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Humana / Kleidung zum Freundschaftspreis

von Joop Bouma
2003-03-06

In Dänemark steht der Gründer des Tvind-Imperiums, Mogens Amdi Pedersen, wegen des Verdachts des Millionenbetrugs vor Gericht. Der Kleidersammler Humana-Niederlande ist einer der vielen Sprößlinge von Pedersens Tvind-Sekte. Joop Bouma skizzierte im gestrigen Beitrag ein Porträt von Tvind und geht heute auf die Suche nach Humanas verschwundenen Millionen.

Es sind keine schwindelerregenden Beträge, die Humana Niederlande nach Afrika schickt. In den guten Jahren investierte Humana den eigenen Jahresberichten zufolge durchschnittlich 1,4 Millionen Euro jährlich in afrikanische Hilfsprojekte. Dies war der Erlös aus dem Verkauf von gebrauchten Kleidern, die in rund hundert Gemeinden in Humana-Container gestopft wurden. Die Menschen dachten, damit der Dritten Welt zu helfen. Aber es hat allen Anschein, daß dadurch vor allem Tvinds Lehrergruppe profitiert hat.

Im vergangenen Jahr bekam Humana zum ersten Mal die begehrte CBF-Auszeichnung, den Stempel des Centraal Bureau Fondsenwerving, daß mit dem guten Zweck alles in Ordnung sei. Aber ist das auch so? Nach den anhaltenden Berichten über Unregelmäßigkeiten zweifelt auch das CBF. Das Büro arbeitet seit November an einer 'zwischenzeitlichen Überprüfung' von Humana Niederlande. "Das ist eine komplizierte Angelegenheit", so der Vorsitzende der Prüfungskommission, A. van der Most, im vergangenen Dezember.

Verwickelt ist die Konstruktion rund um Humana sicher. Die Tvindgruppe ist in dreißig Jahren zu einem Labyrinth von Betrieben und Firmen angewachsen, das sich von Atlanta in den Vereinigten Staaten bis nach Zhangjiagang in China erstreckt.

Es gehe nicht gut mit Humana, sagt ein Ex-Arbeitnehmer. "Das kleine Bißchen Geld, worüber an das Centraal Bureau Fondsenwerving berichtet wird, wird mit viel Tamtam nach Afrika geschickt. Aber das ist schöner Schein. Der echten Gewinn verschwindet laut Bankrechnung auf Jersey. Unter allem, was bei Humana und Tvind Geld abliefert, befindet sich ein Trichter zu Postkastenfirmen in Steuerparadiesen. Die ganze Strecke wird vollständig ausgewrungen", zufolge Gert Blom. Er möchte nicht mit seinem wirklichen Namen in die Zeitung, weil er juristische Maßnahmen fürchtet. "Ich habe bei dieser Firma allzu viel mitgemacht."

Blom arbeitete jahrelang für EC Trading, ein Handelsbüro am Oudezijdsvoorburgwal in Amsterdam, das für Humana Niederlande Kleider an Ostblockländer verkaufte. Er sagt, daß vom Erlös nur ein kleiner Teil an Projekte in Afrika ging. Millionen wurden zu Postkastenfirmen in Gibraltar und auf der Kanalinsel Jersey durchgeschleust.

EC Trading wurde zu Beginn der Neunzigerjahre durch den Dänen Flemming Gustafsson gegründet, einem Mitglied der umstrittenen Lehrergruppe der Tvind-Sekte in Dänemark. Jahrelang wurden über das Amsterdamer Büro Millionen Kilo Altkleider von Humana Niederlande an spezielle Abnehmer oder andere Tvidorganisationen, vor allem in den ehemaligen Ostblockländern, verkauft.

Im Jahre 2000, als der Markt für Altkleider einbrach, ging es mit EC Trading schlecht. Der Betrieb meldete Konkurs an und hinterließ eine Schuld von fast drei Millionen Euro. Die Angelegenheit ist immer noch nicht abgeschlossen. EC Trading hat stets bestritten, daß es mit Tvind fest verbunden war. Aber aus den Befunden des Konkursverwalters ergibt sich das Gegenteil. Die Postkastenfirmen auf den Kanalinseln, die bedeutendsten Schuldner von EC Trading, gaben gegenüber dem Konkursverwalter, Herrn J.C. Rosenberg Polak, zu, daß sie zu Tvind gehören. "Alles weist darauf hin, daß EC Trading ein Teil der Tvind-Gruppe war", schreibt der Jurist in seinem neunten Bericht über die Abwicklung des Konkurses.

Bis der Handel einbrach, war Osteuropa für Humana ein außergewöhnlich profitabler Absatzmarkt. Der Verkauf von gebrauchter Kleidung im ehemaligen Ostblock hat den Gewinn von chari-multinationalen Millionen Euros eingebracht, sagt der ehemalige Mitarbeiter Blom.

EC Trading scheint besonders dazu errichtet worden zu sein, den Gewinn aus dem Verkauf gesammelter Kleidung sicherzustellen. Der Konkurs paßt in dieses Schema. Per Jensen, Vorsitzender von Humana Niederlande und Mitglied von Tvinds Lehrergruppe, findet bereits die Vermutung von Selbstbereicherung falsch. "Alle Berichte über Humana sind ungerecht und tendenziös", erklärte er im vergangenen Sommer nach einer Sendung des Fernsehprogramms 'Netwerk' über die dunklen Seiten der Humana-Organisation. Es seien nach der Sendung parlamentarische Anfragen von der CDA gestellt worden, u.a. an die Justiz, aber Minister Donner sehe keinen Grund für eine Untersuchung.

"Die Angelegenheit ist juristisch dichtgemacht", sagt ein ehemaliger Mitarbeiter von Humana. "Hier in den Niederlanden stimmen die Bücher wirklich gut. Dafür haben sie wohl vorgesorgt. Ich denke, daß jemand durch diesen Kleiderhandel schrecklich reich geworden ist, und diese Person sitzt nicht in Afrika." Blom zufolge verkauft Humana die Kleidung um viel zu niedrige Preise an das Amsterdamer Handelsbüro. EC Trading verkauft die Kleider daraufhin über Nebenbüros von Tvind zu marktkonformen Preisen durch einen Händler in Osteuropa. Es gab, sagt er, immer zwei Fakturen: Eine extrem niedrige Pro Forma-Rechnung, mit welcher der Zoll und die Steuer hinters Licht geführt werden. Und eine echte Rechnung, die an die Postkastenfirma auf Gibraltar oder Jersey bezahlt werden muß.

"Das Bißchen Gewinn, den Humana in den Niederlanden machte, wurde den Behörden immer sauber angegeben. Der Gewinn von EC Trading war auch zu vernachlässigen, der echte Gewinn wurde in Polen oder Rumänien oder Georgien erzielt. In den örtlichen Büros dort saßen immer Dänen von Tvind am Ruder. So verschwindet das Geld in den Taschen der Lehrergruppe", sagt der Ex-Mitarbeiter.

Er führt ein Rechenbeispiel vor. Humana verkaufte in guten Jahren eine Tonne Kleidung für 204 Euro an EC Trading. Die Handelsfirma schlägt für die Pro Forma-Faktura 45 Euro drauf. Die echte Rechnung im Bestimmungsland betrug letztendlich 908 Euro. Schwarzer Gewinn pro Tonne: 659 Euro. Dieser Betrag wird in den Niederlanden, aber auch in den Bestimmungsländern sorgfältig dadurch von den Büchern ferngehalten, daß man Blom zufolge die Rechnung an die Postkastenfirmen in Gibraltar oder auf den Kanalinseln bezahlen läßt.

"Ich habe das hundertmal gesehen. In einem Spitzenjahr verarbeiteten wir 25000 Tonnen Kleidung", sagt der Ex-Mitarbeiter. Das bedeutet, daß es in einem Spitzenjahr einen Umsatz von reichlich 16,3 Millionen Euro gegeben haben muß. Die Jahre 1994 bis 1997 gelten als gute Jahre. Der Preis von Second-Hand-Kleidung war damals sehr hoch.

1994 verwendete Humana Niederlande eigenen Angaben zufolge knapp 640.000 Euro für gute Zwecke in Afrika. 1995 waren das 1,3 Millionen, 1996 1,6 Millionen und 1997 1,8 Millionen.

Dem steht ein Umsatz von 65,2 Millionen durch den bedeutendsten Abnehmer Humanas, EC Trading, gegenüber. Blom schätzt daß, Humana Niederlande 45 Prozent des Umsatzes von EC Trading bestritt. Die in den Niederlanden gesammelte Kleidung muß also in den vier Jahren 29,5 Millionen Euro eingebracht haben. Aber Humana verwendete in dieser Periode nicht einmal 5,5 Millionen für karitative Hilfe. Der große Unterschied kann nicht durch die Kosten für Personal, Entsorgung, Verarbeitung und Transport erklärt werden. Auch nicht wenn die Kosten und die Gewinnspanne von EC Trading in die Berechnung einbezogen werden.

Blom: "Es wurde grob Geld verdient. Ich habe wohl auch daran gedacht, selbst in den Handel einzusteigen, weil das sehr gewinnbringend war. Die Güter- und Geldströme wurden in den Niederlanden sorgfältig aus der Reichweite der Behörden gehalten."

Vorsitzender Jensen von der Stiftung Humana läßt in einer Reaktion wissen, daß der Kleiderbetrieb immer zu marktkonformen Preisen an EC Trading verkauft hat. Direktor R. van Baaren bestreitet, daß von einem Gewinn von 659 Euro pro Tonne die Rede sein kann. Der Betrieb sagt, in den Jahren '94-'97 einen Umsatz von fast 19 Millionen und nicht 29,5 Millionen Euro gehabt zu haben. Humana zufolge geht auch aus der durch Revisoren geprüften Jahresabrechnung hervor, daß Humana zu normalen Preisen verkauft. Auch das Centraal Bureau Fondsenwerving beurteilt gemäß der Organisation die Finanzen derzeit positiv.

Inzwischen stehen Tvind und Humana in Dänemark durch das Gerichtsverfahren gegen Mogens Amdi Pedersen, der 2002 in Los Angeles verhaftet wurde, nachdem er jahrelang untergetaucht war, im vollen Licht der Öffentlichkeit. In Miami besaß er ein geräumiges Appartement, das dänischen Zeitungen zufolge acht Millionen Dollar wert war. Nach der Auslieferung in sein Geburtsland ist in Dänemark die Kritik am schattenhaften Tvind erneut aufgeflammt. Eine dänische Gewerkschaft rief ihre Mitglieder auf, die Kleidercontainer von Humana zu boykottieren.

Auch in Belgien läuft ein Strafverfahren gegen acht Mitglieder von Tvinds Lehrergruppe, darunter den Niederländer Joop Nagel (55), einen Vertrauten Pedersens von der ersten Stunde an. Unter den in Belgien Verdächtigten befindet sich auch Flemming Gustafsson, der Däne, der EC Trading gründete. Alle acht werden der Geldwäsche beschuldigt. Es geht um 3,8 Millionen Euro und 1,2 Millionen amerikanische Dollar.

Die Justiz in Brüssel möchte inhaltlich nicht auf das Verfahren eingehen. Der Prozeß steht für 23. Mai auf dem Programm des Gerichts in Brüssel, aber ein Sprecher der Staatsanwaltschaft meint, es könnte ein Aufschub stattfinden, wenn die polizeiliche Untersuchung noch nicht beendet sei.

Inzwischen befindet sich Tvind-Mitglied Flemming Gustafsson in den Niederlanden und ist vollauf mit dem Altkleiderhandel beschäftigt. Harry Sluijter, Finanzdirektor der Boer Gruppe Holland in Dordrecht, ein Betrieb, der mit gebrauchten Textilien handelt, bekommt ein Fax von Gustafsson, diesmal namens des Betriebes ConMore in Amsterdam. Der Däne informierte ihn, ob nicht Interesse bestehe für ausgezeichnete Partien gesammelter Kleidung aus Spanien und den USA. Allgemeine Direktorin und alleinige Aktionärin von ConMore ist die Dänin Birgit Dinesen Jensen, Mitglied der Lehrergruppe. Humana Niederlande bestätigt, daß mit ConMore reichlich Geschäfte gemacht werden.

Sluijter konnte das Fax mit dem Anbot von Gustafsson nicht recht würdigen. Der Boer Gruppe droht durch den Konkurs von Gustafssons früherem Kleiderabenteuer EC Trading der Verlust eines Vermögens. "Wir haben dort 0,86 Millionen Euro investiert. EC Trading war ein großer Kunde für uns."

"Das ist wohl merkwürdig, hört. Es wird in den GmbH-s, die Verbindungen mit Tvind haben, jedesmal Mist gemacht. Ich sehe ständig von Neuem andere dänische Namen auftauchen. Und wenn dir die Leute begegnen, dann sind es immer dieselben Typen: Roboterartige geschlechtslose Wesen, als ob sie einen Chip eingepflanzt bekommen hätten. Auch vollkommen humorlos.". Sluijter hofft, daß die Boer Gruppe von dem Geld, das ihr EC Trading schuldig ist, noch einen Teil zurückbekommt.

Der große Mann hinter dem Chari-Imperium, Amdi Petersen, behauptete indessen vor dem Richter in Dänemark, er habe mit Tvind nichts mehr zu tun. Aber die dänische Justiz denkt darüber anders. Das geht aus einem an die Öffentlichkeit gelangten Prozeßdokument hervor, das im November 2001 von Justizbeamten verfaßt wurde, die mit der Verfolgung von ernsten wirtschaftlichen Verbrechen in Westjütland beauftragt waren.

Das Dokument zählt 34 Seiten und enthält schwerere Verdächtigungen als nur eine 'Steuerfrage', wie die Sache durch die Humana-Sprecher bagatellisierend abgetan wird. Die Zusammenfassung ermöglicht einen netten Einblick in die Wunderwelt der Tvind-Gruppe.

Die Polizei in Dänemark bekam Einsicht in Tvind, nachdem an acht Adressen im Lande siebzig Computer beschlagnahmt worden waren. Sechzehn davon waren mit dem Verschlüsselungsprogramm Safeguard ausgestattet. Zahlreiche Dokumente waren mit diesem Programm verschlüsselt. Keiner der Besitzer war bereit, sein Paßwort der Polizei bekannt zu geben. Computertechniker der Polizei konnten auf fünf Computern trotzdem einen Teil der Bestände lesbar machen, indem sie auf der Hand liegende Paßwörter ausprobierten. Die dänische Polizei schaltete sechs externe Spezialisten ein, um zu versuchen, das Verschlüsselungprogrammm zu knacken, was aber mißglückte.

Für das Öffentlichkeitsministerium steht auf Grund der Untersuchung fest, daß Pedersen und seine Mitverdächtigen zum Kern von Tvind gehören. Pedersen arbeitet der Justiz zufolge eng mit seiner festen Partnerin Kirsten Larsen zusammen. Sie unterzeichnen interne Dokumente oder Mails mit 'KLAP', eine Zusammenfügung ihrer beiden Initialen.

Der charismatische Gründer des Labyrinths von Wohltätigkeitsorganisationen rund um Tvind wird von der dänischen Justiz eines Steuerbetrugs von 25 Millionen Euro beschuldigt. Und sieben seiner Vertrauten werden in diesem Strafverfahren als Verdächtigte betrachtet. Die Justiz beschreibt die Lehrergruppe als eine hierarchische Organisation mit deutlich politischer Zielstellung. Pedersen ist diesem Dokument zufolge der Mann, der Tvinds interne Ökonomie unter Kontrolle hat.

Die Tvindgruppe umfaßt inzwischen etwa fünfzig Schulen in Skandinavien und Afrika, Plantagen in Südamerika, Fabriken in China und Marokko und viele Humana-Gründungen, Bei allen diesen Humana-Organisationen sitzen Mitglieder der Lehrergruppe in Schlüsselpositionen. Auch in den Niederlanden. Obwohl der Vorsitzende Jensen von Humana Niederlande darauf beharrt, daß zwischen Humana und Tvind keine Verbindungen existieren, gibt er zu, daß in allen 29 Ländern, in denen Humana aktiv ist, ein Mitglied der Lehrergruppe Vorsitzende(r) des Vorstands ist. Aber, um die Kritik in den Niederlanden zu entschärfen, tauscht Jensen per 1. Mai seine Funktion mit dem heutigen Vizevorsitzenden, Renkums Bürgermeister J.W. Verlinden, meldet Humana-Direktor Van Baaren. "Wir nehmen Kritik ernst.''