Angy: Ich wurde ausgenutzt

Ich hatte eine schöne Kindheit mit fürsorglichen und liebevollen Eltern. Alles fing an, als ich diese Leute von den Smiths Freunden kennen gelernt habe. Ich begann die Schule zu vernachlässigen (denn es hieß: die Gemeinde -Gottes Werk auf der Erde- ist wichtiger als alles andere), litt an depressiven Verstimmungen und während der Berufsschule konnte ich mich kaum noch auf den Unterricht konzentrieren. Als ich die Gemeinde kennen lernte war ich ungefähr 12 Jahre alt.

Man brachte mir bei, dass man nur in der Gemeinde ein glückliches Leben führen kann. Dass man den Ältestenbrüdern gehorchen muss, denn sie seien von Gott eingesetzt. Alle Andersgläubigen (auch meine Eltern) seien die "geistliche Hure" - sie erwartet die ewige Feuerhölle. Mit meinen Grosseltern, Onkel und Tanten sollte ich nicht über Gottes Wort reden. Es gibt in der Gemeinde geistliche Personen und nicht geistliche Personen. Wer eine geistliche Person ist, entscheiden die Ältestenbrüder. Ich war hin und her gerissen. Ich liebte doch meine Eltern und Familie. Aber wenn ich ganzherzig für Gottleben wolle, dann sollte ich die Familienbande zerreißen, meine Eltern und mein eigenes Leben hassen und mich für die Gemeinde nützlich machen. Von einem Gemeindeleiter wurde ich dazu ermahnt, den Müttern in der Gemeinde zu helfen. Ich sollte regelmäßig zu den Versammlungen kommen. Das war für mich ein Problem. Die Strecke von meinem Elternhaus zu den Versammlungen betrug über 100 km und mir fehlten die finanziellen Mittel. So habe ich meine schulische Ausbildung abgebrochen und eine betriebliche Ausbildung begonnen (ein Beruf, den ich nie ausüben wollte) - nur um eigenes Geld zu verdienen. Einer Zusage für einen Ausbildungsplatz meines Traumberufes habe ich abgesagt, weil der damalige Jugendleiter der Gemeinde meinte, es wäre nicht gut, wenn ich für eine Ausbildung so weit weg ziehen müsste und dann den Kontakt zur Gemeinde nicht mehr pflegen könnte.

Die Predigten und die Lehre der Gemeinde sind ziemlich aggressiv. Die Sünde im Fleisch muss getötet werden. Man soll den Lüsten (vor allem den Jugendlüsten) entfliehen und sie töten. Normale menschliche Emotionen werden zur Sünde erklärt und müssen verleugnet (unterdrückt) und getötet werden. Ich wurde von der Sekte kontrolliert. Man organisierte hinter meinem Rücken mein Leben, z.B. sagte mir der damalige Jugendleiter, ich sollte in der Zeitung eine Anzeige schalten, dass ich einen neuen Ausbildungsplatz suche, damit ich in der Nähe der Gemeinde wohnen könne. Es meldete sich eine einzige Firma. Der Chef der Firma war ein Nachbar des Jugendleiters. Man sagte mir, dass dies eine Fügung von Gott (Gottes Wille) wäre und ich allen Grund hätte dafür dankbar zu sein. Später bekam ich von meinem Chef eine Wohnung angeboten -genau gegenüber der Familie des Jugendleiters. Auch dies sei so Gottes Wille und mein von Gott bestimmter Lebensweg. Viel später habe ich erfahren, dass in Wirklichkeit dies alles vom Jugendleiter organisiert worden war. Der damalige Jugendleiter hat heute elf Kinder. Als ich diese Familie kennen gelernt habe, waren es nur fünf. Ich musste viel bei dieser Familie unentgeltlich arbeiten - neben meinem Hauptberuf.

Viele Jahre meines Lebens hat mir diese Sekte geraubt. Ich möchte sagen, ich bin ausgenutzt worden. Irgendwann geriet ich dann in eine schwere suizidale Krise. Es waren Dinge geschehen, die ich nicht verstehen konnte und die (aus meiner Sicht) mit der Verkündigung der Gemeinde nicht übereinstimmten. Mit meinen Fragen diesbezüglich wurde ich alleingelassen. Ich sollte meinen Verstand ausschalten und alles hinnehmen, was die verantwortlichen Geschwister taten. Wenn ich damit nicht einverstanden bin, soll ich doch die Gemeinde verlassen. Aber wer geht schon freiwillig in die Hölle? Wenn nur der Weg in der Gemeinde zur vollkommen Erlösung und Errettung führt. So habe ich weiter ausgehalten. Meine Gefühle wurden ungültig gemacht, in dem man mir sagte, ich würde mir alles nur einbilden. Ich fühlte mich zunehmend missverstanden und geriet in eine schwere psychische Krise. Und das in einer Gemeinde, die sich "Das Leben e.V." nennt und von sich behauptet das einzig wahre Evangelium auf der ganzen Welt zu predigen. Seit meinem zwölften oder dreizehnten Lebensjahr beeinflusst mich diese Sekte stark und mischt sich in mein Leben ein.

Wenn Sie möchten, erzähle ich Ihnen gerne mehr. Ich freue mich immer, wenn ich Menschen treffe, mit denen ich offen über diese Problematik reden kann. Denn in der Gemeinde heißt das: den Geist der Anklage zu haben und das ist vom Teufel.