Aus: St. Olav, katholische Zeitschrift für Religion und Kultur, Nr. 9/2000
Baby Johannessen:
Wichtiges Werk über Christentum und religiösen Pluralismus
Als der belgische Jesuitenpater Jacques Dupuis, 1923 geboren, Professor an der Universität Gregoriana in Rom und Redakteur der Zeitschrift "Gregorianum", im Herbst 1997 sein Werk "Toward a Christian Theology of Religious Pluralism" herausgab, war die Glaubenskongregation der römisch-katholischen Kirche mit Kardinal Joseph Ratzinger an der Spitze rasch zur Stelle: Eine geheime Untersuchung des Werkes wurde sofort in die Wege geleitet. Die Reaktionen blieben nicht aus.
Als das Vorgehen der Glaubenskongregation gegen J. Dupuis im Laufes des Jahres 1998 ruchbar wurde, erfolgten wie gesagt Reaktionen. Die stärkste kam von Europas grand old emeritus, Kardinal Franz König, zu Beginn des Jahres 1999. Er könne nicht schweigen, sagte er, wenn einer der hervorragendsten Theologen der Kirche auf dem Gebiet des interreligiösen Dialogs von einer geheimen kirchlichen Untersuchung betroffen sei, bei der die Kompetenz der Untersucher unbekannt bleiben würde. Die Antwort von Kardinal Joseph Ratzinger auf alle Kritik war ausweichend. Er rechne damit, sagte er im Herbst 1999, daß es zu einer Abklärung mit dem betroffenen Autor kommen werde.
Das Vorpreschen der Glaubenskongregation war offensichtlich übereilt. Es dreht sich hier um ein Werk, das kaum von großen Scharen von Katholiken gelesen würde, seien es nun Priester oder Laien. Dies weiß natürlich der einsichtsvolle Kardinal Ratzinger. Der Sprengstoff im Buch liegt in einigen Fragen der Christologie und in der kompromißlosen Toleranz des Verfassers gegenüber nichtchristlichen Religionen. Auf lange Sicht wird eine solche Toleranz Konsequenzen nicht nur für die Theologie und Tradition der römisch-katholischen Kirche, sondern für jene der ganzen christlichen Kirche haben müssen. Und umgekehrt: Sie muß zu einer neuen Toleranz der nichtchristlichen Religionen gegenüber dem Christentum führen.
"Toward a Christian Theology of Religious Pluralism" ist ein gelehrtes Werk auf 434 dichtbeschriebenen Seiten. Das Werk wurde ausgehend von der Einsicht des Autors in den Hinduismus und Buddhismus nach einem langjährigen Aufenthalt in Asien als Vortragender an dortigen Universitäten verfaßt. Es wurde von einem neuen Gesichtspunkt aus geschrieben. Hier werden die nichtchristlichen Religionen nicht aus einem westlich-kolonialistischen christlichen Blickwinkel gesehen, sondern aus einer Toleranz gegenüber dem Selbstverständnis und der Selbstdarstellung anderer Religionen. Kardinal König sagte in seiner Verteidigung des Werkes, das durchzusehen er sich wirklich Zeit genommen hatte, daß die Weise des Autors, sich z.B. indischer Denkart zu nähern, nachahmenswert sei, wenn es sich um das Zusammentreffen von Christen mit nichtchristlichen Glaubensrichtungen handle. Die Denkweisen in West und Ost sind verschieden - es dreht sich um eine scholastische Terminologie im Westen gegenüber der metaphorischen Sprache des Ostens.
Der Inhalt des Werkes
Die dramatischen Änderungen, die sich in der Welt im 20. Jahrhundert ereigneten, erfordern neue theologische Überlegungen, meint J. Dupuis. Der Autor weist darauf hin, daß, während die christliche Kirche eine theologische Tradition entwickelt hat und sich dieser nun wohlentwickelten Tradition bedient, einige der anderen Religionen auch ihre Theologie entwickelt haben, wenn auch auf andere Weise als die scholastische. Er meint, man müsse sich nun auf ein umfassendes interreligiöses Studium einlassen.
Dieses Werk handelt von folgenden: Die Religionen, denen das Volk der Bibel folgte; Christus und die frühen Kirchenväter; das Heil in Jesus Christus. Gibt es Heil auch in anderen Religionen außerhalb des Christentums? Wodurch können die Religionen einander bereichern?
Die Hauptabschnitte des Werkes umfassen:
I) Eine Übersicht über die christliche Annäherung an andere Religionen, und
II) ein Gott - ein Christus - zusammenfallende Wege.
Gibt es Heil außerhalb der Kirche?
Die Unterabschnitte unter I) befassen sich mit den Religionen jener Nationen, über die in der Bibel - sowohl im AT als auch im NT - berichtet wird. Ferner mit den ersten Kirchenvätern vor Augustinus, dann mit dem kirchlichen Lehramt; darunter wird die Frage erörtert, ob es Heil außerhalb der Kirche gibt. Kann das Evangelium ersetzt werden? Über die vielen Konzilien wird berichtet und sie werden gewürdigt. Die theologischen Perspektiven vor und nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil werden angeführt, ausgehend von den Theorien der bekanntesten Konzilstheologen. Die Aussagen der letzten Päpste werden eingehend gewürdigt, in erster Linie die von Johannes Paul II., der oft zitiert wird.
Als Abschluß dieses ersten Teils werden drei wichtige Fragen bezüglich Paradigmenwechsel gestellt: von Kirchenzentriertheit zu Christuszentriertheit, von Christuszentriertheit zu Gotteszentriertheit und schließlich die christologische Frage. So wie ich den Autor verstehe, will er nicht am Glauben gläubiger Christen an die persönliche Erlösung durch Jesus Christus oder am Glauben der Christen an Jesus Christus als den Retter der Welt rütteln. Jesus ist der Weg für die Christen, aber Jesus kann für andere religiöse Menschen als unnötig erscheinen. Hier bietet der Autor eine lange und schwierige Einführung in christologische Fragen.
Die Unterabschnitte im Teil II) befassen sich mit den Fragen der Nähe Gottes zu den Menschen im Laufe der Geschichte, mit der Offenbarung und mit den Weltreligionen. Ferner mit dem Mystizismus und den christlichen Mysterien, mit Gottes menschlichem Antlitz, Gottes Universalität, mit Praxis und Theologie in Verbindung mit Religionsdialogen. Das Ganze endet mit einer Schlußfolgerung über religiösen Pluralismus, verwandte Einheit und das Zusammenfallende, Historische und Eschatologische (über die letzten Dinge - Seligkeit oder Verdammnis).
Einsicht führt zu Toleranz
Was einen bei diesem Werk beeindruckt, sind 1) die Gründlichkeit, das Quellenmaterial und der historische Fortschritt und 2) die Einsicht in die Glaubenserklärung anderer Religionen, die Aufmerksamkeit gegenüber Andersgläubigen und ein starker christlicher Standpunkt des Autors, aber ohne Vorurteile.
Ohne die theologisch-christologische und religionshistorische Kompetenz zu haben, die man benötigt, um das vorliegende Werk voll würdigen zu können (dies ist nur eine Einführung in das Werk von meiner Hand - ich hoffe, ein kundiger Theologe hier im Lande mit einem offenen Sinn wird dem Werk die nötige fachtheologische Besprechung angedeihen lassen!) schwant es mir dennoch, daß die Theologen Recht behalten, die darauf hinwiesen, daß dies das epochemachendste Werk von christlicher Seite für zukünftige Zeiten, betreffend den interreligiösen Dialog, sein wird. Für alle Christen außerhalb des strengen theologisch-wissenschaftlichen Bereiches sollte bald eine "Volksausgabe" in leichterer Form erscheinen, die auf eine leichter zu begreifende Weise allen Einsicht in diese Weisheit gewährt. Dies sollten wir nicht allein den Forschern in den Studierkammern allein überlassen.
Nun saß ja der Professor und Jesuitenpater Jacques Dupuis nicht nur in seiner Studierkammer. In den zwanzig Jahren, in denen er in Asien war, reiste er viel umher, hörte zu und lehrte. Er ist, soweit ich es beurteilen kann, kein "Irrlehrer". Die Glaubenskongregation handelte wohl allzu schnell. Darin hatte Kardinal König sicher recht. Für mich ist J. Dupuis ein toleranter christlicher Wahrheitssucher, der sich gut in die Reihe der Theologen einfügt, die hinter dem Zweiten Vatikanischen Konzil standen. Diese wurden jedoch beinahe alle von der derzeitigen Glaubenskongregation "überprüft"/verfolgt.
Die Absicht des Werkes
Die Absicht dieses Werkes - denn es ist ein gediegenes Forschungswerk und nicht nur ein "Buch" - ist es, zu einer christlichen Theologie für religiösen Pluralismus in unserer Zeit beizutragen. Die Methode, der sich eine solche Theologie bedienen muß, so heißt es in der Schlußfolgerung, muß induktiv sein. Das heißt: Aufbauen auf Dialog und Vergleichbarkeit, indem man sich die erklärenden Teile aus dem Kontext zum Text vornimmt und umgekehrt. Wenn man auf diese Weise eine Synthese aufbaut, muß man den ganzen Umfang der christlichen Theologie vor sich haben, wie Christuszentrierung, Gotteszentrierung, Himmelreichszentrierung, Heilszentrierung usw. Wenn man das voneinander trennt, verliert man die Komplexität und den Reichtum der christlichen Erfahrung.
Aber man muß auch die Lehre von der Dreieinigkeit und von der Geisteschristologie berücksichtigen, die eine positivere Beurteilung von Religionsbildungen und Traditionen außerhalb des Christentums ermöglichen. Mit anderen Worten: Im Dialog von christlicher Seite aus muß man auch die universelle aktive Gegenwart Gottes und seines Geistes in der Welt als Quelle für andere Religionsstifter und Traditionen als das Christentum betonen.
Auch andere Annäherungsweisen werden überlegt. Die Fragen, die letztendlich zu beantworten sind, damit der Dialog zwischen den Religionen fruchtbar werden kann, sind: 1) Arten von religiösem Pluralismus; 2) die Bedeutung vom Wesen Jesu Christi in Eindeutigkeit und Universalität; 3) Verständnis, wie das Christentum und die anderen Religionen einander ergänzen und sich einander nähern.
Dies weist übrigens darauf hin, wie die christliche Mission im Zusammentreffen mit anderen Religionen, besonders in Asien, mißglückt ist. Man berücksichtigte nicht den Großmut, mit dem sich Gott den Menschen geoffenbart hat.
Der Autor sagt, es wäre vermessen zu behaupten, man könne Gottes Plan für die Menschen völlig durchschauen; kein menschliches Wissen kann jemals behaupten, die göttliche Sicht der Dinge selbst zu besitzen.
Jacques Dupuis. S.J.
"Toward a Christian Theology of Religious Pluralism"
434 S. Orbis Books. Maryknoll, New York 10545
Übersetzung: Friedrich Griess