Dagblad "Almere", Februar 1996:

Kindesmißbrauch schockiert viele Eltern in Rijssen.

Rijssen.

Die streng protestantische Gemeinde Rijssen hat mit Schock auf die große Unzuchtsaffäre reagiert, in die ein Religionslehrer der Schulgemeinschaft Reggesteijn verwickelt ist. Der 53-jährige Lehrer hat zugegeben, in den letzten 18 Jahren mit mindestens 30 Knaben Unzucht getrieben zu haben.

Diese Angelegenheit kam ans Tageslicht, als der Lehrer sich selbst an die Polizei wandte, um einen Erpressungsversuch eines 20-jährigen Mannes anzuzeigen. Der ehemalige Schüler wurde verhaftet und gestand bei der Polizei, daß er aus Verbitterung gehandelt habe. Er war selbst ein Opfer gewesen, sagte er.

In Rijssen, einem SGP-Bollwerk (einer streng calvinistischen Partei, Anm. d. Übers) mit 25.000 Einwohnern, fragt man sich, wie eine so umfangreiche Angelegenheit so lange geheim gehalten werden konnte. Der Bürgermeister E. van Voorden sagt: "Alle Eltern stellen sich nun die Frage: Ist auch mein Kind betroffen gewesen ?" Dem Bürgermeister zufolge schlug die Angelegenheit ein wie eine Bombe. "Rijssen ist eine sehr transparente Gemeinde. Das bedeutet, daß solche Vorfälle wie dieser große Unruhe erzeugen".

Nicht einmal die Leitung der Schulgemeinschaft Reggesteijn hat etwas von der sexuellen Praxis des Lehrers gemerkt. "Der Lehrer war uns als ruhiger, gemütlicher Mann bekannt. Wir haben ihn nun sofort entlassen, nachdem er uns von seinen unzüchtigen Handlungen mit einigen -zig Knaben erzählte. Er sagte uns alles, d.h. er wollte die Sache bereinigen", berichtet Rektor J. Brouwer.

Untersuchung

Die Leitung der Schule hat nun eine Untersuchung in Gang gesetzt, wieso es möglich war, daß bisher niemals etwas von dieser Unzuchtsaffäre bekannt wurde. Die Schulleitung hat nun alle Eltern in einem Brief informiert. Soziale Gesundheitsdienste und Riagg (Krisenteams) sind nun bereit, den Opfern mit Hilfe beizustehen.

Gegen den Lehrer läuft nun einer gerichtliche Untersuchung. Außer dem 20-jährigen ehemaligen Schüler haben sich vorläufig noch keine anderen Opfer gemeldet. Aber der Staatsanwalt E. Wesselius schließt nicht aus, daß nun auch andere Anzeigen eintreffen werden. Mitglieder eines speziell ausgebildeten Polizeiteams besuchen nun alle Knaben, welche der verdächtigte Lehrer als Opfer genannt hat.

Vor allem die Eltern werden, dem Psychologen H. Baartman zufolge, Fragen stellen:: "Wie ist es möglich, daß wir niemals etwas gemerkt haben ?" (Der Psychologe ist Hochschullehrer mit dem Spezialfach 'Vorbeugung und Hilfsmaßnahmen bei Kindesmißhandlung' an der Freien Universität in Amsterdam).

Hochschullehrer Baartman bemüht sich darum, daß eine Vertrauensperson an die Schule kommt, welche die Lehrer bei Verdacht der Unzucht mit Schülern unter ihren Kollegen kontaktieren können.

Anmerkung des Übersetzers: Der verdächtigte Lehrer ist oder war Mitglied der "Smiths Freunde" (S.F.), in Holland "Norwegische Brüder" genannt. Seine Neigung und auch frühere einschlägige Straftaten waren der Leitung der S.F. in Holland bekannt, wurden aber aus Angst vor Image-Schädigung verheimlicht.

Friedrich Griess