Die Einstellung
der katholischen Kirche zur Ehe und damit zur Sexualität
Wegen des immer drückender werdenden
Priestermangels, der sich entgegen vatikanischen Behauptungen keineswegs auf
Nordamerika und Europa beschränkt, sondern in anderen Kontinenten teils noch
viel schlimmer ist als bei uns, wird immer wieder die Forderung erhaben, doch
zumindest verheiratete Männer zu Priestern zu weihen, wie das in den
unierten Ostkirchen ja immer möglich war und daher keinen Bruch mit der
Tradition darstellt, und nicht ausschließt, dass für bestimmte Gebiete
Partikularlösungen getroffen werden können. Die Ursache für die beharrliche
Ablehnung dieser Forderung ist meiner Meinung nach eine tief verwurzelte
negative und bibelwidrige (1 Tim 3, 2-5; 1 Tim 4,3; Tit 1,6; 1 Kor 9,5; )
Einstellung der Kirchenleitung zu Ehe und Sexualität, die trotz vieler schöner
Worte durch praktische Beispiele immer wieder zum Ausdruck kommt. Einige
dieser Beispiele seien hier genannt:
- Als
Grund für den Pflichtzölibat wird immer wieder angeführt, ein
Seelsorger habe sich ganz der von ihm betreuten Gemeinde zu widmen und
könne sich daher nicht auch noch um eine eigene Familie kümmern. Nun hat
anlässlich der Suspendierung eines Pfarrers, der Kinder hatte, der
zuständige Bischofsvikar erklärt, Kinder - und die Verantwortung für diese
- seien für die Ausübung des Priesteramts kein Hindernis, wohl aber das
Zusammenleben mit einer Frau. Ein Witwer oder geschiedener Mann kann
sofort zum Priester geweiht werden, auch wenn er für Kinder zu sorgen hat.
- Die
Kirche verwehrt ständigen Diakonen, wenn deren Frau gestorben ist,
grundsätzlich eine zweite Eheschließung. (Dispens ist möglich.) Falls
Kinder vorhanden sind, muss der Vater und Diakon sich nun allein um diese
kümmern, statt diese Fürsorge mit einer neuen Frau teilen zu dürfen. Auch
dies widerspricht dem immer wieder behaupteten Grundsatz, die Sorge um die
Familie schmälere den Einsatz für die Gemeinde. Ich kann mir auch
vorstellen, dass der Grund für diese Vorschrift eine strenge
Auslegung von 1 Tim 3, 2 ("nur einmal verheiratet") sein könnte.
Wie kann man aber einerseits 1 Tim 3, 2-5 als nicht zeitgemäß ablehnen,
wie es vor kurzen ein Bischof mir gegenüber getan hat, an einem kleinen Teil
daraus aber fundamentalistisch festhalten? Daher mein Verdacht, es gehe
der Kirche auch hier nur darum, Sexualität möglichst zu verhindern.
- Ich
kenne ein Ehepaar, von dem beide vor der Heirat in der Diözese St. Pölten
als Laien-Religionslehrer tätig waren. Als sie heirateten (auch
kirchlich!), wurden sie entlassen und waren arbeitslos. Das geschah erst
vor etwa 50 Jahren.
- Manche
ältere Eheleute haben noch gelernt, man müsse nach jedem ehelichen Verkehr
beichten. Es war (ist?) also Sünde, den biblischen Auftrag Gottes zu
befolgen!
- Selbst
ein sonst so fortschrittlicher Denker wie Professor Paul M. Zulehner
stellte in einem seiner "Zeitworte" das seiner Meinung nach
vorbildliche weil angeblich enthaltsame Paar Tamino - Pamina aus der
"Zauberflöte” dem angeblich verachtenswerten Paar Papageno - Papagena
gegenüber. Ich schrieb ihm: "Nichts würden wir heute dringender
brauchen als "viele liebe kleine Kinderlein.""
- In
der Enzyklika Ecclesia de Eucharistia, Abschnitt 32, wird eine Änderung
der Zulassungsbedingungen zum Priesteramt - also z.B. viri probati -
als eine Minderung der moralischen Kriterien bewertet. [1] Das heißt also, Verheiratete sind in
den Augen Roms moralisch minderwertig!
- Bei
Selig- und Heiligsprechungen besteht ein großes zahlenmäßiges
Missverhältnis. Jene Menschen, die stets als die leuchtenden Vorbilder
hingestellt werden, sind mit wenigen Ausnahmen ehe- und kinderlos. Die
Ausnahmen sind meist Adelige.
- Meine
Frau und ich nahmen im Februar 2008 an einem Einkehrwochenende mit
Altbischof Stecher teil. Stecher sinnierte in einem seiner Vorträge
darüber, wen man früher als zur Kirche gehörig betrachtete, und sagte
wörtlich: "Und den Mesner schon nimmer, denn der war
verheiratet."
Zwar setzen sich Papst und Bischöfe oft
verbal für Ehe und Familie ein. Aber es gilt: „Das was du tust, schreit so
laut, dass ich nicht höre, was du sagst.“ Eine Änderung der
Zulassungsbedingungen zum Priesteramt setzt meiner Meinung nach eine positive
Sicht von Ehe und Sexualität nicht nur in der Theorie, sondern auch in der
Praxis voraus.
Friedrich Griess