Det Nye, 11-95, Seite 59 - 62 :

Gottes verstoßene Frauen

Sie versprechen ewiges Heil und Glück, wenn du das tust, was sie sagen.

Weichst du ab, dann wartet die Hölle.

- Extreme christliche Sekten benützen Gehirnwäsche, Gedankenkontrolle und Drohungen auf ihrem Weg zum Paradies, sagt Ernst Ziesler, ehemals Mitglied der Glaubensbewegung und der Mann hinter einer umfassenden Untersuchung unter Sektenaussteigern. Die Untersuchung deckt Verzweiflung, Angst und Selbstmordversuche unter den "Verstoßenen" auf. DET NYE hat mit drei jungen Frauen gesprochen - Rita (29), Kirsten (30) und Lise (23) -, die ausgebrochen sind und dafür einen sehr hohen Preis bezahlt haben.

Text: Lene Wikander Foto: Karin Beate Nøsterud

Im Alter von 23 Jahren war mein Körper erwachsen, aber innerlich war ich ein Kind. Ich mußte alles von Anfang an neu lernen, erklärt Rita (29), wie sie sich fühlte, als sie aus der Sekte "Smiths Freunde" ausbrach.

- Wenn du in einer Sekte geboren und aufgewachsen bist, dann verschwindet ihre Lehre nicht über Nacht - sie bleibt viele Jahre lang ein Teil von dir. Einige klagen darüber, daß sie die Angst vor der Strafe niemals los werden. Andere gehen so weit, daß sie versuchen, sich das Leben zu nehmen, und einigen gelingt es. Für Außenstehende kann diese Angst vielleicht absurd wirken, aber für die Betroffenen ist sie ganz real. Durch Jahre mit Gehirnwäsche hindurch wurde ihre Fähigkeit zu selbständigem Denken lahmgelegt, behauptet Ernst Ziesler.

Einige wagen es nicht, mit der Sekte zu brechen, aus Angst, dann ganz alleine draußen zu stehen - aber DET NYE hat drei junge Frauen getroffen, die es doch taten. Kirsten (30) war Mitglied der Zeugen Jehovas von ihrem 8. bis zu ihrem 29. Lebensjahr. Lise gehörte der Glaubensbewegung von 16 bis 18 an, und Rita (29) war Mitglied der "Smiths Freunde" von ihrer Geburt bis zum Alter von 23.

Todesangst wegen des Kinos

- Ich ging mit 20 zum ersten Mal in meinem Leben ins Kino. Damals hatte ich bereits begonnen, die Lehre der Smiths Freunde etwas kritisch zu hinterfragen, dennoch hatte ich während des ganzen Filmes Todesängste. Ich hatte mich niemals in meinem Leben so gefürchtet. Ich wußte, daß ich eine unverzeihliche Sünde beging, und war überzeugt, ich würde niemals in den Himmel kommen, erzählt Rita. Sie wurde innerhalb der Smiths Freunde geboren und ihre Familie gehört der Sekte weiterhin an.

- Ich lernte zu glauben, daß du dort nicht hingehen darfst, wohin du Jesus nicht mitnehmen kannst. Ich konnte Jesus nicht ins Kino mitnehmen, daher war ich verdammt. Das ist ganz verrückt ! Heute weine ich jedesmal beim Gedanken daran, auf was alles ich damals verzichten mußte. Ich durfte niemals fernsehen, radiohören oder zuviel mit Gleichaltrigen spielen.

Noch viele Jahre nach dem Bruch mit der Sekte hatte ich Todesangst vor der Strafe. Ich glaubte wohl verstandesmäßig nicht an die Strafe, aber tief hinten im Kopf saß die Angst, seufzt sie.

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"Ich habe gelernt zu glauben, daß du dort nicht hingehen darfst, wohin du Jesus nicht mitnehmen kannst. Ich konnte Jesus nicht mit ins Kino nehmen, daher war ich verdammt."

Rita (29)
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- Ich hielt es in der Sekte nicht mehr aus. Es gelang mir nicht, die strengen Anforderungen zu erfüllen, die gestellt wurden. Ich war nicht gut genug. Ich wußte, daß draußen die Strafe Gottes auf mich wartete, dennoch wagte ich es. Ich dachte, ich müsse nehmen, was komme; in der Sekte hielt ich es jedenfalls nicht mehr aus !

In den ersten Jahren wandelte ich wie im Traum. Die Familie und die Freunde versuchten die ganze Zeit, mich zurückzugewinnen - und ich widersprach ihnen nie, ich blieb nur stumm. Erst nach einigen Jahren sah ich ein, daß ich mein ganzes Leben auf einer Lüge aufgebaut hatte. Die ganze Grundlage meines Lebens wurde gewissermaßen unter meinen Füßen weggezogen, als ich dies entdeckte. Ich sah plötzlich ein, daß die, welche ich in all den Jahren für besser als alle anderen Menschen auf der Welt gehalten hatte, auch nur Menschen waren.

Der Schock darüber, der Wirklichkeit in die Augen zu sehen, ging nach und nach in Wut über. Ich war wütend auf das System und die Menschen, die solches anderen antun konnten. Ehemalige Freunde grüßten mich nicht mehr, und meine eigene Familie wandte sich von mir ab. Ich wurde niemals in die Wohnung meiner Eltern eingeladen, und sie besuchten mich nie. Ich wurde eine Verstoßene. Eine, mit der die Mitglieder keinen Kontakt haben sollen. Für sie bin ich nun ein Kind des Teufels. Ich weiß, was sie über mich denken, und das bereitet mir manchmal üblen Schrecken. Ich wage nicht, an die Öffentlichkeit zu gehen, weil ich weiß, daß ich mehr Verachtung nicht mehr vertrage. Ich habe weiterhin Probleme mit Angst und geringem Selbstbewußtsein. In all den Jahren erzählte die Sekte mir, wie wenig ich als Mensch wert sei. Das sitzt tief ! Ich wurde gehirngewaschen zu glauben, daß ich eine Null bin. Ich glaube, daß ich mit diesen Problemen nie fertig werde, aber ich weigere mich, aufzugeben. Es hat mir bereits 23 Jahre meines Lebens genommen. Den Rest will ich für mich selbst haben, versichert Rita zum Schluß .

Geistiger Kannibalismus

Kirsten Haugland war Mitglied der Zeugen Jehovas von ihrem 8. bis zu ihrem 29. Lebensjahr. Erst dann wagte sie, die Lehre der Sekte dem Ältestenrat gegenüber zu kritisieren, wie die Leitung der Sekte genannt wird. Dies sollte zu ihrem Ausschluß führen.

- Mein Mann und ich waren der Meinung, daß die Zeugen Jehovas in einzelnen ihrer Bücher und Zeitschriften Zitatfälschung betrieben. Es schien uns, daß sie Zitate von bekannten Wissenschaftlern, z.B. Darwin, mißbrauchten, um ihre eigene Lehre zu untermauern. Ich bekam einen ziemlichen Schock, als ich dies entdeckte, aber es war niemals meine Absicht, mit der Sekte zu brechen. Wir schrieben einen Brief an den Ältestenrat und rechneten damit, daß sie daran Interesse hatten, die Fehler zu berichtigen. Das war natürlich nicht der Fall. Das einzige, worum sich der Ältestenrat kümmerte, war, ob mein Mann und ich "Abtrünnige" seien, - Menschen, die nicht mehr an die Lehre glauben und sich Satan und den Dämonen hingegeben haben. Wir erlebten, daß ehemalige Freunde darauf hinarbeiteten, uns aus der Sekte hinauszupressen. Es war fürchterlich. Zuletzt wurden wir ausgeschlossen, indem der Ältestenrat in der Versammlung verkündete, wir hätten uns "freiwillig" zurückgezogen, was nicht der Wahrheit entsprach, erklärt Kirsten und schüttelt erschöpft den Kopf.

- Bis dahin hatte ich niemals sogenannte "abgefallene Literatur" gelesen; Bücher, die sich kritisch zur Lehre der Sekte äußerten. Aber nun begann ich, der Lehre genauer auf den Zahn zu fühlen. Aus jedem einzelnen "Schrank", den ich öffnete, fielen "Gerippe" heraus. Die Sektenmitglieder wandten uns den Rücken zu, wenn wir ihnen auf der Straße begegneten, denn bei den Zeugen Jehovas lernt man, "die Abtrünnigen zu hassen". Man soll nicht einmal mit ihnengemeinsam essen ! Da kann man selbst ausgeschlossen werden. Wie es mit uns weitergehen wird, steht im Wachtturm zu lesen, dem Blatt der Sekte, erklärt Kirsten, und zitiert aus der Beschreibung des Wachtturms, wie Abgefallene bei Harmagedon (dem jüngsten Gericht) behandelt werden sollen: "Die, welche weiterhin an Satans geistigem Tisch, dem Tisch der Dämonen, gegessen haben, wird man zwingen, bei einer buchstäblichen Mahlzeit anwesend zu sein, aber nicht als Gäste, sondern als Hauptgericht !"

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- Ich mußte mit den Problemen, welche die Sekte mir zugefügt hatte, zum Psychologen gehen. Ich fühlte, daß ich ganz unten war. Ich hatte mein ganzes Leben nach der Lehre gelebt.

Kirsten (30)
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- Ich mußte mit den Problemen, welche die Sekte mir zugefügt hatte, zum Psychologen gehen. Ich fühlte, daß ich ganz unten war. Ich hatte mein ganzes Leben nach der Lehre gelebt. Mit der Sekte zu brechen war wie eine neue Geburt im Alter von 30 Jahren ! In all den Jahren bei den Zeugen Jehovas war ich bewußter Gedankenkontrolle ausgesetzt gewesen. Der Wachtturm sagte mir, was ich über absolut alles glauben sollte, angefangen von Abort bis zur Frage, welche Musik ich hören sollte. Glücklicherweise hatte ich meinen Mann, der auf gleiche Weise fühlte. Das war eine große Stütze. Viele sind nicht so glücklich. Ich habe mehrere Freunde in der Sekte, die ich immer noch gern habe, aber heute fühle ich nur Mitleid mit ihnen. Es scheint mir, daß innerhalb der Zeugen Jehovas besonders Frauen und Kinder leiden. Ich möchte diesen Menschen helfen, indem ich ihnen zeige, was die Zeugen Jehovas eigentlich sind: eine Organisation, welche Gedankenkontrolle betreibt und die Menschen in die äußerste Finsternis hinausstößt, wenn die Gedankenkontrolle nicht wirkt. Es ist so schlimm, daß Menschen auf dem Totenbett ausgeschlossen wurden, weil sie Bluttransfusionen akzeptierten, welche für die Sekte eine große Sünde bedeuten. Ich will nicht mehr die Hände in Unschuld waschen und "darauf warten, daß Jehova alles in Ordnung bringt", wie die Sekte immer sagt. Nun will ich aktiv gegen die Wachtturmgesellschaft arbeiten , in der Hoffnung, daß niemand anderer das selbe wie ich erleben muß.

Dämonenaustreibung und Zungenreden

Lise Hagen (23) hat sich ebenfalls entschlossen, aktiv gegen die Sekte vorzugehen, bei der sie Mitglied war: die Glaubensbewegung. Lise hat ein Buch herausgegeben, das die Lehre der Sekte von einem kritischen Standpunkt aus betrachtet, "Følelser på villspor" ("Gefühle auf falscher Fährte"). Sie war Mitglied der Glaubensbewegung von ihrem 16. bis zum 18. Lebensjahr.

- Es begann damit, daß ich im Gymnasium auf Sektenmitglieder stieß. Es beeindruckte mich, daß sie immer so glücklich und selbstsicher wirkten. Ich wurde neugierig. woher sie all das Glück erhielten. Ich selbst wuchs in einer gewöhnlichen staatskirchlichen Familie auf und habe immer an Gott geglaubt. Als ich mich jedoch in der Glaubensbewegung engagierte, erhielt ich schnell Bescheid, daß das, was ich früher vertreten hatte, nicht gut war. Darüber hinaus nahmen sie mich mit offenen Armen auf. Ich hatte mich vorher nirgends so willkommen gefühlt. Sie luden mich nach den Treffen in ihre Wohnungen ein und gaben mir Ratschläge, was ich in der Bibel studieren sollte. In meinem Eifer, wie sie zu werden, stand ich jeden Morgen um fünf Uhr auf, um die Bibel zu studieren, bevor ich zur Schule ging. Heute kann ich es nicht fassen, wie ich das aushalten konnte.

Die Treffen der Gemeinde waren ganz unglaublich. Sie betrieben eine Form von Gehirnwäsche, indem sie die Leute zur Ekstase trieben, sodaß für keinen kritischen Gedanken Raum blieb, wenn der Prediger gesprochen hatte. Das Ganze begann mit Lobgesang, der im Laufe einer Stunden in unglaubliche Höhen stieg und stieg. Die Leute fochten mit den Armen und schrien in Zungenreden.

Langsam aber sicher fühlte ich dennoch, daß etwas nicht richtig klang. Ich sah, daß die Mitglieder nicht so glücklich waren, wie ich zuerst geglaubt hatte. Gleichwohl dachte ich, daß dies vielleicht mein Fehler sei. Daß ich die Bibel nicht gründlich genug studiert hätte. So ist das ja in der Glaubensbewegung; alles ist der Menschen eigener Fehler ! Ich bekam eine Broschüre mit verschiedenen Bibelstellen in die Hand, die ich in Verbindung mit persönlichen Problemen durchgehen sollte. Hatte man z.B. psychische Probleme, so sollte man seinen Namen unter die Bibelstelle schreiben, die sich dessen annahm, und das Ganze so lange wiederholen, bis man es auswendig kannte. Mit anderen Worten, reine Gehirnwäsche.

Erst als ich ernstlich erkrankte und vor der Gemeinde zur "Heilung" erscheinen sollte, begann ich zu verstehen, wie wahnwitzig das eigentlich war. Der Pastor hielt mich am Kopf und die Gemeinde betete und rief laut zum Himmel. Das war fürchterlich. Ich wurde natürlich auch nicht geheilt, aber ich war nahe daran zu sagen, ich sei es, nur um dem Druck der Gemeinde zu entgehen. Da ich nicht gesund wurde, wußte ich, daß sie glaubten, ich sei von Dämonen besessen und benötigte Austreibung. Es war schrecklich, umherzugehen und zu wissen, daß sie glaubten, ich hätte Dämonen im Leib. Ich hatte ja mehrere Dämonenaustreibungen gesehen, bei denen der Besessene hinfiel und sich in Krämpfen wand, während die ganze Gemeinde über dem Betreffenden stand. Einzelne Dämonenaustreibungen zogen sich über zwei Tage hin. Mir schien es als ein mehr als hinreichend großes Wunder, daß diese Menschen diese Behandlung überhaupt überlebten. Ich selbst weiß über mehrere Selbstmordversuche unter ehemaligen Mitgliedern der Glaubensbewegung. Das war es, was mich endlich veranlaßte, mich zurückzuziehen. Glücklicherweise unterstützt mich meine Familie hundertprozentig, und Freunde, die ich eher schlecht behandelt hatte, als ich in der Sekte war, vergaben mir. Glücklicherweise.

Daran leiden sie

Ernst Ziesler, ehemaliges Mitglied der Glaubensbewegung, hat eine Untersuchung unter 1000 norwegischen Aussteigern und Ausgeschlossenen durchgeführt, darunter Mitglieder der Glaubensbewegung, der Smiths Freunde und der Zeugen Jehovas. Hier einige der Ergebnisse:

Das sind die Zeugen Jehovas:

Das ist die Glaubensbewegung:

  • Gegründet in Texas von Keneth Hagin, und existiert unter vielen Namen. In Norwegen ist die Bewegung bekannt als "Livets Ord" (Wort des Lebens) und "Oslo Kristne Senter" ("Christliches Zentrum Oslo")

  • Das Bibelzentrum Livets Ord ist der Hauptsitz der Glaubensbewegung in Skandinavien und wird von Pastor Ulf Ekmann geleitet. Er trifft alle Entscheidungen in Livets Ord gemeinsam mit seiner handverlesenen Leitung, die u.a. aus seiner Frau, seiner Schwägerin und seinem Schwiegervater besteht. Die Sekte hat in Schweden 20 000 Mitglieder und betreibt die größte Bibelschule Europas.

  • Die Sekte erlaubt bei Männern kein langes Haar oder Ohrschmuck, und Frauen dürfen sich nicht "herausfordernd kleiden".

  • Die Sekte praktiziert Zungenreden. Die Gottesdienste werden von Ekstase geprägt, die Mitglieder fallen um, schreien und singen. Alles Negative, das die Menschen aus Krankheit, Armut, Unfällen, psychischen Leiden usw. erfährt, wird auf Satan zurückgeführt.

  • Die Sekte glaubt an Dämonen und daran, daß diese im Körper des Menschen Wohnung nehmen können. Die Dämonen müssen eine "offene Türe" finden, um im menschlichen Körper Wohnung nehmen zu können. So ist es des Menschen eigener Fehler, daß er von Dämonen besessen wird.

    Das sind die Smiths Freunde:

    (*) Anmerkung des Übersetzers: im Februar 1997 ergab eine Zählung nur 5074 Mitglieder.

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