Quelle: http://forlosning.com/2000/red/00_12_22.htm

Die Zeit der enttäuschten Erwartungen

Was in den Augen der Menschen klein ist, ist oft groß und kostbar in Gottes Augen. Gott muß oft unsere Erwartungen enttäuschen, damit wir auf jene bauen, die Bestand haben. Dies geschah am ersten Weihnachtsabend vor mehr als zweitausend Jahren. Dies geschieht noch immer.

Von Alf Gjøsund

Ich weiß, was sich mein Sohn zu Weihnachten wünscht. Und ich freue mich, sein Gesicht zu sehen, wenn er das Paket von Mama und Papa öffnet und sieht, daß wir ihm das geschenkt haben, was er sich erhoffte. Für einige privilegierte Kinder ist Weihnachten oft einsbedeutend mit erfüllten Erwartungen.

Anders war es, als Gott der Welt seine große Weihnachtsgabe schenkte. Die Juden erwarteten einen mächtigen König, einen Heerführer, der die Römer überwinden und Israel zur führenden Nation in der Welt machen sollte. Nichtjuden hatten andere Erwartungen und Forderungen an den, der den Titel "Sohn Gottes" tragen sollte. Er müßte ein erhöhtes geistiges Wesen ohne die gewöhnlichen "Schwächen" der Menschen wie Müdigkeit, Hunger und Sterblichkeit sein.

Für solche Erwartungen wurde Gottes Geschenk an die Welt eine gediegene Enttäuschung. Er war keineswegs groß und mächtig, sondern arm und unscheinbar. Er war kein erhöhter geistiger Halbgott, sondern ein schwacher Menschensohn. "Er hatte keine schöne und edle Gestalt, so daß wir ihn anschauen mochten. Er sah nicht so aus, daß wir Gefallen fanden an ihm" (Jes 53, 2).

Enttäuschungen im christlichen Leben sind etwas, was wir alle erlebt haben. Für einige waren die Enttäuschungen besonders groß. Vor einigen Tagen erhielt ich von einem Mitglied der Smiths Freunde einen traurigen Weihnachtsbrief: "Ich kenne viele bei den Smiths Freunden, die Angst haben, aber sie wagen nicht, dagegen aufzubegehren", schreibt er. Dies sind Menschen, die auf etwas setzten, woran sie glaubten.

Sie glaubten an ein Gebäude, das solid aussah. Aber dann machten sie die Erfahrung, daß die Begriffe, die wir Menschen von Solidität haben, nicht immer mit der Wirklichkeit übereinstimmen, und daß das, was stark aussieht, sich oft als das Gegenteil davon erweist.

Andere meinten, das christliche Leben werde ihnen auf eine Weise gelingen, welche die Bibel nicht verspricht. Ich sprach vor einiger Zeit mit einem verzweifelten Jugendlichen. Nachdem er einige Jahre hindurch gekämpft hatte, erlebte er, daß er immer noch gegen den Willen Gottes dachte und handelte. Er hatte gelernt, die Vergebung der Sünden sei etwas für Anfänger; deshalb wagte er nicht, sich die vielen stärkenden Worte über Jesus als seinen Stellvertreter vor Gott anzueignen. An was der junge Mann geglaubt hatte, hatte versagt. Und auf den, der ihn aufrichten hätte können, wagte er nicht zu vertrauen. Es war zu erbärmlich und klein, nur auf ihn zu bauen.

Menschlich gesehen gibt es nicht viel darauf zu vertrauen, auf das kleine Menschenkind, das in einem schmutzigen und vermutlich ziemlich übelriechenden Stall geboren wurde. Es gibt nicht viel anzubeten, das Leben darauf zu bauen. Was aber in den Augen der Menschen klein ist, ist oft groß und kostbar in den Augen Gottes. Um das zu sehen, müssen wir unsere eigenen Begriffe von Größe und Geistigkeit verwerfen. Wir müssen das loslassen, woran wir uns so krampfartig klammern, und uns "auf die siebzig Klafter hinauswerfen", wie Kierkegaard schreibt. Aber dann erfahren wir auch, daß, während das Große und Schicke zu Staub zerfällt, das, was so schwach und gering wirkt, uns in Leben und Tod festhält. Denn Gott fragt uns nicht um Rat, wenn er Größe und Kraft definiert.

Weihnacht ist auf eine gewisse Weise die Zeit der enttäuschten Erwartungen. Es geschieht, daß Gott unsere Erwartungen enttäuschen muß, um uns dazu zu bringen, auf etwas zu bauen, was hält. Dies geschah am ersten Weihnachtsabend vor mehr als zweitausend Jahren. Dies geschieht noch immer.

Ich wünsche Dir eine gesegnete Weihnachtszeit.