seien niemals dagegen gewesen, staatliche Unterstützung entgegenzunehmen. Es sei mangelnde Kenntnis der Regeln gewesen, die dazu geführt hatte, daß sie nicht früher angesucht hätten. Hier lag jedoch die Wahrheit so offenbar, daß selbst ein außenstehender Beobachter wie der Journalist Kurt-Johnny Olsen von Aftenposten die Redlichkeit der Leitung der Smiths Freunde mit folgendem Kommentar bezweifelte: "Mit so stark theologisch begründeten Aussagen [...] von Sigurd Bratlie und Elias Aslaksen haben wir Grund zu fragen, ob es nur Unwissenheit über ein bald 20 Jahre altes Gesetz war, das Die christliche Gemeinde daran hinderte, um öffentliche Unterstützung anzusuchen."

Bezüglich des Mitgliederregisters hatte das Stavanger Aftenblad am 8. November 1996 ein Interview mit Sigurd Johan Bratlie und Øyvind Kværneland, Mitglied und Ersatzmitglied in der "zentralen Leitung" der Smiths Freunde. Dabei sagte der Letztgenannte: "Gott registriert sie als Christen. Es ist nicht unsere Aufgabe, Mitgliederregister zu führen."

Am 15. November 1996, genau eine Woche später, sandten die Smiths Freunde ihr Ansuchen um staatliche Unterstützung an den Fylkesmann in Vestfold mit Bescheid darüber, daß die Smiths Freunde "ein Register über alle 'Mitglieder' führen". Eine Seite des Registers wurde als Beispiel beigelegt.

Diese Episode zeigt, daß die Smiths Freunde entweder ideologische Änderungen über die Köpfe ihrer eigenen Leitungsmitglieder hinweg durchführen, oder daß die Glaubensgemeinschaft - ebenso wie viele Politiker - strategische Überlegungen zur Grundlage ihrer Erklärungen gegenüber der Presse macht.

Änderungen im Profil nach außen

Im erwähnten Ansuchen um öffentliche Unterstützung berichten die Smiths Freunde, daß sie sich selbst "als eine lutherische Freigemeinde der 'alten Schule'" betrachten. Haben die Smiths Freunde auch ihre Theologie verändert?

Wir haben früher (Fast Grunn Nr. 6/96) dokumentiert, was die Smiths Freunde lehren. Sie behaupten, Jesus habe die menschliche gefallene Natur geerbt und habe in einem umfassenden Heiligungsprozeß seine eigene innewohnende Sünde mit der Hilfe des Geistes getötet. Auf diese Weise "bahnte er einen Weg" durch den Vorhang, hinein ins Heiligtum - einen Weg, den der Glaubende zu gehen aufgerufen ist, indem er selbst das Gleiche tut. Der frühere Leiter der Smiths Freunde, Sigurd Bratlie, sprach sich über die Dreieinigkeitslehre kritisch aus und meinte persönlich, daß Jesus unbewußte Sünden beging - ein Standpunkt, dem ziemlich viele der Mitglieder folgen werden.

Bratlie war auch sehr kritisch gegenüber der evangelischen Rechtfertigunglehre und nannte sie "einen Betrug, in dem Millionen von Christen leben". Er selbst sah die Rechtfertigung als einen Prozeß an - der seine Grundlage darin hatte, daß Jesus seine innewohnende Sünde tötete.

Nichts von dem wurde widerrufen. Die Leitung der Smiths Freunde ist sich möglicherweise nicht klar darüber, daß man nicht solche Lehrsätze vertreten - und sich gleichzeitig lutherisch nennen kann. Die Bewegung hat nie einen ernstlichen Versuch gemacht, die theologischen Grenzen zwischen sich selbst und der evangelischen Christenheit aufzugeben. Die heutigen Mitglieder, die hauptsächlich in der Glaubensgemeinschaft aufgewachsen sind, haben wenig Kenntnisse aus lutherischer sowohl wie klassischer christlicher Theologie. Wir haben mehrere Beispiele dafür, daß dies auch für die Leitung gilt. Gleichzeitig muß die Schuld dafür, daß sich die Smiths Freunde nun auf einer Linie mit den Lutheranern und anderen evangelischen Christen erklären, außenstehenden Personen angelastet werden, die in den letzten Jahren sich über die Glaubensgemeinschaft ausgesprochen haben - offenbar ohne die nötige Einsicht in deren Theologie. Darauf kommen wir noch zurück.

"Auf einer Linie mit Luther ..."

Eine der ersten Änderungen sehen wir, als die Smiths Freunde 1994 eine neue Version der Broschüre "Die christliche Gemeinde" herausgaben, die eine Darstellung der Glaubensgemeinschaft und ihrer Theologie ist. Hier kam nun eine neue Behauptung hinzu: "Wir sind voll auf der Linie mit Luther, was die Rechtfertigung durch den Glauben allein betrifft." Die Broschüre wurde von Sohn des Gründers, Aksel J. Smith verfaßt, der zu diesem Zeitpunkt 84 Jahre alt war. Die Formulierung erkennt man jedoch aus Erklärungen wieder, die in anderen Zusammenhängen vom jetzigen "Mitglied der zentralen Leitung" Sigurd Johan Bratlie gemacht wurden.

Lowell D. Streiker

Bei den Smiths Freunden herrschte zu diesem Zeitpunkt "voller Krieg" zwischen vielen Mitgliedern und Ausbrechern. In Seattle in den USA wurde Lowell D. Streiker, ein Doktor der Religionswissenschaft, der auch Priester mit sehr liberalen Standpunkten in der amerikanischen Kirchengemeinschaft United Church of Christ ist, von einem weiblichen Mitglied der Smiths Freunde engagiert. Sie lag im Streit mit ihrem ehemaligen Ehemann, der aus der Bewegung ausgebrochen war, um das Sorgerecht für ihre gemeinsamen Kinder. Streikers Engagement in der Angelegenheit führte dazu, daß er von der Leitung der Smiths Freunde nach Norwegen eingeladen wurde. Er schrieb über den Besuch einen Bericht und zog den Schluß, "die Autoritätsstruktur der Smiths Freunde sei überraschend offen und flexibel", "es gebe keine Andeutung einer irreführenden Tätigkeit oder Manipulation", und die Mitglieder hätten "eine bemerkenswerte Fähigkeit zu Selbstkritik". Der Bericht enthält keine anderen kritischen Bemerkungen als einzelne bedeutungslose Dinge, die Streiker selbst beobachtet hat. Es stellt sich die Frage, ob er überhaupt mit Aussteigern in Kontakt war, um deren Erfahrungen kennenzulernen.

Streiker hat auch das "geistige Erbe" der Smiths Freunde untersucht. Hier findet er Ähnlichkeiten und Unterschiede zu anderen protestantischen Glaubensgemeinschaften und Richtungen, aber sagt nichts Erklärendes über die Christologie und Soteriologie (Heiligungslehre) der Bewegung. Es ist ungewiß, ob er überhaupt entdeckt hat, was die Smiths Freunde in dieser Hinsicht vertreten. Eine gekürzte Version von Streikers Bericht wurde ins Norwegische übersetzt und wird auf Anfrage vom Verlag der Smiths Freunde gratis verteilt.

"Der Weg des Kreuzes"

1995 erschien nun das Buch "Der Weg des Kreuzes". Es wurde von einem Nichtmitglied, dem Journalisten Kjell Arne Bratli, verfaßt., aber im eigenen Verlag der Smiths Freunde herausgegeben. Es ist zum ersten Mal, daß ein Buch aus diesem Verlag öffentlich zum Verkauf angeboten wird. Das Buch gibt ein sehr idyllisches und völlig unkritisches Bild von den Smiths Freunden. Eines der Kapitel ist zur Gänze ein Auszug von Streikers Bericht über die Smiths Freunde. In der Beschreibung der Theologie der Smiths Freunde wird die Selbsteinschätzung der Smiths Freunde wiedergegeben, einschließlich der Aussage, auf einer Linie mit Luther zu sein. Der Abstand zur übrigen Christenheit besteht dem Verfasser zufolge in erster Linie in der Sicht der Smiths Freunde vom Sieg über die Sünde und in ihrer starken Betonung der Heiligung und des Lebens der Gläubigen.

Kjell Arne Bratli sagte später, daß er sich nicht als kompetent dafür halte, die Lehre der Smiths Freunde im Verhältnis zur christlichen Theologie zu beurteilen. Dennoch hat die Leitung der Smiths Freunde mehrmals auf das Buch als Dokumentation darüber, was sie vertreten, hingewiesen.

Steinar Moe

Ein Theologe, der sich für die Smiths Freunde interessierte, ist der Erste wissenschaftliche Rat an der Hochschule in Vestfold, Dr. theol. Steinar Moe. In einem Artikel in der Zeitschrift für Theologie und Kirche nimmt er das "Evangeliumsverständnis der Smiths Freunde" durch. Er stellt die Frage nach den Hinweisen der Smiths Freunde auf die lutherische Rechtfertigunglehre, aber übersieht dennoch das katholisch-inspirierte Verständnis des Begriffes. Moe hat viele zutreffende Beurteilungen, aber er berührt nicht die Christologie der Smiths Freunde. Die Hauptsache im Verständnis der Smiths Freunde von der "weiteren Erlösung", daß der Gläubige auf dieselbe Weise wie Christus seine "innewohnende Sünde" opfern soll, wird dadurch übersehen. Hier verweisen wir übrigens auf den Artikel von Øyvind Andersen über die Grundansicht der Smiths Freunde in Fast Grunn Nr. 6/85.

Auf der Grundlage seiner Arbeit mit dem Evangeliumsverständnis der Smiths Freunde schrieb Steinar Moe auch eine Chronik im Tønsbergs Bald. Hier behauptet er folgendes: "Bei näherem Hinsehen stellen sich die Smiths Freunde nicht als eine völlig andere Kirchengemeinschaft dar, zum Beispiel im Vergleich mit der römisch-katholischen Kirche oder mit Bewegungen oder Strömungen innerhalb des evangelisch-lutherischen Kirchenlebens. [...] Ganz im Gegenteil. Im Verständnis des zentralen Punktes des Christentums, des Evangeliums, lehren die Smiths Freunde dasselbe wie mehrerer andere Kirchengemeinschaften und / oder konfessionelle Strömungen. Kirchenhistorisch gesehen plazieren sich die Smiths Freunde zum Beispiel auf der Linie des alten Erik Pontoppidan. Auch eine Reihe anderer lutherischer pietistischer Verfasser liegt auf dieser Linie..."

Dies sind willkommene Charakterisierungen für eine Glaubensgemeinschaft, die in all den Jahren wegen ihrer Lehre über Christus und die Erlösung kritisiert wurde und nun ihre Fassade aufputzen möchte. Sie werden dafür benützt, wozu sie gut sind. Als die Smiths Freunde im Herbst 1996 um staatliche Unterstützung ansuchten, lieferten sie diesen Artikel als Dokumentation dafür mit, daß die Bewegung lutherisch ist, zusammen mit dem Buch "Der Weg des Kreuzes". Große Teile von Moes Artikel werden auch in Kjell Arne Bratlis nächstem Buchprojekt für die Smiths Freunde zitiert, "Segeln zur Küste des Himmels" (eine Biographie über J. O. Smith).

Dies sind einige von vielen Beispielen, welche zeigen, daß die Smiths Freunde mit einem anderen theologischen Profil hervortreten wollen, als sie es früher hatten. Zusätzlich haben wir mehrere Beispiele dafür, daß die Smiths Freunde allgemein wünschen, als offene, inkludierende moderne Kirchengemeinschaft mit gesellschaftlich engagierten Mitgliedern und Betonung sozialer Werte aufgefaßt zu werden.

Über größere Freiheit bei der Wahl des Lebensstils und eine neue Sicht bezüglich Registrierung und staatlicher Unterstützung hinaus sehen wir jedoch wenige wirkliche Änderungen in der Lehre der Glaubensgemeinschaft. Im Organ der Bewegung, Verborgene Schätze, kann man eine etwas größere Konzentration auf die Sündenvergebung finden, aber keine lutherische Rechtfertigungslehre oder ein theologisches Neudenken auf anderen grundlegenden Gebieten. Die Mitglieder können berichten, daß die Verkündigung weniger auf Äußerlichkeiten konzentriert ist, aber die grundlegende Botschaft ist unverändert.

Warum keine ehrliche Auseinandersetzung?

Warum erklären sich die Smiths Freunde auf der Linie mit Luther, ohne es zu sein - oder zu versuchen, es zu werden? Warum ändern sie den Kurs in anderen Fragen - ohne auf frühere Standpunkte zurückzugehen und Fehler zuzugeben? Warum gibt es keine offene Debatte über die zukünftige Wegwahl der Smiths Freunde?

Die Antwort auf die erste Frage ist möglicherweise zum Teil Unwissenheit. Die Leiter haben vielleicht keine hinreichende Übersicht über die konfessionelle Landschaft, um sich selbst darin richtig einzuordnen. Nichts deutet nämlich darauf hin, daß die Leiter der Smiths Freunde planen oder wünschen, die Lehre zu ändern. Aber die mißverstandene Plazierung der Smiths Freunde unter evangelischen Kirchengemeinschaften und Strömungen paßt zweifellos sehr gut zum Bedürfnis, sich mit einem glaubwürdigen und respektablen Profil darzustellen. Vielleicht zu gut, um Zeit dafür zu verwenden, sich eine Übersicht zu verschaffen und die Fehler zu korrigieren? Die Leitung der Smiths Freunde ist sich übrigens klar darüber, daß bei weitem nicht alle Theologen sich ähnlich positiv über die Bewegung ausgedrückt haben wie Lowell D. Streiker und Steinar Moe.

Was die tatsächlichen Änderungen betrifft, so ist die Leitung der Smiths Freunde durch die hundertjährige Geschichte gehemmt, die sie gerade gefeiert haben. Von der ersten Stunde an wurde die Glaubwürdigkeit der Botschaft, ja der ganzen Glaubensgemeinschaft vom absoluten Zutrauen der Mitglieder zu den Leitern abhängig gemacht. Es ist nicht gut, zu sagen, was die Folgen wären, wenn die jetzige Leitung sich offen mit den früheren Leitern als uneinig erklärte. Eine neue Spaltung wäre ein nicht undenkbares Ergebnis.

Gleichzeitig zeigt die Geschichte, daß Glaubensgemeinschaften und ideologische Richtungen, die nicht rein und offen spielen, oft aus kleinen oder größeren nicht explodierten Bomben bestehen. Wird die heutige Praxis fortgesetzt, dann werden die Smiths Freunde ständig erleben, daß Einzelpersonen und Gruppen sich hinters Licht geführt fühlen und mit Nachdruck und Anklagen ausbrechen. Als Glaubensgemeinschaften werden sie dann ständig in die Verteidigungsposition gezwungen werden, was wiederum für das Wohlergehen und die Entwicklungsmöglichkeiten der Mitglieder hemmend sein wird.

Es ist nicht schwierig, den Bedarf der Smiths Freunde an einer Verbesserung ihres nach außen gerichteten Profils zu verstehen. Der Verfasser war selbst Mitglied der Bewegung und weiß, welche Belastung es für Kinder - ebenso wie für Erwachsene - darstellt, sich selbst als eine religiöse Rarität zu erleben.

Aus einer christlichen ethischen Perspektive gesehen sollte dennoch kein Zweifel daran bestehen, auf welche Weise die Smiths Freunde ihr Profil ändern sollten. Sie sollten Wahrheit und Ehrlichkeit an die Spitze stellen und den Streit und die Probleme auf sich nehmen, die dies mit sich bringen mag. Nur so können die Mitglieder der Welt mit erhobenem Haupt und offenen Händen gegenübertreten. Eine Glaubensgemeinschaft, die sich nicht mehr völlig davon abhängig fühlt, unangreifbare Leiter zu haben, kann außerdem in einen Dialog mit anderen Christen auf ganz anderer Grundlage eintreten. Ob ein solcher Dialog einmal aktuell werden und wozu dieser in einem solchen Fall führen wird, bleibt abzuwarten.

Alf Gjøsund, geboren 1970 in Bergen, wuchs bei den Smiths Freunden auf, stieg aus der Bewegung zu Beginn der Neunzigerjahre aus und gibt die Zeitschrift "Forløsning" heraus. Seit 1988 Journalist und Redaktionsmitarbeiter bei Utsyn. Zusätzlich studiert er an der Gemeindefakultät in Oslo evangelische Theologie.
Übersetzung aus Fast Grunn Nr. 1 - 1999: Friedrich Griess